Auf den ersten Blick könnte man die Geschichte als typischen finsteren Skandinavienkrimi einsortieren. Sie hat aber noch mehr zu bieten. Natürlich läuft am Ende alles darauf hinaus, den über zwanzig Jahre lang ungelösten Fall endgültig aufzuklären. Letztendlich erzählt die im Original mit "Frikjent" (dt.: "freigesprochen") betitelte Serie allerdings viel mehr über ihre Figuren, als über die Tat an sich. Die Dynamik einer abgelegenen Kleinstadt, in der man sich gegenseitig misstrauisch beäugt und für eine der Gemeinschaft zufolge "falsche Meinung" schnell ausgegrenzt wird, bildet den roten Faden, ohne bekannte Muster zu kopieren oder die Bewohner übertrieben schrullig darzustellen. Im Gegenteil, die Motive vieler Leute möchte man oft widerwillig nachvollziehen können, obwohl sie sich im nächsten Moment schon wieder als potentiell zweifelhafte Gestalten entpuppen.
Erstaunlich ist, dass so gut wie keiner der Charaktere als eindeutiger Sympathieträger gezeichnet wird. Der scheinbar unschuldige Aksel neigt tatsächlich zu Gewaltausbrüchen und Trunksucht, sein jüngerer Bruder verheimlicht etwas, die verbitterte Eva ist eine Meisterin der Manipulation und ihr Mann scheint irgendetwas wiedergutmachen zu wollen, zeigt aber gleichfalls unvermittelt finstere Seiten. Nicht nur der Zusammenhalt in Stadt und Firma steht auf dem Spiel, sondern auch langjährige Freundschaften, Ehen und Beziehungen drohen an Misstrauen und Selbstgerechtigkeit zu scheitern. Dennoch geht das Konzept auf. Nachdem in den ersten drei Folgen die handelnden Personen und Situationen erst einmal ausführlich eingeführt wurden, gewinnen die Geschehnisse in Lifjord schnell an Fahrt und früher oder später ist jeder verdächtig. Großzügige Luftaufnahmen der herrlichen spätsommerlichen Fjordlandschaft bilden einen passenden Kontrast zu den Intrigen und Machenschaften ihrer Bewohner. Das Finale hat sich gewaschen und birgt in sich nochmal einen Twist, den man nicht gleich vermutet hätte, die Auflösung befriedigt die aufgestaute Neugier aber angemessen.
Überhaupt beweisen die Norweger wieder einmal, dass skandinavische Serien längst auf dem Niveau englischsprachiger Genrehits angekommen sind. Die Rückblicke am Beginn jeder Folge beschränken sich hier auf das zum Verstehen der Episode Notwendigste, man findet darin sogar kurze Szenen, die in der Endfassung der vorherigen Folgen offenbar geschnitten wurden. Die Bezeichnung als "erste Staffel" ist übrigens irreführend - die Serie ist abgeschlossen und wird nicht fortgesetzt.