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    Selten war Nicolas Cage besser als in diesem Meisterwerk von Martin Scorsese – jetzt streamen
    Michael Gasch
    Michael Gasch
    Bei Micha ist nichts wichtiger als Filmpoesie, wodurch kunstvolle Filme wie Zhang Yimous "Hero" und Darren Aronofskys "The Fountain" einen ganz besonderen Platz in seinem Herzen einnehmen.

    Martin Scorsese beschert uns seit über 50 Jahren große Filme. Ein packendes Drama um schier endlose Nächte im düsteren New York geht zwischen all den Meisterwerken jedoch gern mal unter: „Bringing Out the Dead”. Warum es nicht heute mal streamen?

    Martin Scorseses filmisches Vermächtnis lässt sich heutzutage nur schwer übertrumpfen. Obgleich sein Werk bis zur Jahrtausendwende stark von dem Gangsterfilm gezeichnet ist, ist kein Genre vor ihm sicher, man denke nur einmal an den Mystery-Thriller „Shutter Island“ oder die Komödie „The Wolf Of Wall Street” zurück. Ein besonderes, einzigartiges Werk ist auch „Bringing Out The Dead - Nächte der Erinnerung”. Hier machen sich Scorseses filmisches Genie und die Gemeinsamkeit, die all seine Filme unabhängig vom Genre teilen, bemerkbar: der einzigartige Fokus auf die Charaktere, welche aus dem Raster fallen und stets etwas Archetypisches an sich haben.

    Obwohl das psychologische Drama über das melancholische Leben eines Rettungssanitäters 1999 an den Kinokassen floppte, zählt er doch zu den persönlichsten Produktionen des Hollywood-Genies. Jahre nach dem Release offenbarte Scorsese nämlich, wie viel ihm diese Produktion bedeutet und an seine eigene Jugend erinnert.

    Wie kann es sein, dass so ein Film nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient? Bevor ich euch verrate, warum damit Schluss sein muss und ihr „Bringing Out The Dead“ unbedingt schauen müsst, der Hinweis, wo dies ganz einfach möglich ist. „Bringing Out The Dead“ ist für relativ kleines Geld bei zahlreichen Anbietern wie Amazon Prime Video als kostenpflichtiges Video-on-Demand zur Leihe oder auch zum Kauf erhältlich:

    Darum geht es in "Bringing Out the Dead":

    Seit ein paar Monaten hat der eingefleischte Notfallsanitäter Frank Pierce (Nicolas Cage) keinen einzigen Menschen retten können. Schlimmer werden die Unfälle, tragischer die Todesfälle, die er tagtäglich miterleben muss. Mit seinem Kollegen Larry Verber (John Goodman) ist er Nacht für Nacht in den Slums des großen New York unterwegs, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Haus um Haus, Krankheit um Krankheit kommt ihm der Sensenmann jedoch immer einen Augenblick zuvor. 

    Obwohl er alles gibt, erleidet Frank daraufhin eine depressive Lebenskrise. Als er inmitten todkranker Menschen, zugedröhnter Junkies und angeschossener Teenies auf die Patiententochter Mary Burke (Patricia Arquette) stößt, setzt er alles daran, einerseits die Seele des todkranken Vaters, aber auch seine eigene zu retten. Verfolgt von den Geistern derer, die er nicht retten konnte, ergibt sich fortan eine alptraumhafte Odyssee quer durch die pechschwarze Millionenstadt.

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    Längst weit über das Limit hinaus: Notfallsanitäter Frank

    Mit weit aufgerissenen Augen betritt Cage die nächtliche Szenerie. Ein neuer Unfall ist passiert und das Wettrennen gegen die Zeit beginnt. Bloß nicht sterben, bloß nicht sterben, steht es ihm förmlich auf die Stirn geschrieben. Doch wen meint er damit, die Unfallopfer oder sich selbst? Zwischen immenser Erschöpfung und einer anwachsenden Angst vor den Geistern der Toten geht er vollends in dieser Rolle auf.

    Die fünf Monate andauernden Dreharbeiten in tiefster Nacht, der dazukommende Schlafmangel und die lange Vorbereitungszeit in echten Krankenwagen zahlen sich also aus. Nie war Cage besser vorbereitet und in einer Welt gefangen, die ihm alles abverlangte. Eigentlich ein Skandal, wenn man bedenkt, dass er und selbst der Film an sich keine einzige Oscar-Nominierung erhalten haben.

    Scorsese, Schrader, Cage: Genies am Werke

    Aus der perfekten Kombination von Scorsese und Drehbuchautor Paul Schrader, der bereits „Wie ein wilder Stier” und „Taxi Driver” schrieb, entstand schon mehrfach unvergessliche Filmgeschichte. „Bringing Out The Dead” reiht sich mühelos in die Liste dieser Meisterwerke ein – auch weil der Film mit jeder Pore Authentizität vermittelt. Das Filmteam begleitete zur Vorbereitung monatelang echte Notfall-Einsätze und musste mitunter schmerzliche Zeugen-Erfahrungen machen. Das authentische Leben auf der Straße sieht man dem Drama dadurch jederzeit an – besonders dann, wenn die Halbtoten Nacht für Nacht durch die blutgetränkten Gassen kreuchen.

    Das Besondere dabei: Technisch gesehen könnte „Bringing Out the Dead” nach jeder Nacht voller Notfalleinsätze enden und wäre dennoch ein toller Film. Scorsese fokussiert sich wie immer jedoch nicht nur auf die Bestandsaufnahme eines Moments, sondern vordergründig auf das Individuum. Dadurch dreht sich alles um Cages Figur und wie dessen Leben in dieser entsetzlichen Stadt stagniert. Die Stadt, die als filmischer Rahmen dient, und sich jede Nacht wiederholt, stößt so immer wieder auf Frank, der alles daran setzt, um die Welt zu retten.

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    Frank will Marys Vater retten

    Tausende Neonreklamen, unzählige Autos und ein Unfall nach dem anderen später, befinden wir uns dabei in einer wortwörtlichen Schattenwelt, voller Leid und Schmerz. Rasante Schnitte und all die vielen Lichter geben einem dann den Rest – es folgt eine regelrechte Tour de Force mit einer gehörigen Portion Reizüberflutung. Die Notfallsanitäter dagegen sind schon längst völlig abgestumpft. Als ein Porträt über Leben und Tod stellt sich im Laufe der Odyssee durch das nächtliche Amerika schnell die große Frage: Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen?

    In einer verrückt gewordenen Welt voller Egoismus und der einzigen Mission, den Tag zu überstehen, fängt „Bringing Out The Dead” eine unglaubliche intensive Atmosphäre ein. Frank, der sich zunächst als Einziger den Drogen und der damit verbundenen kurzzeitigen Erlösung widersetzt, verkörpert die letzte Hoffnung. Durch den symbolischen Kampf gegen den Rest der Welt muss jedoch auch er sich irgendwann geschlagen geben. Die schon längst fortgespülte Liebe, die sonst immer den Menschen rettet, hat selbst hier keine Chance mehr.

    Der Zerfall der Gesellschaft

    In einer Zeit nach den alten Mafia-Dramen, die Scorsese erst berühmt gemacht haben, sieht die Welt nun anders aus. Den klassischen Untergrund gibt es hier nicht mehr, mafiöse Strukturen ebenso wenig. Zumindest bekommt man davon nichts mehr mit. Stattdessen hat es den Untergrund an die Oberfläche gespült, mitsamt der Massen an Drogen, Gewalt und Melancholie. Es ist ein Ort, an dem sich Travis Bickle aus „Taxi Driver”, der Joker und Leidensgenossen aus „Requiem For A Dream” begegnen würden.

    Franks Antlitz einer Facies hippocratica wird dabei immer auffälliger – ein grandioses schauspielerisches Detail. Eine schlaflose Nacht nach der anderen leiden wir mit dem aufopferungsvollen Engel in Sanitätsbekleidung mit. „Bringing Out The Dead” vereint letztlich das große Ganze (der Status quo, der sich jede Nacht bewahrheitet) mit dem Leiden des Einzelnen. Es überrascht also wenig, dass Hauptdarsteller Nicolas Cage einmal sagte: „I have to say that might be the best movie I ever made“. Das sollte letztlich Grund genug sein, um dieses zeitlose Meisterwerk nachzuholen.

    Düster, bildgewaltig & ziemlich vielversprechend: Erster Trailer zum Nicolas-Cage-Western "Butcher's Crossing"

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    Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.

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