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    Bram Stoker´s Dracula
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Bram Stoker´s Dracula
    Von Ulrich Behrens

    1462. Der rumänische Fürst Vlad Dracula (Gary Oldman) besiegt die türkische Armee. Das Schlachtfeld ist übersät mit auf Lanzen aufgespießten Leichen. Die Türken rächen sich bitter. Sie lassen Draculas geliebter Braut Elisabeta (Winona Ryder) die Nachricht zukommen, er sei ums Leben gekommen, woraufhin die Gegrämte sich aus dem Fenster stürzt und stirbt. Dracula ist entsetzt, erbost, verflucht Gott für dieses Schicksal, rammt sein Schwert in das Kreuz und trinkt von dem Blut, das angesichts dieses Frevels in seinem Schloss in Transsylvanien aus allen Ecken fließt. Ab diesem Zeitpunkt irrt Dracula als Untoter durch die Weltgeschichte.

    1897. Der junge Anwalt Jonathan Harker (Keanu Reeves), auf dem besten Weg, Karriere zu machen, soll nach Rumänien reisen, um mit einem Grafen die Verträge für dessen Grundstückskäufe in England auszuhandeln. Der Graf, kein anderer als Dracula um gut 400 Jahre gealtert, dafür allerdings noch sehr rüstig, trotz faltigem Gesicht, langen Fingernägeln und blutroten Augen, wie es sich für einen anständigen Vampir gehört, hält Harker gefangen, nachdem er ein Bild von dessen Verlobter Mina (Winona Ryder) gesehen hat. Die gleicht wie ein Ei dem anderen Draculas verblichener Elisabeta. Und ab nun ist unser Vampir nicht mehr zu bremsen. Erst machen sich seine drei attraktiven, aber nichtsdestotrotz blutgierigen Bräute (Monica Bellucci, Florina Kendrick, Michaela Bercu) über den zunächst noch ahnungslosen Jonathan her, der nur knapp ihrem Durst entkommt. Dann ist Dracula plötzlich verschwunden und taucht als jugendlich gelifteter, langmähniger und mit einer dunklen Brille und Hut ausgerüsteter Fremder in London auf, um Mina zu becircen. Die ist gerade damit beschäftigt gewesen, mit ihrer äußerst sehenswerten Freundin Lucy (Sadie Frost) ein paar klassische Darstellungen des Geschlechtsakts anzuschauen. Beide träumen von der großen Liebe.

    Dracula bleibt nicht lange inkognito. Der Arzt und Vampirjäger Professor Abraham (Anthony Hopkins) ist ihm schon auf den Fersen. Mit seinen Helfershelfern Dr. Seward (Richard E. Grant) und Quincey (Bill Campbell) kann er allerdings nicht verhindern, dass Dracula Lucy auf dem Friedhof beißt.

    Harker kann sich inzwischen aus dem rumänischen Schloss befreien und Mina eine Nachricht zukommen lassen. Die ist hin- und hergerissen zwischen dem gelifteten Grafen und ihrem jungen Geliebten. Als sie sich nach Rumänien begibt, um Harker dort zu ehelichen, ist Dracula vor Gram gebeugt. Schließlich haut er auch Mina seine Zähne in den Hals, die das über sich ergehen lässt. Abraham, Harker und die anderen begeben sich mit dem Zug nach Transsylvanien, um dem Spuk ein Ende zu machen ...

    Puh!! Ich kenne diese Geschichte, in welcher Abwandlung auch immer, schon in- und auswendig. Und auch Coppolas Inszenierung nach einem Roman von Bram Stoker bietet nicht allzu viel Neues in dieser Hinsicht. Coppola erzählt die Geschichte von Dracula vor allem unter dem Gesichtspunkt der verloren gegangenen Liebe, der Sehnsucht nach dem Lebendigwerden der Geliebten, die Dracula in Mina zu erkennen glaubt. Ganz so ernst scheint allerdings auch Coppola seine Beschäftigung mit dem nicht tot zu kriegenden Grafen nicht zu nehmen. Nachdem Seward auf Anweisung Abrahams die berühmten Pfähle in Lucys „ver-vampirten“ Körper gestoßen hat und ihr der Kopf abgeschlagen wurde, um die bedauernswerte Untote in den ewigen Jagdgründen ihre Ruhe finden zu lassen, wechselt das Bild zu einem Geflügelbraten.

    Ballhaus filmte in teilweise rasanten Schnitten die mit etlichen special effects ausgestatteten Sequenzen. Schon die Eingangsszene ist beeindruckend bebildert: Ein Dracula nach der Schlacht gegen die Türken, sitzt auf dem Schlachtfeld. Vor ihm aufgespießte Feinde vor einem blutroten Hintergrund. Dracula wechselt die Formen, mal gealterter Graf, mal eine Mischung zwischen Fledermaus und Kröte, mal einfach nur Rauch, der sich seinen Weg durch die Ritzen und Schlitze bahnt, mal Wolf, der über Lucy auf dem Friedhof herfällt. Ein großartiger Gary Oldman, der Dracula zwischen der endlosen Verzweiflung über den Tod seiner Braut Elisabeta, den er nie verwinden wird, und der blutrünstigen Brutalität ansiedelt, wo er wohl hingehören mag.

    Hopkins spielt einen abgebrühten, nüchternen Vampirjäger, der sich durch nichts von seinem Ziel abbringen lässt – schon gar nicht von Gefühlen, die im Kampf gegen die Untoten nur stören und den Erfolg gefährden. Reeves spielt den Bräutigam Minas sehr verhalten, fast kalt.

    Der Geschichte fehlt es an allen Ecken und Enden an Logik. Warum sich eine bildhübsche junge Frau, die noch kein Vampir ist, in einen Grafen wie Dracula verliebt, bleibt ein Geheimnis des Drehbuchs. Warum Dracula überhaupt Grundstücke in London kaufen will, ist ebenso unerklärlich. Coppola verzichtet zugunsten von Vampir-Action auf eine geschlossene und schlüssige Handlung. Dafür ist der Film, was Ausstattung, düstere, kerzenlichtbestimmte Atmosphäre und Kostüme betrifft, gut bestückt. Andeutungen sexueller Freizügigkeit und ein im Gefängnis sitzender Gehilfe Draculas, der verrückte Renfield, überzeugend gespielt von Tom Waits, ergänzen Coppolas Interpretation der Vampirgeschichte.

    Gut zwei Stunden Vampirismus. Mir war das etwas zu lang, aber das ist eine Geschmacksfrage. Langweilig war „Dracula“ nicht. Der Streifen ist exzellent gefilmt, die Besetzung ist im Wesentlichen überzeugend und vor allem Gary Oldman legte einen Dracula hin, wie er eigentlich jedem Fan des Genres gefallen müsste.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2016. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 66. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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