Die Serie als solche ist gut, wenn auch durchschnittlich.
Die Serie als Star Trek, ist, nennen wir es verwirrt.
Ich erlaube mir, das hier genauer auszuführen:
Sie startet mit dem Beginn des Krieges zwischen Föderation und Klingonen. Die Klingonen werden hier als zerstrittene, religöse Reinheitsfanatiker, sonst nichts, vorgestellt. Die Föderation bildet dazu den gewohnt pluralistisch-utopischen Gegenpol.
Nach nur knapp einem Jahr, geht diese Utopie fast kläglich den Bach runter, gegen den besagten zerstrittenen Haufen religiöser Fanatiker. Die Botschaft: ja, Toleranz und "menschliche" Werte sind nett, aber funktionieren nicht wirklich. Das macht auch der comichafte Moralorgasmus in der letzten Episode Staffel eins nicht mehr wett.
Desweiteren wird die Föderation richtigerweise als Organisation bezeichnet, in der debattiert, geforscht und gestritten wird, zum Wohle aller. Nur gezeigt wird das nicht. Der gesamte filmische "Alltag" zeugt davon, dass drei bis vier Hauptcharaktere ihre Meinung durchsetzen, meist die Hauptrolle, ohne dass der z.B. in Voyager durchaus noch vorhandene Konsens gesucht wird.
Kurzum: die Förderation wird, wertehalber, vollständig entkernt. Auch wird der Eindruck erweckt,
siehe Spiegeluniversum ((sinngemäß): "Das Imperium hat mehr erobert als die Förderation je erforscht hat"),
ihre freiheitlichen Grundwerte sind mehr Ballast als Reichtum. Vor allem in unseren Zeiten eine verfehlte Botschaft.
Es wird auch noch, in einem kurzen Dialog (S2.E3), Sektion 31 als viel fortgeschrittener als die restliche Förderation dargestellt.
Es ist schnell klar, Freiheit und Pluralität sind nichts wert, auch keinen (technischen) Fortschritt. Wozu also?
Dabei ist die Besetzung erfrischend divers, was ich sehr schätze. Auch die Effekte sind, wenn auch etwas überschwänglich, sehr gut. Einziger Wehmutstropfen sind hier die fehlende Animation der Rumpfschilde der Raumschiffe.
Die Action ist gut, wenn auch Handlungstechnisch dünn; es wirkt oft etwas Dr. Who artig, vor allem im Bezug auf die Hauprolle, welche (zu) oft schlicht in Alleingang den Tag rettet.
Die Kontinuität des Star Trek Universums fährt komplett zur Hölle.
Das Spore Drive macht z.B. die gesamte Handlung von Voyager zunichte.
Das muss nichts allzu schlimmes sein, Anpassung und Korrektur kann solche langlebigen Franchises bereichern. Daher will ich hierzu nichts negatives sagen, es ist, im Bezug auf ENT, oft auch nett, nicht permanent technische Verkrüppelung zu betrachten.
Zur Technik: mir persönlich grassiert in Discovery deutlich zu viel esoterischer Dunstnebel.
Ich beziehe mich nicht mal auf Staffel zwei, das Sporedrive reicht schon. Spätere Star Trek Schiffe können ganze Dörfer im Detail simulieren, und ich soll der Serie abkaufen, dass das menschliche Hirn mehr kann? Auch mit dem "Sporenboost"?
Abschließend lässt sich nur, wie anfangs, sagen, dass die Serie leider bisher die Chance vertut, der Irrationalität unserer Zeit die Idee einer toleranten, forschungsorientierten Föderation und damit das Grundversprechen der Utopie von Star Trek entgegenzusetzen. Schade. Ich werde Discovery trotzdem weitersehen, vielleicht schaffen sie noch den Sprung von "guter Serie" zu gutem Star Trek.