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    "Andor" ist so herausragend, weil Disney hier uns etwas zeigt, was in "Star Wars" bislang gefehlt hat
    Björn Becher
    Björn Becher
    -Mitglied der Chefredaktion
    Björn ist mit „Star Wars“ aufgewachsen, schaut die Filme mindestens jährlich, hat zahlreiche Bücher rund um das beste Franchise der Welt gelesen und verschlingt gerade alles aus der Zeit der High Republic.

    Die Unterdrückung der Menschen durch das Imperium war schon immer eines der bestimmendsten Themen von „Star Wars“. Doch noch nie wurde sie so eindrucksvoll gezeigt wie in der neuen Folge von „Andor“. Denn dort geht man einen neuen Weg...

    Disney und seine verbundenen Unternehmen

    +++ Meinung +++

    Wie schlimm das Imperium ist, hat schon George Lucas deutlich gemacht. Schließlich war schon seine Original-Trilogie von „Star Wars“ auch hochpolitisch und klar antifaschistisch. „Andor“ ist zwar nun auf vielen Ebenen so weit weg vom „Star Wars“, wie es Lucas immer vorschwebte, wie noch kein anderer Kanon-Inhalt bevor (Weite Teile der Erzählung könnten auch in einer komplett anderen Welt spielen, vom Spaß für die ganze Familie ist in der düsteren, erwachsenen Erzählung kaum etwas zu spüren.)...

    » "Andor" auf Disney+*

    Doch „Andor“ ist immer noch so klar antifaschistisch wie „Star Wars“ in seinen besten Zeiten - und macht eine Sache dabei sogar zum ersten Mal auf so einer Breite und so nachdrücklich wie kein Titel in der Saga: uns das einsame Leiden unter der Fuchtel des Imperiums zu zeigen. Vor allem die neueste Folge „Narkina 5“, die achte Episode der ersten Staffel von „Andor“, ist dahingehend ein Meisterstück.

    In "Narkina 5" bekommen alle Figuren Raum

    Zum ersten Mal im Verlauf der Serie tauchen in einer Folge wirklich alle Figuren auf, die eine größere Rolle spielen. Und obwohl ein zentraler Teil des Plots Cassian Andors (Diego Luna) Ankunft und erster Monat im titelgebenden Gefängnis „Narkina 5“ ist, wird auch sehr viel Zeit den vielen Figuren daneben gewidmet. Und dabei geht es nicht ausschließlich darum, die direkte Story fortzuführen und kleine Hinweise für die Zukunft zu streuen. Es steht vor allem die Darstellung ihrer Leben, ihrer sehr, sehr einsamen Leben, im Vordergrund.

    „Star Wars“ hat uns natürlich schon immer die teuflische Macht des Imperiums gezeigt. Doch in den Filmen war zu wenig Zeit, um sich mit der tiefgründigen Erkundung einzelner Schicksale aufzuhalten. Gerade in „Star Wars Rebels“ bekamen wir zwar oft auch das Leiden der Menschen zu sehen, doch es waren meist mehr die Gruppenerfahrungen, das klassische Unterdrücken und Auspressen der Bevölkerung, welches gerade auch in einer Folge von „Star Wars: Geschichten der Jedi“ anhand einer Landgemeinde illustriert wird. „Andor“ geht hier einen ganz anderen Weg.

    Der Kampf gegen das Imperium macht einsam

    In „Andor: Narkina 5“ wird nun nach und nach eine andere einzelne Person in den Mittelpunkt gerückt: Die alte Maarva (Fiona Shaw), welche starrsinnig ihren privaten Mini-Kampf gegen das Imperium gestartet hat. Bix (Adria Arjona), die beide Männer in ihrem Leben auf unterschiedliche Weise verloren hat.

    Am stärksten ist dies aber in den Szenen zwischen Cinta (Varada Sethu) und Vel (Faye Marsay) auch dank der hochklassigen Dialoge von Beau Willimon (der „House Of Cards“-Macher und oscarnominierte „Ides Of March“-Autor hat diese Folge geschrieben). Die Unterhaltung zwischen dem Rebellen-Liebespaar enthält so viel – und das nicht nur weil mit der Andeutung über Vels Herkunft aus reicher Familie die Fan-Theorien, dass sie Luthens (Stellan Skarsgård) Tochter ist, neue Nahrung bekommen.

    Hier ist die Einsamkeit so richtig zu spüren. Vel, die ihre ganze Familie verlassen hat und nur noch Cinta in ihrem Leben zu haben scheint, wünscht sich nur einen kurzen Moment der Zweisamkeit. Für Cinta ist der undenkbar, das Imperium ruht auch nicht. Im Kampf für ein freies Leben hat sie jegliche eigene Freiheit aufgegeben. Das ist bitter.

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    Vel und Cinta schauen sich an – und sind doch beide alleine.

    Mit einer Überblendung illustriert Regisseur Toby Haynes dies dann auch noch ganz herausragend. Auf unserem TV-Bildschirm schauen sich Vel und Cinta in einem Moment direkt an, doch räumlich sind sie in dieser Szene weit getrennt. Die eine schaut aus dem Fenster, um weiter nach Andor Ausschau zu halten, die andere sitzt in einem öffentlichen Transport, bewegt sich von ihrer Liebe weg, womöglich sogar von diesem Planeten (schließlich ist es derselbe Transport, den Luthen nahm, als er in Ferrix ankam).

    Selbst in der Masse sind die Menschen einsam

    Das Thema „Einsamkeit“ zieht sich durch die komplette Episode und wird selbst in Szenen voller Menschen thematisiert. Da ist Mon Mothma (Genevieve O'Reilly) auf einer Party, doch trotzdem ist sie nach dem Weggang ihres einzigen Vertrauten Tay Kolma (Ben Miles) inmitten der Feiernden ganz alleine. Und um das noch zu unterstreichen, bekommen wir kurz darauf die Info, dass sie und ihr Mann Perrin Fertha (Alastair Mackenzie) im Alter von 15 Jahren verheiratet wurden. Dachten wir bislang, dass er mal eine Liebe war, beide sich nur entfremdet haben, wissen wir nun, dass auch sie immer einsam in ihrem Kampf für eine bessere Welt war.

    Dies trifft auch auf den bereits erwähnten Luthen (Stellan Skarsgård) zu, der in seinem Versuch, all die unterschiedlichsten Rebellengruppen zusammenzubringen und Anschläge gegen das Imperium quer über die Galaxie zu organisieren, sich auch immer wieder machtlos, weil alleine, fühlt.

    Wie das Imperium das letzte Leben aus den Menschen presst

    Im Gefängnis zeigt die „Andor“-Episode dann auch noch einmal explizit, wie das Imperium aus den Menschen jeden Funken Leben hinauspresst. Es ist sicher kein Zufall, dass ausgerechnet in dieser auch nach dem Gefängnis benannten Episode so viel Wert auf die Schicksale der einzelnen Figuren gelegt wird, denn irgendwie befinden sich alle in ihrem persönlichen Gefängnis.

    So muss nicht nur Andor aus dem wortwörtlichen Gefängnis ausbrechen, sondern jeder auch aus seinem eigenen, damit irgendwann daraus die bekannte Rebellion sich so richtig formieren und der Funken Hoffnung auf eine Veränderung erglimmen kann.

    Meisterhaftes Erzählen in "Andor: Narkina 5"

    Wie die Serienverantwortlichen nicht nur dies in „Narkina 5“ erzählen, sondern es auch immer wieder mit dem Fortgang der großen Story verknüpfen, ist großes Kino. Dabei verzichten sie auf das im modernen Erzählkino so präsent gewordene Erklären und Ausformulieren, sondern verstehen wie einst auch Rian Johnson bei „Star Wars: Die letzten Jedi“, dass es oft viel besser ist, die Informationen einfach für uns liegen zu lassen.

    Wenn sich ein Häftling umbringt, erzählt das in erster Linie zwar, wie grausam es im Gefängnis zugeht, wie gefühlskalt alle den Selbstmord hinnehmen. Es gibt aber uns und vor allem Andor auch die Information, dass nach einem solchen Tod der glühende Boden für einen kurzen Moment ausgeschaltet ist. Gerade die vielen Beobachtungen der Hauptfigur werfen die Macher einfach rein – ohne uns ausführlich darauf hinzuweisen, ob und wie die Probleme in der Organisation der Wachen oder die Kommunikation per Zeichensprache zwischen Gefangenen auf verschiedenen Ebenen beim ja bekanntlich garantiert noch folgenden Ausbruch eine Rolle spielen.

    Die nächste Episode von „Andor“ gibt es dann am 2. November 2022 bei Disney+.

    Neben all den offensichtliche Cameos: Diese "Star Wars"-Figur ist in der neuen Folge "Andor" versteckt - sie wird ganz wichtig

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