Filmstarts trifft... Delfin-Aktivist Ric O'Barry und Regisseur Louie Psihoyos ("Die Bucht")
Donnerstag, 22. Oktober 2009 - 16:10
Von Christoph Petersen

Mit ihrer aufwühlenden Dokumentation „Die Bucht“ wollen der Regisseur Louie Psihoyos und der Umweltaktivist und ehemalige „Flipper“-Trainer Ric O’Barry dem alljährlichen Delfin-Schlachten in der japanischen Küstenstadt Taiji ein Ende bereiten. Filmstarts traf die beiden zum Gespräch in Berlin.

Filmstarts: Wann haben Sie sich dazu entschieden, Delfine zu befreien statt sie zu trainieren?

Ric O’Barry: Es war Earthday 1970, der Tag, an dem Flipper starb. Es gab zwar noch vier andere Delfine, aber für mich war Kathy immer der wahre Flipper. Da wandte ich dem Geschäft den Rücken zu und schaute nie mehr zurück. Natürlich war das aber nur der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Es gab vorher schon eine Menge Dinge, die sich angestaut hatten. Wenn man in einem Delfinarium arbeitet, wird man zu einem professionellen Lügner. Jeden einzelnen Tag muss man die Öffentlichkeit, die Journalisten, aber auch sich selbst belügen.


Ric O’Barry schwimmt mit „Flipper“.

Filmstarts: Seit wann kämpfen Sie gegen das Delfin-Schlachten in Taiji?

Ric O’Barry: Seit 2002. Ich war bereits 1975 schon einmal dort gewesen, aber damals wusste ich von dem Delfin-Schlachten noch nichts. Das habe ich erst 2002 zum ersten Mal gesehen und war schockiert. Im Film bekommt das Publikum lediglich die Disney-Version zu sehen – in Wahrheit ist es noch viel schlimmer. Jedes Jahr sehe ich es mir – zwischen September und März – fünf bis sechs Mal an. Es ist unglaublich schrecklich – und deshalb entschied ich mich, solange dazubleiben, bis die Sache ein Ende hat.

Filmstarts: Ihr Ziel ist es, einer breiten Öffentlichkeit die Geschehnisse in Taiji vor Augen zu führen und die Delfin-Schlächter so zum Aufgeben zu zwingen. Nun ist „Die Bucht“ bereits in einigen Ländern angelaufen. Gibt es denn schon erste Resultate?

Ric O’Barry: Es reicht nicht, dass sich die Leute den Film nur ansehen – sie müssen auch etwas unternehmen, um die Sache zu beenden. Wir haben über unsere Homepage etwa 250.000 Unterschriften für Präsident Obama gesammelt. Denn er hat die Möglichkeit, das Telefon in die Hand zu nehmen und den neuen Premierminister von Japan anzurufen. Als ich 2002 meine japanischen Freunde frage, was ich denn unternehmen kann, meinten diese nur „Gaiatsu“, was soviel wie „Druck von außen“ bedeutet. Und das ist es nun, was ich mit meiner Arbeit und auch diesem Film zu generieren versuche.

Filmstarts: Als Sie in Japan drehten, womit mussten Sie da rechnen – nur ihr Equipment einzubüßen, im Gefängnis zu landen oder sogar ihr Leben zu verlieren?

Ric O’Barry: Wir mussten mit allem rechnen. Aber am meisten Angst hatte ich vor der Yakuza, der japanischen Mafia. Die ist sehr, sehr gefährlich. Wenn jemand in Japan ein Problem mit jemandem wie mir hat, dann ruft er nicht die Polizei, er ruft die Yakuza. Und wer immer die Schwierigkeiten bereitet, verschwindet einfach.


Seit Jahrzehnten als Aktivist tätig: Ric O’Barry.

Filmstarts: Als Sie das erste Mal in Taiji ankamen, hielten Sie Ric O’Barry für einen paranoiden, alten Mann. Wann hat sich dieser Eindruck geändert?

Louie Psihoyos: Ich bemerkte, dass Ric keinesfalls paranoid ist, als wir ins Hotel zurückkehrten und uns Undercover-Cops in Empfang nahmen. Wir wurden also tatsächlich verfolgt. In dem Hotel hatte unser Team fünf Zimmer und die Polizei hatte ebenfalls fünf Zimmer.

Filmstarts: Eigentlich verdienen Sie als Fotograf Ihre Brötchen. Wie sind Sie dazu gekommen, nun einen Film über Ric O’Barry und seinen Kampf gegen das Delfin-Schlachten zu machen?

Louie Psihoyos: Das war vor fünf Jahren. Ich und mein Freund Jim Clarke, ein Mogul und Risikokapitalist, haben die besterhaltensten Tauchreservate der Welt bereist – die Galapagos-Inseln, die Karibik, Polynesien. Und jedes Mal, wenn wir an einen dieser Plätze zurückkehren, gibt es weniger Fische und weniger Korallen. Jim meinte, dass doch jemand mal etwas dagegen unternehmen müsse. Und ich schlug vor, dass doch er und ich dieser „jemand“ sein könnten. Unsere Idee ist es, mit Hilfe von Film und Fotografie die fatale Entwicklung in den Meeren umzukehren. Und „Die Bucht“ ist nun unser erstes Projekt in dieser Richtung.

Filmstarts: Gibt es Pläne, „Die Bucht“ auch in Japan in die Kinos zu bringen?

Louie Psihoyos: Definitiv – innerhalb des nächsten Jahres werden auch die Japaner den Film zu sehen bekommen. Vor zwei Monaten wäre es noch unmöglich gewesen, den Film irgendwo in Japan zu zeigen – doch nun wurde die herrschende Partei nach mehr als 50 Jahren abgewählt und das politische Klima hat sich verändert. Zuvor sagte der Direktor des Tokio Film Festivals zu uns, dass es in Anbetracht des diesjährigen Mottos „Die Umwelt“ verlogen sei, „Die Bucht“ nicht zu zeigen – immerhin gibt es sogar einen grünen statt eines roten Teppichs. Trotzdem wurde uns abgesagt, weil die japanische Regierung der größte Sponsor des Festivals ist. Nach der Abwahl haben sie den Film dann doch noch akzeptiert. Manchmal geht es eben nur um das richtige Timing.


Regisseur Louie Psihoyos.

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