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    Streaming-Tipp: Einer der härtesten FSK-18-Schocker aller Zeiten – hier gefriert euch das Blut in den Adern
    Pascal Reis
    Pascal Reis
    -Redakteur
    Ob "Rosemaries Baby", "Halloween", "Cannibal Holocaust" oder "Scream": Pascal liebt das Horrorkino in seiner ganzen verstörenden Schönheit.

    Ausgebuht, verflucht und doch unausweichlich: „Irreversibel“ von Gaspar Noé ist weit mehr als nur der allseits beschrieene Skandal. Stattdessen erwartet euch hier die markerschütternde Antithese zu herkömmlichen Rachefilmen.

    Auf der Premiere von „Irreversibel“ bei den Filmfestspielen in Cannes im Jahre 2002 waren sich viele Gäste offenbar einig darüber, dass Gaspar Noé hier ein Monstrum auf die Leinwand gebannt hat. Im Gegensatz zum Autor dieser Zeilen erkannte das Publikum in diesem Umstand aber keinen positiven Mehrwert und verkannte den Film durch Buhrufe und Saalflucht auf die denkbar respektloseste Art und Weise. Die Uraufführung in Cannes ist auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass „Irreversibel“ heute in erster Linie als Skandalfilm wahrgenommen wird.

    Wer sich aber ein wenig intensiver mit dem Film von Gaspar Noé auseinandersetzt, wird hier abseits der oft diskutieren und tatsächlich überaus grausamen Gewaltsequenzen eine der wohl spannendsten und endgültigsten Reflexionen über das moderne Rache-Kino erleben. Ihr habt es bislang versäumt, euch „Irreversibel“ anzuschauen? Kein Problem! Das Meisterwerk steht momentan zum Beispiel bei Amazon Prime Video in der kostenpflichtigen Kauf- und Leihversion zur Verfügung:

    Darum geht’s in "Irreversibel"

    Vorab der Hinweis: „Irreversibel“ ist nicht chronologisch erzählt, stattdessen beginnt der Film mit dem eigentlichen Ende der Geschichte und schreitet dann szenenweise dem Anfang der Handlung entgegen. Gaspar Noé hat nachträglich noch den sogenannten Straight Cut von „Irreversibel“, in der der Film nicht in umgekehrter Chronologie erzählt ist, sondern die Ereignisse in der "richtigen" Reihenfolge aufsteigt. Hier nun die Synopsis von „Irreversibel“ in umgekehrter Chronologie:

    Marcus (Vincent Cassel) und Pierre (Albert Dupontel) durchsuchen voller Wut einen düsteren Sado-Maso-Club namens Rectum, irgendwo in Paris. Sie wollen Rache an einem Mann verüben. Wie sich daraufhin herausstellt, handelt es sich bei dem Mann um den Zuhälter Le Tenja (Jo Prestia), der die junge Alex (Moniac Bellucci) auf ihrem Heimweg in einer Straßenunterführung brutal vergewaltigt.

    Alex verlässt die Party, auf der sie mit ihrem Freund Marcus und ihrem Ex-Lover Pierre eigentlich eine gute Zeit haben wollte. Da sich Marcus aber nicht kontrollieren kann, kommt es zum schweren Streit und Alex trifft eine Entscheidung, die sich als folgenschwerer Fehler herausstellt, wie zu diesem Zeitpunkt bereits klar ist...

    Eine unvergessliche Nacht

    Dass Gaspar Noé mit „Irreversibel“ auch heute noch für extreme Reaktionen sorgt, von Empörung bis Wut, hat einen einfachen Grund: Der Film macht es seinen Zuschauer*innen zu keiner Sekunde leicht. Noé nutzt die Rückwärtserzählung, also vom Ende zum Anfang, um damit nicht nur den Figuren, sondern auch dem Publikum jede Aussicht auf Katharsis zu versagen. Damit wird auch deutlich gemacht, dass „Irreversibel“ herkömmliche Sehgewohnheiten nicht durch traditionelle Erzählmethoden bestätigt. Stattdessen wird man hier aus seiner Wohlfühlzone geprügelt.

    Ja, „Irreversibel“ ist ein gnadenloses Monstrum von Film, in dem die angestrebte Rache von Marcus und Alex letztendlich genau das ist, was sie in jedem guten Vergeltungsfilm sein sollte: emotional nachvollziehbar, aber vollkommen sinnlos. Ja, die gewollte Rache ist sogar irgendwann richtig, richtig bitter, wenn klar wird, an wem sich einer der Männer schlussendlich abreagiert hat. Und mit diesem Wissen schreitet „Irreversibel“ voran, bevor man in Erfahrung bringt, warum die beiden Männer sich ins Rectum begeben haben und hier – nun ja – den nächsten Tiefpunkt einer schier unvergesslichen Nacht in Paris erleben.

    Die Gewalt, die Gaspar Noé in „Irreversibel“ zeigt, ist fraglos erschütternd. Gerade deswegen, weil das Publikum gezwungen ist, sie zu ertragen. Immer wieder über mehrere Minuten. Da wird einem Mann mit einem Feuerlöscher der Schädel eingeschlagen, bis nur noch Knochenstücke in den Boden gestampft werden. Oder eben die Vergewaltigungssequenz, bei der die Kamera gnadenlose neun (!) Minuten auf das unvorstellbare Leid von Alex draufhält. Diese Momente aber sind nicht voyeuristisch, auch wenn sie natürlich von manchen Zuschauer*innen so aufgenommen werden könnten.

    Gewalt ist wieder grausam

    Stattdessen nutzt Noé die Gewalt in „Irreversibel“ vielmehr, um seine Abneigung gegenüber der Konsumierbarkeit von Leinwandgewalt zum Ausdruck zu bringen. Das Publikum ist zum Hinschauen verdammt, es muss das Grauen zusammen mit den Opfern ertragen. Es wäre daher angebrachter, „Irreversibel“ als Grenzerfahrung zu beschreiben, anstatt ihm immer wieder nachzusagen, ein reinrassiger Skandalfilm zu sein. Noé steht hier noch für ein Kino ein, in dem die Zuschauer*innen sich den Bildern schutzlos ausgeliefert fühlen, wenn er Gewalt ihren Schrecken zurückgibt.

    Wer sich also einer extrem harten Seherfahrung stellen möchte, die mit ihrem Thema aber keinesfalls reißerisch oder ausbeuterisch umgeht, sondern sich vielmehr als Antithese des Rachefilms versteht, kommt mit „Irreversibel“ auf seine markerschütternden Kosten. Selten wurden (urbane) Ängste eindrucksvoller und nachhaltiger eingefangen, um mit aller Deutlichkeit aufzeigen: Die Zeit heilt keine Wunden.

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