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    MCU-Desaster auf Disney+: "Inhumans" ist wirklich so eine Katastrophe

    „Marvel’s Inhumans“ ist das schwärzeste Schaf im MCU, über das wohl in keinem Film und keiner Serie der „Avengers“-Reihe je wieder ein Wort verloren wird. Als MCU-Komplettist hat FILMSTARTS-Redakteur Björn Becher jetzt trotzdem die Serie geschaut.

    Walt Disney

    +++ Meinung +++

    Als der Auftakt-Zweiteiler von „Marvel’s Inhumans“ als großes IMAX-Kino-Event am 31. August 2017 auch in Deutschland lief, hatte ich den Besuch der Vorführung schon fest eingeplant, bevor mir ein anderer Termin dazwischenkam. Danach war die offiziell zum MCU gehörende Serie lange Zeit in Deutschland nicht zu sehen – und ich beobachtete (durchaus mit etwas Faszination) den Hohn und Spott, der sich in den USA über die Marvel-Produktion ergoss.

    Als über ein Jahr später „Inhumans“ dann ab Mitte November 2018 über VoD-Anbieter endlich auch in Deutschland verfügbar wurde, war mein Interesse allerdings schon wieder verflogen – und andere Inhalte standen so viel stärker in meinem Interessenfokus, dass ich nicht bereit war, rund 20 € dafür auszugeben.

    Mit Disney+ nun einfach verfügbar

    Doch nun gibt es seit Ende März 2020 Disney+ in Deutschland – und da ich einfach MCU-Komplettist bin, der irgendwie den Zwang hat, alles aus diesem Universum zu schauen, habe ich mich (nachdem erst mal „wichtigere“ Dinge wie ein „Gargoyles“-Re-Watch anstanden) nun doch noch „Inhumans“ gewidmet. Und was soll ich sagen: Die Serie ist wirklich so desaströs, wie es das Feedback aus den USA vermuten ließ.

    Doch bevor ich euch erkläre, warum es die für mich schlechteste MCU-Produktion ist, möchte ich euch die in Deutschland wahrscheinlich unbekannteste MCU-Serie (schließlich liefen selbst „Cloak & Dagger“ sowie „Runaways“ hierzulande zumindest vor einer gewissen Öffentlichkeit) kurz vorstellen.

    Darum geht es in "Inhumans"

    Die Inhumans sind genetisch mutierte Supermenschen, die vor Ewigkeiten von der Erde verschwinden mussten, und seitdem versteckt auf dem Mond in der Stadt Attilan leben. Dort regiert König Black Bolt (Anson Mount) eine streng geordnete Kastengesellschaft – allerdings ohne zu sprechen. Denn seine Stimme ist so mächtig, dass selbst ein Flüstern jeden in seiner Umgebung töten würde und er ganze Städte zerstören kann.

    Doch als sein Bruder Maximus („Game Of Thrones“-Fiesling Iwan Rheon) mit einem Coup die Macht an sich reißt, kann Black Bolt mit seiner Familie in letzter Sekunde auf die Erde fliehen – genauer nach Hawaii. Dort lernen er, Königin Medusa (Serinda Swan), Cousin Karnak (Ken Leung) und Co. eine Menge über die Menschen, werden von Maximus‘ Killern gejagt und ersinnen einen Plan, sich ihr Königreich zurückzuholen…

    Per se ist die Prämisse von „Inhumans“ ziemlich interessant, allein schon, weil man klassische Gut-Böse-Schemata aufbrechen könnte. In Attilan durchläuft jeder mit dem Erwachsenwerden einen Transformationsprozess, der ihre oder seine Superkräfte enthüllt. Danach wird bestimmt, wo man künftig eingesetzt wird, wobei der Prozess nicht ganz fair ist. Denn Mitglieder der königlichen Familie werden kaum als hart schuftende Arbeiter in den Minen landen…

    Maximus, der (eine von zahlreichen Änderungen zu den Comics) im Transformationsprozess als „Superkraft“ bekam, dass er sein Inhuman-Gen verlor und nun ein ganz normaler Mensch ist, will das System ändern – so scheint es zumindest (früh wird aber klar, dass es ihm in Wirklichkeit nur um ihn selbst geht). Da die Königsfamilie ziemlich ignorant scheint gegenüber den Problemen ihrer Untertanen, ist eigentlich das Setting bereitet, um dem vermeintlichen Bösewicht die Daumen zu drücken.

    Kein Raum für Grautöne

    Eingezahlt wird darauf aber nie. Maximus ist einfach zu sehr Fiesling, der manipuliert, lügt und mordet. Die Königsfamilie ist zwar verbohrt, aber es wird schnell klar, dass es durch Begegnungen mit Menschen einen Umdenkprozess geben wird, der zumindest einigen von ihnen ihre Fehler vor Augen führt. Chance vertan…

    Doch es ist natürlich immer einfach, einen Film oder eine Serie für das zu kritisieren, was sie nicht ist. Schließlich kann man auch sagen: Na und? Dann fehlt „Inhumans“ halt die Komplexität, der moralische Unterbau, da gibt es doch auch andere Beispiele allein aus dem MCU, wo das nicht anders ist.

    Auch ich bin eigentlich ein eher starker Verfechter, sich an das zu halten, was da ist und nicht, was hätte sein können (auch wenn es sich hier durch die sichtlich auch angelegten Ansätze aufdrängt). Doch bei „Inhumans“ ist auch nicht viel da – zumindest nicht viel Gutes…

    Schon im Prolog ist die Mischung aus Drama mit großen Gesten und Shakespeare-Anleihen und billigem Humor mit lächerlichen Kostümen so uneinheitlich, dass man bisweilen glaubt, zwei verschiedene Serien zu sehen. Die vorhandene Action ist zwar hin und wieder auf einem ordentlichen Niveau, aber bleibt nie in Erinnerung – und das obwohl einem mehrfach aufgedrückt wird, was für herausragende Kämpfer man hier sieht und gerade die Fähigkeiten der Figuren Anlass dafür geben würden. Doch außer bei dem seine Schritte genau kalkulierenden Karnak wird das kaum genutzt (und bei ihm läuft es sich irgendwann tot).

    Behauptung ist übrigens ein gutes Stichwort, denn fast alles in dieser Serie funktioniert über Behauptungen – nicht nur die angeblich so tollen Kampfkünste, auch jegliches Drama (dazu gleich mehr). Daneben gibt es reihenweise stumpfe Dialoge, in denen Figuren noch einmal das Offensichtliche zusammenfassen oder überflüssige Erklärungen und Innenansichten erläutern (während interessante Dinge kaum erklärt werden). So gewinnen die Figuren auch nie Profil, wobei es mit diesen ohnehin eine ganze Reihe von Problemen gibt.

    Der langweiligste MCU-Held ever

    Mit für gerade mal acht Folgen zu vielen überflüssigen Nebenfiguren (auf der Erde kommt für jeden Inhuman noch mindestens ein mit ihm interagierender Mensch dazu) ist die Serie vollgestopft, die eigentlichen Hauptfiguren werden nur in Ausnahmen entwickelt. Vor allem Anführer Black Bolt ist so ziemlich der langweiligste MCU-Held, den man bislang sehen konnte.

    Die Tragik des Mannes, der durch eine unbedachte Äußerung seine Eltern tötete, wird einem zwar verbal und mit Rückblenden zu diesem Moment dick aufs Brot geschmiert (Stichwort: Behauptung), hat aber trotzdem keinerlei emotionale Wirkung. Und Darsteller Anson Mount („Star Trek: Discovery“) muss aufgrund der Fähigkeit seiner Figur stimmlos bleiben, warum er allerdings auch seine Mimik so sparsam einsetzt und nur für verkniffene Ausdrücke nutzt, wird nicht erklärt.

    Fast immer wenn Konflikte aufgebaut werden, funktionieren diese nicht. Die Superkraft von Königin Medusa liegt in ihrem wallenden roten Haar, das sie einsetzen kann, um zum Beispiel Gegner durch die Luft zu schleudern. Also wird ihr von Maximus der Schädel rasiert – ein einschneidendes Erlebnis, aus dem man so viel machen kann.

    Doch weil man Medusas Verbindung zu ihrem Haar bis dahin gar nicht erleben konnte und auch danach das Drama nur in ein paar Tränen, Worten und dem wiederholten, ungläubigen Über-den-Kopf-Streichen gipfelt, beschleicht einen der Verdacht, dass es den Machern gar nicht um dramatischen Effekt ging, sondern um reine Kostenersparnis.

    Zu viel gespart

    Schließlich war das Animieren von Medusas Super-Haar sicher nicht ganz billig. Also muss es weg, wie übrigens auch Riesen-Hund Lockjaw, der eigentlich das Zeug zum MCU-Fanliebling hätte, hier aber nur aufgrund seiner Fähigkeit zur Teleportation nützlich ist.

    Da seine Animation auch kostspielig war, verlässt er meist direkt wieder den Raum oder wird während der Serie gleich zwei Mal für längere Zeit aus der Geschichte genommen – einmal ist er für eine Weile sediert und schläft irgendwo, einmal ist er verwundet und schläft woanders.

    „Inhumans“ ist so ein Desaster mit Ansage – nicht nur jetzt für mich beim Anschauen mit zweieinhalbjähriger Verspätung und wissend um die harschen Fan- und Kritiker-Reaktionen auf Disney+, sondern für Marvel selbst. Dort startete „Inhumans“ einst als Kinoprojekt, bevor es Kevin Feige zur TV-Abteilung abschob, wo man sich zwischen den damals noch laufenden, herausstechenden Netflix-Produktionen aber scheinbar auch nicht so richtig dafür interessierte.

    Das verdeutlicht unter anderem die Wahl des Regisseurs für die Pilotepisoden, bei denen dieser Job eigentlich eine besonders wichtige Position ist. Denn der Pilotregisseur gibt meist einen stilistischen Ton für die Serie vor. Oft werden hier große Namen oder Spezialisten geholt, Marvel setzte auf den Niederländer Roel Reiné, der vor allem für schnell und günstig heruntergekurbelte Direct-to-DVD-Sequels bekannt ist: „The Marine 2“, „Death Race 2 & 3“, „Zwölf Runden 2“ und „The Scorpion King 3“ sind einige Auszüge aus seiner Filmografie.

    Da verwundert es nicht, dass der Regisseur selbst schon vor dem Start von „Inhumans“ die Frage, warum Marvel ihn geholt hat, damit beantwortete, dass der Comic-Gigant ihn wollte, weil er wenig Zeit und wenig Geld für seine Actionfilme brauche. Marvel setzte also auf schnell und billig – und das fasst „Inhumans“ ziemlich gut zusammen.

    "Inhumans" und das MCU

    Ich gehe übrigens nicht davon aus, dass die Ereignisse in „Inhumans“ jemals eine Rolle im MCU spielen werden (obwohl das Finale dafür eigentlich prädestiniert wäre), sondern Marvel-Boss Kevin Feige da komplett den Mantel des Schweigens drüberlegen wird. Er hält sowieso wenig von den Serien, die außerhalb seiner Kontrolle entstanden sind.

    Mittlerweile ist er zwar auch für das Serienuniversum verantwortlich und es ist vielleicht mit ganz viel Hoffnung vorstellbar, dass er irgendwann einzelne Figuren (sofern es die wohl teilweise – vor allem mit Netflix - nicht ganz einfache Rechtelage zulässt) „rüberholt“ und dann vielleicht auch Serien-Ereignisse „anerkennt“ und im MCU-Universum aufgreift, doch bei den „Inhumans“ wird das nicht der Fall sein.

    Selbst wenn die bereits in „Agents Of S.H.I.E.L.D.“, worauf in dieser Serie auch kurz angespielt wird, präsente Inhuman-Thematik irgendwann mal wieder ins MCU kommt, werden die Abenteuer von Black Bolt und Co. in Hawaii ganz sicher keine Rolle spielen.

    Es gibt also selbst aus dieser Warte keinen Grund, sich „Inhumans“ anzuschauen. Falls ihr es doch tun wollt, könnt ihr sie bei allen gängigen VoD-Anbietern wie u. a. Amazon kaufen* – oder ihr nutzt lieber ein Disney+-Abo, was ihr nämlich sieben Tage kostenlos testen könnt.**

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