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    Ist "Star Wars 9" ein Mittelfinger an "Star Wars 8" und Rian Johnson?

    Mit „Episode 9: Der Aufstieg Skywalkers“ inszeniert J.J. Abrams die Fortsetzung zum kontrovers aufgenommenen „Star Wars 8“. Wirft Abrams die Ideen seines Vorgängers in den Müllschlucker? Zwei Redakteure sehen das unterschiedlich.

    The Walt Disney Company

    +++ Meinung von Tobias Tißen: „Star Wars 9“ ist ein dicker Mittelfinger +++

    Es folgen Spoiler zu „Star Wars 9: Der Aufstieg Skywalkers

    Für mich setzt Rian Johnson in „Star Wars 8: Die letzten Jedi“ einen perfekten Schlusspunkt. Nach der großen Endschlacht und Lukes Opfer sehen wir Kinder, die eben diese Ereignisse mit Puppen nachspielen – die Skywalker-Legende hat sich also durch die Galaxis verbreitet. Anschließend geht eines der Kinder hinaus, ein Junge, und zeigt in einem kleinen, einfach zu übersehenden Moment, dass er die Macht besitzt, indem er einen an der Wand lehnenden Besen ohne diesen zu berühren zu sich zieht.

    Seinen Film auf dieser Note zu schließen, war nicht nur mutig von Johnson, da jeder „Star Wars“-Film zuvor mit den jeweiligen Helden bzw. Antagonisten und nicht mit einer kleinen Nebenfigur endete, sondern auch ein großes Versprechen für die Zukunft. Was passiert mit diesem machtintensiven Kind, dessen Held Luke Skywalker ist? Wird Rey ihn trainieren? Gibt es noch mehr von ihnen und sehen wir in „Star Wars 9“ wieder mehrere Jedi? Vielleicht dann sogar unter dem Namen „Skywalker“ statt „Jedi“, wie es eine beliebte Theorie mal nahelegte?

    Das Ende zählte sicherlich zu den meistdiskutierten Szenen aus „Die letzten Jedi“, wenn es darum ging, was uns in J.J. Abrams‘ Trilogie-Abschluss erwarten könnte.

    Abrams ignoriert "Star Wars 8"-Ende

    Tja und was hat J.J. Abrams nun mit Johnsons großartigem Ende gemacht? Nichts. Er hat es ignoriert, er hat diesen tollen „Star Wars“-Moment komplett sinnlos werden lassen. Und das ist bei weitem nicht das einzige Mal, wo Abrams versucht, „Star Wars 8“ vergessen zu machen, indem er Story-Entscheidungen Johnsons ignoriert oder sogar direkt adressiert und dabei eindeutig für schwachsinnig erklärt.

    Natürlich knüpft Abrams teilweise auch an den direkten Vorgänger an, im Grunde ist „Der Aufstieg Skywalkers“ aber ein dicker, 200 Millionen Dollar teurer Mittelfinger in Richtung Rian Johnson.

    Und der kommt sehr wahrscheinlich nicht (nur) vom Regisseur selbst, sondern zum größten Teil von Geldgeber Disney, der die vielen von Teil 8 enttäuschten Fans unter allen Umständen wieder auf seine Seite ziehen will.

    Ihr mögt Rose nicht? Alles klar: Dann weg mit ihr!

    Und sogar den toxischsten der „Star Wars“-Fans will man sich anbiedern – oder J.J. Abrams ist tatsächlich komplett egal, was Rian Johnson in „Die letzten Jedi“ gemacht hat. Was auch immer: Wie in „Star Wars 9“ mit der Widerstandskämpferin Rose Tico (Kelly Marie Tran) umgegangen wird, ist nicht weniger als eine Frechheit.

    Nach „Episode 8“ war sie sicherlich die am meisten kritisierte Figur – und meist ging die Kritik nicht darüber hinaus, dass sie eine Frau und/oder Asiatin ist. Die Anfeindungen im Internet gingen sogar so weit, dass sich Kelly Marie Tran aus den sozialen Netzwerken verabschiedete.

    The Walt Disney Company

    In „Star Wars 9: Der Aufstieg Skywalker“ wird sie daher nun zur kompletten Randfigur degradiert. In Teil 8 gesteht sie Finn (John Boyega) ihre Liebe, sie rettet ihn unter Einsatz ihres Lebens, küsst ihn. In Teil 9 legt Finn ihr einmal die Hand auf die Schulter, das war es an zwischenmenschlicher Nähe zwischen den beiden.

    Ein paar Sätze darf sie noch sagen, aber auch nicht mehr als die neu eingeführte Figur Beaumont Kin. „Wer?“, fragt ihr euch? Richtig, man erinnert sich nicht mal mehr an den Typen – Beaumont ist der von Dominic Monaghan („Lost“, „Herr der Ringe“) gespielte Widerstandskämpfer.

    Ein neues, potentielles Love-Interest für Finn wird eingeführt: die Ex-Sturmtrupplerin Jannah (Naomi Ackie). Sie gehört zwar noch zu den besten neuen Figuren, ein Mittelfinger in Richtung Rose Tico und Rian Johnson ist ihre Existenz aber trotzdem.

    Rian Johnson, du Blasphemiker!

    Und dann wäre da natürlich der Moment, in dem J.J. Abrams am deutlichsten zu machen scheint, was er von manchen Entscheidungen seines Nachfolgers und Vorgängers Rian Johnson hält. Wenn Rey (Daisy Ridley) für gefühlte zwei Minuten ins Exil nach Ahch-To geht, ihr Lichtschwert zerstören will und Machtgeist-Luke (Mark Hamill) dies verhindert, kommentiert er das mit Worten à la: „So geht man nicht mit einer Jedi-Waffe um!“

    Auch wenn Luke seine Abkehr von den Jedi bereits in „Episode 8“ wieder rückgängig machte, fühlt sich dieser Satz doch wie ein weiterer, diesmal richtig dicker Mittelfinger für Johnson an. J.J. Abrams und sein Autorenpartner Chris Terrio („Batman v Superman“) hätten Luke auch sagen lassen können: „EY! Rian ‚Ruin‘ Johnson war ein Blasphemiker. Wir hingegen wollen die ‚Star Wars‘-Fans nicht wieder verärgern.“ Von der Aussage her hätte es sich für mich exakt so angehört wir das, was Luke tatsächlich sagt.

    "Die letzten Jedi": Für Disney ein gescheitertes Experiment

    Ich könnte noch ein bisschen so weiter machen und etwa noch mehr darauf eingehen, dass Abrams und Terrio Rey unbedingt wieder einen in der „Star Wars“-Saga verankerten Stammbaum verpassen mussten, obwohl es doch schön gewesen wäre, wenn die Heldin der Trilogie mal kein Sprössling einer der wenigen großen Familien in dieser gigantischen Galaxis wäre – so wie es nach Rian Johnsons Film aussah.

    Aber ich glaube, mein Punkt ist klar geworden:

    Aus Angst vor erneutem Internet-Hass und weil man mit aller Macht die verlorenen Fans zurückgewinnen wollte, hat J.J. Abrams „Die letzten Jedi“ teils ignoriert, teils dessen Story-Entscheidungen revidiert.

    Das war sein Job. Genauso wie es vermutlich sein Job war, möglichst viele nostalgische Momente zu erzeugen – hat bei seinem „Erwachen der Macht“ ja auch schon funktioniert. Das dazwischen – „Star Wars 8“– war ein gescheitertes Experiment. So etwas wird es bei Disney nicht mehr geben.

    Auf der nächsten Seite lest ihr, warum Tobias Mayer „Star Wars 9“ nicht für einen Mittelfinger hält.

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