Der Vorleser: Kate Winslet spricht über ihre bisher schwierigste Rolle
Mittwoch, 4. März 2009 - 11:03
Von Barbara Fuchs

Beunruhigte es Sie, Hanna Schmitz zu spielen?

Winslet: Der Grund, warum ich wirklich sehr Angst hatte vor dieser Rolle war, dass Hanna ein komplizierter Charakter ist. Ich empfand es als eine große Verantwortung, diese Rolle zu spielen, weil es ein überall auf der Welt viel geliebtes Werk der deutschen Literatur ist. Ich dachte, es sei eine große Verantwortung, es richtig zu machen, weil viele Menschen darauf warten und sie wissen möchten, wie ich diesen Charakter spielen werde. Ich fragte mich auch, ob ich es tun könnte, ob ich gut genug wäre, und ob ich ausreichend das Zeug, das Wissen und die Fähigkeiten als Schauspielerin hätte. Ich frage mich dies bei jeder Rolle, aber Hanna konnte ich überhaupt nicht zuordnen. Das macht Angst, denn als Schauspieler braucht man ein paar Dinge, die du zu dir in Beziehung setzen kannst. Bei Hanna konnte ich überhaupt nichts in Beziehung zu mir setzen. So hatte ich das Gefühl, dass ich in ihr verschwinden müsste, was sehr aufregend war, aber auch beängstigend, weil ich alles hinter mir lassen musste. Es war außerdem sehr schwierig für mich, weil jeder seine Meinung über Hanna hatte, sie ist ein viel diskutiertes Thema. Ich musste aus ihr ein menschliches Wesen machen und die Wahrheit erzählen. Ich konnte sie nicht als Monster oder als Nazi spielen. Sie war eine Frau, die zwei große Geheimnisse sowie Liebe und Mut in sich trug.

Es wurde kritisiert, dass die Problematik des Holocaust im Buch sowie im Film vernachlässigt sei...

Winslet: Als ich das Buch vor sechs Jahren gelesen habe, stand es für mich für eine beeindruckende und komplizierte Liebesgeschichte. Das Buch setzt sich zwar auch mit dem Holocaust auseinander, aber für mich war es eine Liebesgeschichte. Bernhard Schlink sagte mir, dass der Altersunterschied zwischen Hanna und Michael notwendig war, denn sonst hätte er nicht die Perspektive der jungen Generation gemeinsam mit den Verbrechen der vorigen Generation und den Antworten, die sie noch suchen, zeigen können. Ich finde, dass der Analphabetismus und der Holocaust mit der gleichen Wichtigkeit behandelt werden. Ich hoffte, dass die Menschen, die das Buch nicht gelesen haben gemeinsam mit Michael im Film entdecken, dass Hanna nicht lesen kann.

Besonders gegen Ende sollen die Dreharbeiten sehr anstrengend gewesen sein...

Winslet: Die letzten zwei Drehwochen in Köln waren sehr hart für mich, weil wir alle Liebesszenen und viele Altersszenen drehten und das war seltsam: Denn an einem Tag war ich die 60-jährige Hanna und drehte die Szene mit Ralph Fiennes in der Cafeteria und am nächsten Tag war ich die junge Hanna und drehte eine Liebesszene mit David Kross. Das war sehr eigenartig und als ich nach Hause gekommen bin hat mich mein Ehemann wie einen kleinen Vogel halten müssen. Ich habe ein wenig Gewicht verloren in den letzten Wochen, ich denke es war einfach der Stress. Ich war wirklich nur mehr wie ein Schatten und brauchte viel Zeit, um mich wieder als mich selbst zu fühlen. Es kostet mir oft sehr viel eine Rolle zu spielen, aber mit Hanna war es einfach schmerzvoll und es nahm mir viel von mir weg.


Haben Sie sich im Vorfeld über den Holocaust informiert?

Winslet: Mein Wissen über die deutsche Geschichte war peinlich gering, da ich die Schule mit 16 verlassen habe. Ich hatte immer dieses Gefühl, dass ich nicht genug über alles wissen würde, weil ich die Schule verlassen habe und dann gleich als Schauspielerin zu arbeiten begann, um Filme zu machen. Darum setzte der Moment, an dem ich mir sagte, ich gehe zurück zur Schule und höre mit der Schauspielerei auf nie ein. So musste ich mich ständig selber weiterbilden und wusste vom Holocaust zwar viel, aber nicht genug. Ich hatte nur zwei Monate, um mich auf die Rolle vorzubereiten, normalerweise möchte ich dazu drei Monate. Das erste, das ich dann in Berlin gemacht habe, war die Holocaust-Gedenkstätte zu besuchen.

Welche Fähigkeit würden Sie gerne zusätzlich zur Schauspielerei besitzen?

Winslet: Ich wünschte, ich könnte schreiben. Ich mag die Idee der Routine eines Schriftstellers, eine Kerze anzuzünden und um zwei Uhr in der Nacht etwas zu schreiben. Ich bin nicht in der Lage, eine einzige Linie zu schreiben. Ich bin sehr froh, dass ich das Glück hatte, immer eine gute Beziehung mit den Regisseuren zu haben. Es fing mit Michel Gondry und „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“ an, weil er uns immer angeregt hat, unsere Meinung zu den Charakteren zu sagen und auszuprobieren sie eventuell zu verändern. Das Experimentieren hat bei mir vor sechs Jahren mit „Eternal Sunshine“ richtig eingeschlagen und dann machte ich „Little Children“, für den ich sehr eng mit Todd Fields zusammen gearbeitet habe. Wir haben ständig über den Film gesprochen und Dinge gemeinsam entstehen lassen, so war es dann auch bei „Revolutionary Road“ mit Sam Mendes. Ich genoss es wirklich sehr, eigene Ideen einzubringen und dazu das Vertrauen und den Mut zu haben. Es war toll, wenn eigene Ideen angenommen wurden und sie dann in dem Film zu sehen. Es war meine Idee, dass Hanna am Ende des Films auf die Bücher steigt. Das war einer der besten Momente in meinem Leben, als ich die Idee mit den Büchern hatte.

Haben Sie bereits ein neues Projekt im Auge?

Winslet: Nachdem ich April und Hanna gespielt habe, weiß ich nun wirklich nicht, was ich als nächstes tun soll. Ich kann einfach nicht sofort zur Arbeit zurück kehren, da ich in den vergangenen vier Jahren alles aufgebraucht habe. Darum werde ich eine Pause machen für sechs Monate. Ich war in diesem besonderen Jahr sehr glücklich, weil es so fantastisch ist ein Teil von zwei unglaublichen Filmen zu sein.

Das Interview wurde im Februar im Rahmen eines runden Tisches in Berlin geführt.

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