Christian Bale: Hungerkünstler oder Schauspiel-Ass?
von Christoph Petersen & Jan Hamm ▪ Montag, 4. April 2011 - 00:00

Seine mit einem Oscar prämierte Rolle in David O. Russells Boxer-Drama „The Fighter“ ist nun schon die dritte in der Karriere von Christian Bale, für die sich der „The Dark Knight“-Star vorab etliche Kilos abhungerte. Aber haben diese exzessiven Diäten eigentlich überhaupt noch etwas mit Schauspielerei zu tun? Unsere Redakteure Christoph Petersen und Jan Hamm vertreten zu diesem Thema völlig gegensätzliche Meinungen.

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Hungern ist keine Kunst!

 

Von Christoph Petersen

 

Fassen wir zunächst noch einmal die Fakten zusammen: In Vorbereitung auf die Dreharbeiten zu Brad Andersons Psychothriller „The Machinist“ speckte Christian Bale 2002 stolze 28 Kilos ab, indem er jeden Tag lediglich eine Tasse Kaffee und einen Apfel zu sich nahm. Das entspricht lächerlichen 275 Kalorien täglich. Am Ende wog der Schauspieler noch schlappe 54 Kilo, wobei er selbst sogar auf 45 Kilo runter wollte, was der Regisseur und die Produzenten aber gerade noch zu verhindern wussten. Im Anschluss an den Dreh ging es nicht nur zurück auf Normalgewicht, stattdessen trainierte sich Bale zusätzlich noch 27 Kilo Muskelmasse für seine Rolle in Christopher Nolans Comic-Reboot „Batman Begins“ an.

In einem Interview erklärte Christian Bale damals, dass dies eine einmalige Erfahrung gewesen sei, die er niemals wiederholen wolle. Aber in dieser Hinsicht sind Schauspieler offenbar auch nicht anders als Politiker. Denn bereits drei Jahre später unternahm Bale für seinen Part als im Vietnamkrieg abgeschossener Kampfpilot in Werner HerzogsRescue Dawn“ erneut eine Radikaldiät. Aber damit nicht genug. Auch für die Rolle als kokainsüchtiger Boxer in David O. Russells biographischem Drama „The Fighter“ mussten die Pfunde wieder purzeln. Von der Oscar-Akademie gab es dafür die Auszeichnung als Bester Nebendarsteller. Und in Interviews erzählt Bale mittlerweile, dass es ihm gar nicht mehr schwerfallen würde, für seine Rollen Gewicht zuzulegen oder abzunehmen.


Der abgemagerte Christian Bale in "The Machinist" (links) und "The Fighter" (rechts).

 

Wir sind nicht derart naiv, dass wir verlangen würden, dass Hollywoodstars unbedingt Vorbilder für unsere Jugend sein müssen. Schließlich lassen wir ja auch zu, dass Heidi Klum mittlerweile in der sechsten Staffel allwöchentlich mit ihren Nachwuchs-Klappergestellen auf Sendung geht. Aber dass Christian Bales exzessive Diäten nicht gerade gesund sein können, steht ja wohl außer Frage. Im Fall von „The Machinist“ musste er sich noch von der Außenwelt abkapseln, weil ihm das Fasten zu schwer gefallen wäre, wenn es überall nach leckerem Essen gerochen hätte. Inzwischen scheint Bale am Abnehmen aber fast schon Gefallen zu finden. Lauscht man seinen Ausführungen zu dem Thema in aktuellen Interviews genau, könnte man sogar auf die Idee kommen, ihm erste Anzeichen einer Suchterkrankung zu unterstellen. Außerdem scheint ihm das ständige jo-jo-hafte Gewichts-Hin-und-Her mitunter auch mal aufs ansonsten sonnige Gemüt zu schlagen, wie zum Beispiel sein berühmt-berüchtigter Ausraster am Set von „Terminator: Die Erlösung“ belegt:

 

 

Method Acting (bei dem ein Schauspieler in seine Rolle hineinfindet, indem er sich ähnlichen emotionalen Erlebnissen wie sein Charakter aussetzt, also zum Beispiel eine Zeit lang dessen Beruf ausübt) gilt spätestens seit Robert De Niros Auftritt als Boxer Jake La Motta in Martin ScorsesesWie ein wilder Stier“ als Maß der Dinge. Aber sollte es nicht eigentlich die Aufgabe eines Schauspielers sein, sich in Situationen und Lebensumstände hineinzuversetzen, die er eben nicht selbst erlebt hat? James Franco hat sich als eingeklemmter Extremsportler in „127 Hours“ schließlich auch nicht wirklich die Hand abgehackt. Ebenso wenig würde man sich schwängern lassen, nur um eine Schwangere glaubhafter verkörpern zu können. Und für die Rolle eines Alkoholikers fängt auch niemand mit dem Saufen an, es sei denn, man heißt Charlie Sheen natürlich:

 

 

Dass Christian Bale seinen ersten Oscar nun für „The Fighter“ bekommen hat, während er für seine grandiosen Auftritte in „Prestige - Die Meister der Magie“ oder „Todeszug nach Yuma“ nicht einmal nominiert wurde, lässt tief ins Herz der amerikanischen Auszeichnungspolitik blicken. Dort zählt schon längst nicht mehr, wer die beste schauspielerische Leistung abliefert. Stattdessen kristallisieren sich zwei Trends in den vergangenen Jahren immer deutlicher heraus: Belohnt wird der Mut zur Hässlichkeit, ansonsten wären die Oscars von Nicole "Die Nase" Kidman für „The Hours“ oder Charlize Theron für „Monster“ wohl kaum zu erklären. Mit seinem Heroin-Chic in „The Fighter“ fällt Strahlemann Bale genau in dieses Schema. Zum anderen geht für die Oscar-Wähler offenbar das Schinden inzwischen über das Spielen. So ist zum Beispiel Natalie Portman in „Black Swan“ jederzeit anzusehen, wie viele Stunden hartes Balletttraining dem Auftritt vorangegangen sein müssen. Dasselbe gilt für Bales Rolle in „The Fighter“, denn seine entbehrungsreiche Abmagerungskur sticht dem Zuschauer schon auf den ersten flüchtigen Blick ins Auge. Aber sollten Oscars wirklich vornehmlich an jene Schauspieler mit der größten Bereitschaft zur Selbstaufopferung vergeben werden? Und sollten stattdessen nicht lieber wieder die besten darstellerischen Leistungen in den Mittelpunkt rücken?


Mut zur Hässlichkeit: Charlize Theron als Killerin in "Monster" und Nicole Kidman mit Riesennase in "The Hours".

 

Fazit: Es geht beim Schauspielern nicht darum, jemand anderes zu werden, sondern bitteschön immer noch darum, jemand anderen zu spielen. Mit seinen Diät-Fähigkeiten zählt Christian Bale vielleicht zu den Top-Favoriten für Regina Halmichs Kabel-1-Abnehmshow „The Biggest Loser“, aber seine Schauspielkunst hat er bei Normalgewicht in Filmen wie „American Psycho“ oder „Prestige - Die Meister der Magie“ doch bedeutend eindrucksvoller unter Beweis gestellt.

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Kommentare einblenden

Kommentare

  • Thawyer

    Ich muss dem Jan Hamm zustimmen. Sich gegen solche Preisrichter aufzulehnen ist wie ... sich über Politiker aufzuregen. Nützt doch nichts. Auch wenn ich Black Swan und The Figher noch nicht sehen durfte, sehe ich keinen Grund da etwas anzuzweifeln...

  • Fain5

    Ich gebe beiden Recht. Christian Bale ist ein herausragender Schauspieler und hat in mehreren Rollen bewiesen dass er zu den ganz großen gehört. Deswegen ist es ihm auch hoch anzurechnen was er alles für seine Rollen auf sich nimmt.

  • PaddyBear

    sehr gutes und interessantes spezial. Ich sehe das ähnlich. Was er mit seinem Körper anstellt ist natürlich schon sehr extrem aber ich halt bale (deswegen ist er auch mein lieblingsschauspieler) für einen großartigen schauspieler der teilweise super intensiv und überzeugend spielt. Die Kritik an der Academy unterstütze ich.

  • Fain5

    Ich denke nach den diesjährigen Oscarverleihungen kann die Kritik an der Academy nicht groß genug sein.

  • Padrino90

    Tolles Special!

  • bestsimon

    also ich gebe jan hamm recht, bale ist ein klasse schauspieler und hat seinen oscar für the fighter völlig verdient. und die academy zu kritisieren finde ich auch nicht gut, da sie es ja nie allen recht machen kann, außerdem sitzen da ja nicht nur idioten, die keine ahnung haben!

  • LeonardBlondieTyler

    klasse special...tendiere zu jan hamm,ohne solche leistungen wie sie uns bale usw bietet wäre kino en stück langweiliger...

  • Loconut

    super, mehr von solchen spezial-specials!
    die abgemagerte darstellung bale's verkommt nie zum selbstzweck, sie ist vielmehr eine unterstützung in der glaubwürdigkeit seiner rolle. daher eine hoch anzurechnende leistung seinerseits.

  • Jack-ONeill

    das problem ist eben, dass man sich alles verbauen kann, wenn so eine abnehm-zunehm-sache schief geht

  • Luphi

    Das Special ist eine tolle Idee. Bitte mehr davon! Ich persönlich stehe da eher hinter Jan Hamm. Wenn man seinen Körper "nur" wegen einer einzelnen Rolle so auf die Probe stellt, kann man das einem Schauspieler nicht zum Vorwurf machen, ganz im Gegenteil. Das ist eine unglaubliche Leistung und da steckt auch im Schauspieler selbst der Wunsch dahinter, seine Rolle glaubwürdig präsentieren zu können. Das ist vor allem bei "Darstellerfilmen" wichtig, die eben von der Präsenz ihrer Protagonisten leben.

  • Loconut

    dieses problem hat uns aber nicht anzugehen. es ist schlicht seine sache, wie es jan hamm bereits ausgeführt hat. das einzige was wir machen können ist diese leistung zu würdigen oder eben nicht.

  • ach-herr-je

    wirklich sehr gutes special.

  • Sortus

    Gutes Special danke. Hat ja schon was Essayhaftes :D

  • Philosoph

    Mir egal. Ich will gute Leistungen sehen und die Oscars gehen mir sonstwo vorbei. Bale macht es freiwillig und wird zu nichts gezwungen, also ist das komplett seine Sache.

  • digital-bath

    An sich eine interessante These, aber Christian Bale ist da der falsche Buhmann.

  • P14INVI3VV

    Jan Hamm bringt es auf den Punkt

  • FrancisMcJoe

    ...und das sollte eigentlich "verunstaltet" heißen

  • FrancisMcJoe

    unterstütze auch die meinung von jan hamm (toller name, will ein interview zwischen ihm und jon hamm sehen :D)... es ist häufig einfach notwendig, dass schauspieler dermaßen in ihre rolle eintauchen, dass man die eigentliche person nicht mehr erkennt, besonders zu zeiten wo man alles über jeden einzelnen restaurantbesuch eines stars erfährt. ich weiß persönlich oft einfach zu viel über den darsteller und seh einfach nur ihn - wenn er sich quasi "verunstellt", fällt es mir leichter, ihm die rolle abzukaufen. aber bale steht grundsätzlich außen vor, den respektiere ich :)

  • Stazzmatazz

    Klasse Special! Die Auszeichnung von Bale war sowieso schon lange überfällig..jetzt mal nur so nebenbei erwähnt. Insgesamt muss ich sagen, dass ich vor dem Lesen darüber nachdachte was ich so sagen würde ohne die Meinungen der beiden Redakteure zu lesen und ich war etwas unsicher. Nach dem Lesen von Christoph Petersens Kommentar dachte ich: "Yep! Da ist was dran!" Nach dem Lesen von Jan Hamms Kommentar dachte ich wiederum: "Yep! Hat auch Recht!" (Die Entschuldigung Bales hatte ich zum ersten mal gehört. Fand ich großartig! Der Mann hat wirklich Größe!) Zum Abschluss würde ich aber sagen dass ich im Endeffekt die Meinung von "digital-bath" teile. Deswegen war ich mir auch unsicher. Den Bale hat so oder so den Oscar schon längst bekommen sollen.

  • Cinergie

    Wie die meinsten hier finde ich auch, Bale hat eine Auszeichnung schon lange verdient. Er ist halt ein Vollblut-Schauspieler, der sich auch physisch voll der Sache widmet. Für mich gehört er sowieso zu den charismatischsten und beeindruckendsten Mimen in Hollywood. Möglicherweise hat er den Hang zum Extremen, aber genau diese Intensität verleiht seine Rollen eine unglaubliche Tiefe! Und einen besseren, innerlich zerisseneren Batman gabs noch nie. Ich freue mich auf noch viele Filme mit ihm!

  • Da HouseCat

    ich ärger mich heute noch ,was die aus terminator gemacht haben. bale war die perfekte besetzung für einen düsteren ernsten terminator film in einem szenario wie in teil2.

  • KittyBale

    Christian Bale ist für mich der beste Schauspieler Hollywoods weil er sich so in seinen Rollen einlebt. Früher gefielen mir Schauspieler die *NUR* gut aussahen. Aber dann fiel mir Christian Bale auf. Seine Rollen wirken echt und wenn er dafür abnimmt soll er das tun. Er tut das aus einem Bauchgefühl heraus, ist Perfektionist. Ich nehme Ihm seine Darstellung ab.. Selbst in Blockbustern wie Terminator oder Batman.. Charaktere die vorgezeichnet sind und seinem Können wenig Spielraum lassen...

  • stonyrue

    mysteriös: die oscar verleihung 2011 war also "kurz nach" seinem auftritt in the fighter? der mann muss ein haarwachstumsmittel sondergleichen besitzen :D

  • Laotse

    Die Bildunterschriften sind selbstredend mit einem Augenzwinkern zu lesen - siehe "There Will Be Blood"-Bildunterschrift. ;)

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