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    X-Men Origins: Wolverine
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    X-Men Origins: Wolverine
    Von Christoph Petersen

    Bei vielen Superheldenfilmen ist es nicht etwa das bombastische Finale, sondern die erste halbe Stunde, die am meisten Spaß macht. Oftmals ist es nämlich bedeutend spannender zu erfahren, wie jemand zu einem Superhelden wurde, als ihm dabei zuzusehen, wie er dem Bösewicht in den Hintern tritt. Bei „Spider-Man“ und „Daredevil“ war dies etwa der Fall. Das „X-Men“-Universum wiederum ist allerdings so komplex und wartet mit so vielen Figuren auf, dass in den bisherigen drei Leinwandabenteuern („X-Men“, „X-Men 2“ und „X-Men: Der letzte Widerstand“) kaum Platz blieb, um auf die Vorgeschichten der Protagonisten einzugehen. Deshalb war nach Abschluss der eigentlichen Trilogie schnell die Idee geboren, in einer Reihe von Spin-Offs ausführlicher auf den Werdegang der einzelnen Charaktere einzugehen. Den Anfang sollten Filme über Wolverine und Magneto machen. Die Zukunft des Magneto-Abenteuers steht zwar noch immer in den Sternen, dafür kommt „X-Men Origins: Wolverine“ von Oscar-Preisträger Gavin Hood nun tatsächlich in die Kinos. Dabei ist die Geschichte der Transformation vom kleinen Jungen James Howlett zum Mutanten-Söldner Logan und schließlich zur allseits bekannten „X-Men“-Kultfigur Wolverine erwartungsgemäß mit neuen X-Men, Hintergründen und Handlungssträngen vollgestopft. Leider wird von dem vielen Begonnenen aber nur sehr wenig rund zu Ende geführt.

    Logan (Hugh Jackman) und sein älterer Bruder Victor „Sabretooth“ Creed (Liev Schreiber) sind Teil einer Spezialeinheit unter der Leitung von Oberst William Stryker (Danny Huston), die nur aus Mutanten besteht. Bei einem Einsatz in einem abgelegenen Dorf kommt es zum Eklat: Weil die anderen Teammitglieder auch Unschuldige hinrichten, steigt Logan aus und setzt sich als Holzfäller in die kanadischen Rocky Mountains ab, wo er sich in die Lehrerin Kayla Silverfox (Lynn Collins) verliebt. Doch die Vergangenheit holt den Mutanten schneller ein als ihm lieb ist: Victor ist offensichtlich durchgedreht und hat sich in den Kopf gesetzt, Logan zu töten. Doch bevor es zum Kampf zwischen den Brüdern kommt, nimmt sich Victor zunächst einmal Kayla vor. Logan ist innerlich vollkommen zerstört und sinnt fortan auf Rache. Um Victor zu vernichten, lässt er sich von Stryker das außerirdische Metall Adamantium in Knochen und Krallen spritzten – der unzerstörbare Wolverine ist geboren…

    Schon der Titel „X-Men Origins: Wolverine“ verkündet vollmundig, dass hier Herkunft und Hintergründe der Hauptfigur näher beleuchtet werden sollen. Und was das angeht, legt der Film gleich mit einem ordentlichen Pfund los. Bereits der Vorspann ist ein kleines Bravourstück: Über die Dekaden hinweg kämpfen Logan und Victor immer wieder für Amerika – im Unabhängigkeitskrieg, im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie in Vietnam. Dabei hat jeder Konflikt seine eigene Optik, außerdem sieht man, wie Victor über die Jahre immer mehr Lust am Töten findet. Das besitzt Tiefe und ist zugleich ein Schmaus für die Augen. Leider bleibt die Entwicklung der Figuren nicht auf diesem Niveau. Zwar offenbart der Brüderkampf (inklusive Vatermord) zwischen Logan und Viktor beinahe shakespearesche Dimensionen, doch dieser Konflikt tritt genau wie die melodramatischen Elemente um Logans verlorene große Liebe immer mehr hinter Unmengen Krachbumm-Action und Spezialeffekt-Gewittern zurück.

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    Dabei halten die Actionszenen nicht ganz, was man sich angesichts der Dimensionen des Projekts vielleicht erhoffen durfte. Das dürfte auch daran liegen, dass Regisseur Gavin Hood („Tsotsi“, „Machtlos“) eben mehr ein ausgewiesener Charakter- als ein Actionspezialist ist. In der ersten Hälfte gibt es fast ausschließlich Faustkämpfe, bei denen es zwar anständig knallt, die aber nicht sonderlich abwechslungsreich in Szene gesetzt sind. Später kommen dann die erwarteten Effektschlachten hinzu, wobei auch deren Qualität alles andere als neue Maßstäbe setzt. Gerade im Finale, wenn bei einer Mutantenprügelei ein riesiges Bauwerk in Schutt und Asche gelegt wird, fehlt dem Ganzen jede Plastizität. Man sieht zwar, wie die Betonmassen in sich zusammenstürzen, aber man spürt es nicht. Das hat etwa J.J. Abrams im „Star Trek“-Reboot, in dem der Körper des Zuschauers bei jedem Lasereinschlag mit erbebt, um Welten besser hinbekommen.

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    Hugh Jackman („Van Helsing“, „Prestige“, „The Fountain“) lebt Wolverine. Allein die Diät zum Muskelaufbau, für die er nachts um halb drei aufstehen musste, um sich Unmengen an Hähnchenfleisch reinzustopfen, zeigt, wie sehr ihm die Rolle über die vergangenen Jahre ans Herz gewachsen ist. Dabei strahlt er als Logan genau die Präsenz aus, die man als Protagonist eines Action-Blockbusters einfach haben muss. Das ist keine große Schauspielkunst, sondern schierer Wille. Weit über das Blockbuster-übliche Maß hinaus geht hingegen die Leistung von Liev Schreiber („Scream“, „Der Manchurian Kandidat“). Der Charakterkopf, der zu den unterschätztesten Schauspielern seiner Generation zählt, arbeitet Victors innere Zerrissenheit so pointiert heraus, dass es den präzisen Charakterentwicklungen der Marvel-Comics alle Ehre macht. Der Mutanten hassende William Stryker wurde in „X-Men 2“ noch wunderbar bösartig von Brian Cox gespielt. Weil die Handlung von „Wolverine“ mehr als 30 Jahre früher spielt, musste die Rolle nun aber umbesetzt werden. Die Trauer darüber hält sich jedoch in Grenzen, denn Danny Huston, der auch schon in „Der ewige Gärtner“ und „30 Days Of Night“ grandiose Bösewichte verkörpert hat, steht Cox in nichts nach.

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    So sehr die Darsteller im Zentrum auch überzeugen, so blass bleiben die am Rande. Lynn Collins („Bug„“, „The Number 23“) schlägt als Silverfox zwar Logan, nicht aber das Publikum in ihren Bann – selbst wenn Victor sie ausweidet, geht einem das – gelinde gesagt – am Allerwertesten vorbei. Ähnliches gilt für Daniel Henney als Agent Zero. Auch wenn das ehemalige Model in Südkorea ein Megastar ist, bleibt er hier trotz überragender Schießkünste komplett farblos. Der Black-Eyed-Peas-Frontmann Will.i.am macht als Schauspieler zwar keine schlechte Figur, aber seine Rolle als Wraith - ein Mutant mit der Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen - bleibt einfach zu nichtssagend. Am meisten enttäuscht wohl die Leistung von „Friday Night Lights“-Star Taylor Kitsch („Rache ist sexy“, „Der Pakt“). Der erste Leinwandauftritt von Gambit war bereits für „X-Men 2“ im Gespräch, doch die Fans mussten noch lange weitere sechs Jahre auf ihren Liebling warten - und dann kommt mit Ausnahme einiger nett anzusehender CGI-Kartentricks kaum etwas dabei heraus. Einzig Ryan Reynolds („Blade: Trinity“, „The Amityville Horror“) trifft in seinem kurzen Gastspiel den coolen Kern seines klingenschwingenden Charakters Wade Wilson alias Deadpool.

    Fazit: „X-Men Origins: Wolverine“ ist ein streckenweise durchaus kurzweiliger Action-Blockbuster, der seinem Anspruch, die Ambivalenz seiner Hauptfigur genauer auszuleuchten, aber kaum gerecht wird.

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