Eine dichte sowie unheilvolle Atmosphäre, eindringliche Bilder und ein atemberaubender Schlussakt, der seither oftmals kopiert wurde – aber nie wieder in dieser Form erreicht: „12 Uhr mittags“ eroberte sich einen Ehrenplatz im Pantheon der einflussreichsten und fesselndsten Western der Kinogeschichte.
Allerdings hat der mit vier Academy Awards prämierte Klassiker nicht nur Fans. Eine namhafte Schauspielikone des Western-Kinos verachtete den Film sogar abgrundtief: John Wayne. Falls ihr der negativen Meinung des „Der Marshal“-Stars zum Trotz Lust bekommen habt, „12 Uhr mittags“ (wieder) zu schauen: Den Genreklassiker könnt ihr unter anderem bei Amazon Prime Video als VoD beziehen!
Wir können euch „12 Uhr mittags“ nur wärmstens empfehlen, vollkommen ungeachtet dessen, welche Antipathie John Wayne dem Film gegenüber aufgebracht hat. So ist der von Fred Zinnemann inszenierte und von Carl Foreman verfasste Klassiker bei der FILMSTARTS-Wahl der besten Western aller Zeiten auf einem der vorderen Plätze gelandet – sowohl im Ranking der Redaktion als auch im Ranking der Community.
"12 Uhr mittags": Der Wilde Westen ist kein romantischer Ort
Am Tag seiner Hochzeit wird Sheriff Kane (Gary Cooper) mit einem sein Gewissen zersetzenden Dilemma konfrontiert: Soll er sich dem nach Rache sinnenden Mörder Miller (Ian MacDonald) stellen? Oder soll er auf seine ihn anflehende Frau Amy (Grace Kelly) hören und die Stadt verlassen?
Entgegen der Sehgewohnheiten, die zahlreiche dramatische Spätwestern sowie Italo-Westernepen wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ bei Western-Fans geweckt haben, dauert „12 Uhr mittags“ nicht einmal 90 Minuten. Trotz seiner knappen Laufzeit entwirft dieser Western-Meilenstein eine beklemmende, erschütternd-überzeugende Studie über eine von Gewalt durchzogene Gesellschaft.
Konsequenterweise hinterfragt „12 Uhr mittags“, ob in den USA wahrhaftiges Heldentum eigentlich möglich ist, patriotisches Pathos und Wild-West-Romantik werden ernüchtert als fatale Kopfgeburten kritisiert. Genau diese Aspekte sorgten dafür, dass ihn zahlreiche Filmhistoriker*innen als einen der wichtigsten US-Filme der 1950er-Jahre bezeichneten. Und sie brachten John Wayne gegen den Klassiker auf...
Zeitlose Spannung, die aus brandaktuellen Umständen wuchs
Obwohl der auch unter seinem Originaltitel „High Noon“ bekannte Western-Thriller bereits rein oberflächlich einen nervenzerfetzenden Stoff darstellt, gewinnt er bei näherer Betrachtung weiter an Zündkraft: Foreman intendierte „12 Uhr mittags“ als Parabel auf die McCarthy-Ära in den Staaten, was die Schärfe seiner Geschichte erklärt, in der Zivilcourage und Integrität von Opportunismus und Feigheit bedroht werden.
Das dürfte zudem erklären, weshalb Wayne dem Film feindlich gesinnt war: Während viele andere Filmschaffende unter dem Klima der Angst litten, das US-Senator Joseph McCarthy unter dem Deckmantel einer antikommunistischen Bewegung erzeugte und mit eilig ausgesprochenen Berufsverboten aufrecht erhielt, gehörte Wayne zu seinen größten Befürwortern.
Wie der WDR-Podcast „ZeitZeichen“ festhielt, erkannte John Wayne die Gesellschaftskritik in „12 Uhr mittags“ und bezeichnete den Film daher als „das unamerikanischste Ding, das ich in meinem ganzen Leben gesehen habe“. Wie Filmhistoriker Joe Hembus in seinem Western-Lexikon* weiter ausführt, habe Wayne Anstoß daran genommen, dass Foreman suggerieren würde, das US-Volk wäre feige und würde wegschauen, statt Menschen in Not die nötige Hilfe zukommen zu lassen.
Aber auch der Umstand, dass der von Cooper gespielte Protagonist seinen Sheriff-Job als Belastung empfindet, soll den Schauspieler erzürnt haben. 1959 spielte Wayne in „Rio Bravo“ mit, einem Western, dessen Story in groben Zügen frappierend an „12 Uhr mittags“ erinnert, in dem aber Selbstzweifel, moralische Grautöne und Gesellschaftskritik deutlich reduziert werden. Wiederholt wurde die Howard-Hawks-Regiearbeit als Retourkutsche auf „12 Uhr mittags“ interpretiert – dennoch wird auch „Rio Bravo“ als Klassiker wertgeschätzt.
Weniger stilvoll ging es hinter den Kulissen zu: Wie Philip Drummond in „Zwölf Uhr mittags. Mythos und Geschichte eines Filmklassikers“ beschreibt, initiierte Wayne eine Hetzkampagne gegen Foreman.
Daraufhin siedelte der „12 Uhr mittags“-Autor nach England über, doch auch dort ging Foreman seiner Arbeit vorerst bloß unter Verwendung eines Pseudonyms nach. Erst 1975 kehrte er in die USA zurück. An frühere Erfolge konnte der Drehbuchautor nach seiner Heimkehr allerdings nicht wieder anschließen.
„Rio Bravo“ dagegen stieg zu einem der absoluten Lieblingsfilme von „Kill Bill“-Macher Quentin Tarantino auf, wie ihr im folgenden Artikel nachlesen könnt:
Quentin Tarantino liebt "Rio Bravo"*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.