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    Verprügelt Chris Hemsworth im Netflix-Actioner "Tyler Rake: Extraction" zu viele oder zu wenige Kinder?

    In der Comic-Vorlage der „Avengers“-Regisseure Joe + Anthony Russo sieht sich ein Söldner unter anderem auch mit bewaffneten Straßenkids konfrontiert. In der Verfilmung wird das Element in Ansätzen übernommen – aber funktioniert das so halbherzig?

    Netflix

    --- Meinung ---

    Tyler Rake: Extraction“ ist mehr oder weniger der Film, den ich mir von dem enttäuschenden „Rambo 5: Last Blood“ eigentlich erhofft hatte: Ein desillusionierter Söldner metzelt sich durch ein ihm feindlich gesinntes Gebiet – inklusive knüppelharter und vor allem handgemachter (!) Action bis zum Abwinken! Auf den einen oder anderen den Film in die Länge ziehenden Story-Schlenker hätte man da gern noch verzichten können – aber insgesamt hat mir das Regiedebüt von „Avengers 4“-Stuntman Sam Hargrave schon richtig gut Laune gemacht!

    Scheiden werden sich die Geister hingegen sicherlich bei der Gewalt gegenüber Kindern. Die Frage ist nur: Ist es zu viel – oder gar zu wenig?

    Spoiler-Warnung: In diesem Text wird nicht groß auf die Story, aber auf zwei spezifische Actionszenen aus der ersten Hälfte des Films eingegangen.

    Noch recht zu Beginn des Films stürmt Tyler Rake (Chris Hemsworth) eine mit Gangsterschergen gefüllte Wohnung in Dhaka – eine typische „John Wick“-Szene, bei der Rake mit den überforderten Handlangern ebenso kurzen wie superbrutalen Prozess macht. Er drückt sogar den Kopf eines Widersachers in die Zinken eines Rechens: Damit macht er seinem Namen (Rake = Rechen) direkt alle Ehre, selbst wenn nicht ganz logisch ist, warum im x-ten Stock eines Hochhauses ein Rechen herumliegt.

    Schon im Vorfeld der Szene und auch im Verlauf der Metzelorgie wird dabei immer wieder zu einem Nachwuchsgangster geschnitten, der sich ebenfalls in der Wohnung befindet. Er ist bestimmt keine zehn Jahre alt und so schmächtig, dass Chris Hemsworth ihn vermutlich wie eine Fliege mit dem Finger davonschnipsen könnte – aber er ist eben auch bewaffnet und eine Kugel bleibt eine Kugel, egal wer sie abschießt. Für den Zuschauer steht dabei außer Frage, dass Rake dem Jungen natürlich keinen Kopfschuss verpassen wird – und tatsächlich hat die Pistole des Kleinen am Ende Ladehemmungen und Rake jagt ihn mit einer abwinkenden Geste einfach davon.

    Soweit, so Hollywood...

    Kinder-Kloppe

    Eine Weile später wird Rake dann allerdings nachts von einer Kinderbande überfallen, woraufhin er der Konfrontation nicht mehr ausweichen kann – die Angreifer sind zwar etwas älter und auch etwas kräftiger gebaut als der Knirps zuvor, aber sie sind dennoch klar minderjährig. Auch diesmal verzichtet Rake wieder auf seine Markenzeichen-Kopfschüsse – aber spätestens, wenn der 1,90-Meter-Hühne den Kopf eines Kindes mit voller Wucht gegen ein Autofenster knallt, zieht man dann doch verwundert die Augenbrauen hoch.

    Das war’s mit Hollywood...

    Genug getraut?

    Ist doch schön, wenn man bei der Gewalt in einem Blockbuster – zumal mit Sunny-Boy-Thor Chris Hemsworth in der Hauptrolle – doch noch mal kurz ins Stocken und Zweifeln gerät. Ich finde es also gut, dass die Macher und ihr Star sich das „getraut“ haben. Aber dann gibt es eben auch noch die Comic-Vorlage „Ciudad“ von Joe & Anthony Russo („Avengers: Endgame“) – und in der sieht sich Tyler Rake konsequent mit einer feindlichen Metropole konfrontiert, wo er bei jedem 6-Jährigen auf der Straße Angst haben muss, dass er gleich eine Knarre zieht.

    Im Comic ist diese omnipräsente (Knirps-)Gefahr ein ganz zentrales Element, das in der Verfilmung wie oben beschrieben zwar angedeutet, aber eben auch nicht wirklich konsequent durchgezogen wird. Wäre „Tyler Rake: Extraction“ dann überhaupt noch ein in vorderster Front vor allem unterhaltsamer Kopfaus-Actioner geworden. Vielleicht nicht. Aber spannend wäre es als Experiment schon gewesen – und dafür waren die Streaming-Anbieter ja auch mal da. Aber vermutlich ist Netflix (aktuell mehr Wert als Disney) dafür inzwischen auch schon zu sehr im Mainstream angekommen.

    Mein Fazit:

    Die Kinderszene setzt einen spannenden Widerhaken inmitten einer hochtourigen Kopfschuss-Parade, die man als regelmäßiger Actionfilm-Gucker in der Regel natürlich einfach so hinnimmt (bzw. sogar abfeiert). Aber mehr als ein eingestreuter Kontrapunkt ist es dann eben auch nicht – nur hätten Chris Hemsworth und Netflix bei einer werkgetreuen Umsetzung wohl mehr als nur ein paar Kratzer in ihrem Strahle-Image riskiert.

    Und was meint ihr? Gerade jetzt im zwangsverordneten Homeoffice gehen einem die lieben Kleinen ja womöglich ohnehin tierisch auf den Keks...

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