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    Die Wahlkämpferin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Wahlkämpferin
    Von Carsten Baumgardt

    Die Politik und ihre Akteure haben weltweit ein Imageproblem, doch folgt man gängigen Vorurteilen, dann sind unsere Probleme harmlos im Vergleich zu den Zuständen in Südamerika, denn dort scheint es nur Bananenrepubliken zu geben, die von korrupten und machtgierigen Despoten regiert werden. Diese in Europa und den USA weitverbreitete Sicht auf die lateinamerikanische Welt ist nicht nur einseitig, sondern auch arrogant, wie sich nun in der Polit-Satire „Die Wahlkämpferin“ einmal mehr ganz deutlich zeigt: Die Filmemacher um Regisseur David Gordon Green haben sich von Rachel Boyntons packender Dokumentation „Our Brand Is Crisis“ über den bolivianischen Präsidentschaftswahlkampf 2002 inspirieren lassen und legen die wahren kulturellen Unterschiede im internationalen Politsumpf offen: Während zynische US-Wahlkampfmanager ihre skrupellosen Methoden einfach nach Bolivien exportieren, sind verunglimpfende Schmutzkampagnen, wie sie im Norden des Kontinents zumindest hinter vorgehaltener Hand ganz selbstverständlich zum Repertoire gehören, in dem Andenstaat verpönt (und per Gesetz verboten). Der Film schwankt ein wenig unentschieden zwischen schriller Farce und pessimistischem Thriller, launige Unterhaltung bietet er dank der beherzten Darbietungen von Sandra Bullock und Billy Bob Thornton aber dennoch.  

    Sie war die beste, aber auch die berüchtigtste Wahlkampfmanagerin der USA – bis sie der Job körperlich und seelisch auffraß: Vor sechs Jahren stieg Jane Bodin (Sandra Bullock) aus, entsagte dem Alkohol und den Zigaretten, zog sich in die Einöde zurück und ordnete ihr chaotisches Leben. Doch als der knorrige Hardliner Castillo (Joaquim De Almeida), der sein Präsidentenamt in Bolivien zurückerobern will, in den Umfragen aussichtslose 22 Prozent zurückliegt, weiß sich sein US-Expertenteam um Nell (Ann Dowd), Ben (Anthony Mackie) und Buckley (Scoot McNairy) nicht mehr anders zu helfen und bittet Jane um Hilfe. Die kehrt daraufhin  ins Hamsterrad des Politgeschäfts zurück und bläst zum totalen Angriff auf Castillos Gegenkandidaten, den in allen Medien blendend wegkommenden strahlenden „Bolivien-Obama“ Rivera (Louis Arcella). Sie stellt den groben Ex-Präsidenten als anpackenden Krisenbewältiger hin und startet eine miese Schmierenkampagne gegen Rivera. Doch der hat den aalglatten Profi Pat Candy (Billy Bob Thornton) an seiner Seite, ein alter Bekannter von Jane, mit dem sie noch eine Rechnung offen hat.

    Good Night. And Good Luck.“, „Argo”, „The Ides Of March”, „Männer, die auf Ziegen starren”: Wenn es um die Produktion von Filmen mit Politthemen geht, sind Grant Heslov und George Clooney inzwischen Spezialisten und sie erkannten auch das enorme Potenzial von Rachel Boyntons brillanter Doku. Warum dies letztlich nur in Teilen umgesetzt werden konnte, ist nicht so leicht nachzuvollziehen. Es gibt einfach zu viele Ungereimtheiten in der Handlung, besonders zu Beginn (Drehbuch: Peter Straughan, „Dame, König, As, Spion“). Diese Holprigkeiten haben Clooney, der ursprünglich den Part des Gegenspielers Pat Candy übernehmen sollte, womöglich auch zu seinem Rückzieher als Darsteller bewogen, während Indie-Regisseur David Gordon Green („Ananas Express“, „Prince Avalanche“) vergeblich versucht, der zunächst extrem wilden Mischung aus absurden, albernen und ambitionierten Elementen mit unpassenden Slapstickeinlagen Herr zu werden. Es dauert eine Weile, bis der Filmemacher sich entschieden hat, welche Geschichte er erzählen will - und dann bietet „Die Wahlkämpferin“ gute Unterhaltung.

    Nachdem anfänglich etwas zu sehr auf der Schrulligkeit von Sandra Bullocks Jane herumgeritten und tief in die Klischee-Mottenkiste gegriffen wird, findet der Film nach ihrer schöpferischen Pause mit dem Wiedereinsatz in Bolivien zu größerer Klarheit. Oscarpreisträgerin Bullock („Gravity“, „The Blind Side“), die auch als ausführende Produzentin auftritt, trägt „Die Wahlkämpferin“ und spielt sich mit Billy Bob Thornton („Armageddon“, „The Man Who Wasn’t There“) in seiner Paraderolle des aalglatten Unsympathen süffisant verbal die Bälle zu. Obwohl die zynische Jane keine liebenswerte Person ist und ihre Methoden alles andere als sauber sind, macht es diebischen Spaß, der von der Presse uncharmant „Calamity Jane“ (Katastrophen-Jane) genannten Strippenzieherin bei ihren dubiosen Winkelzügen zu folgen – bis zu einem genialen Punch im Finale. Da spielt es auch keine große Rolle, dass sie moralisch auf der falschen Seite steht und für die „dunkle Seite der Macht“ kämpft - zu mitreißend ist der Sog des Verdorbenen. Positive Figuren gibt es in „Die Wahlkämpferin“ ohnehin nicht, mit Ausnahme des idealistischen einheimischen Wahlkampfhelfers Eddie (Reynaldo Pacheco), eine Figur, die als dramaturgisch fadenscheiniges moralisches Feigenblatt daherkommt und die Erzählung eher bremst als bereichert.

    Die Figuren mögen ihren moralischen Kompass längst verloren haben, aber „Die Wahlkämpferin“ ist kein unmoralischer Film und so zeichnet Green die US-Politprofis als arrogante Kolonialherren, die den von ihnen belächelten Südamerikanern zeigen wollen, wie man professionell Wahlkampf macht. Zynisch sind die Politiker in Bolivien auch, aber dennoch gibt es kleine Unterschiede. Man scheut sich nicht, das Wahlvolk mit Versprechungen schamlos zu belügen (wie überall auf der Welt), aber wenn es daran geht, den politischen Gegner mit Lügengeschichten zu demolieren, melden sich Moral und Gewissen: Ehre und Stolz sind hier noch etwas wert. Gleichzeitig ist Verdorbenheit für den Geschichtenerzähler meist faszinierender als Güte und so wird „Die Wahlkämpferin“ vor allem durch Bullocks Porträt der völlig durchgeknallten Jane spannend. Erst einmal in Bewegung, walzt sie alles nieder, was sich ihr in den Weg stellt. Neben Thornton und ihr bleiben Anthony Mackie („Tödliches Kommando“) und Scoot McNairy („12 Years A Slave“) recht blass, während Joaquim De Almeida („Fast And Furious 5“) als sturer Kandidat, Ann Dowd („Side Effects“) als erfahrene Teamleiterin und Zoe Kazan („Ruby Sparks“) als nerdiger Rechercheprofi für kleine erzählerische Nadelstiche sorgen.

    Fazit: So ganz hat Regisseur David Gordon Green seinen ebenso komplexen wie spannenden Stoff nicht im Griff, dennoch ist sein zynisch-unterhaltsamer Polit-Thriller „Die Wahlkämpferin“ besser als der Ruf, der ihm als kritischer und kommerzieller Flop in den USA vorauseilt.

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