"Monumental" reicht bei diesem bildgewaltigen Meisterwerk nicht aus: Über 200 Minuten langes Epos jetzt neu im Heimkino
Sidney Schering
Sidney Schering
-Freier Autor und Kritiker
Er findet Streaming zwar praktisch, eine echte Sammlung kann es für ihn aber nicht ersetzen: Was im eigenen Regal steht, ist sicher vor Internet-Blackouts, auslaufenden Lizenzverträgen und nachträglichen Schnitten.

Drei Oscars bei stattlichen zehn Academy-Award-Nominierungen, drei Golden Globes, vier BAFTAs und ein hervorragendes Presseecho: „Der Brutalist“ ist eine cineastische Glanzleistung, die man gesehen haben muss. Ab jetzt gibt es das Epos im Heimkino.

Wenige Augenblicke nach dem Beginn von „Der Brutalist“ war der Autor dieser Zeilen bereits (im besten, schönsten Sinne) erschlagen: Gewaltige, dissonante Filmmusik drischt auf mein Trommelfell ein, mühselig entwächst aus diesem desorientierenden Klangchaos eine kränkelnde, aber für einen flüchtigen, wunderbaren Moment triumphale Hymne. All dies, während sich der Protagonist seinen Weg aus dem finsteren, rostigen Bauch eines schweren Schiffs bahnt.

Um ihn herum: Gewusel, erdrückende Schatten, Feuchtigkeit. Und irgendwann: Licht, ein Himmel in Babyblau und der verheißungsvolle Anblick der Freiheitsstatue – flirrend, umherirrend, deplatziert. Ein monumentaler Einstieg, auf den über drei Stunden folgen, die ihm mehr als gerecht werden – und die ihr nun daheim erleben könnt: Seit dieser Woche ist „Der Brutalist“ auf DVD, Blu-ray und 4K-Blu-ray im Heimkino erhältlich.

Bedauerlicherweise gibt es auf den physischen Veröffentlichungen zu „Der Brutalist“ keinerlei Bonusmaterial. Und das, obwohl dieses imposante, emotional überwältigende, durchdachte und vielschichtige Meisterwerk geradezu danach schreit, näher beleuchtet zu werden.

Immerhin können wir ein wenig Abhilfe dahingehend schaffen – schließlich hat Regisseur Brady Corbet mit FILMSTARTS ein paar Takte über sein Epos und dessen Verwirklichung gesprochen:

Nominiert für 10 Oscars: Wir sprechen mit Regisseur Brady Corbet über sein meisterliches Film-Epos "The Brutalist"

Während wir also die Daumen drücken, dass noch eine Collector's Edition mit umfangreichen Extras nachgereicht wird, könnt ihr euren Durst, „Der Brutalist“ noch einmal zu sehen oder endlich nachzuholen, auch im Streaming stillen: Das eindrucksvolle Drama ist unter anderem via Prime Video* als VOD verfügbar.

"Der Brutalist": Hoffnung, Schmerz und (Un-)Möglichkeiten eines Neuanfangs

Der jüdisch-ungarische Architekt László Tóth (Adrian Brody) setzt alles aufs Spiel, um nach dem Grauen des Holocausts ein neues Leben in den USA aufzubauen. Zunächst findet er bei seinem Cousin Attila (Alessandro Nivola) Unterschlupf und eine Anstellung als Möbelmacher. Doch nach anfänglicher Wiedersehensfreude bilden sich alsbald Risse in der Beziehung zwischen Attila, der sich in seinem Wesen komplett hat verbiegen lassen, und dem kompromisslosen, ambitionierten und willensstarken László.

Der glaubt sich erstmals wieder erfüllt, als er den Auftrag erhält, die Privatbibliothek des einflussreichen Großindustriellen Harrison Lee Van Buren (Guy Pearce) zu renovieren. Doch sämtliche Träume, in der neuen Heimat all sein Wissen und Können ausleben zu dürfen, seine Kunstform voranzutreiben und seine zutiefst verletzte Seele zu verarzten, bevor endlich seine geliebte Frau Erzsébet (Felicity Jones) nachreist, werden ein ums andere Mal jäh zerschlagen.

Das Hässliche und Schöne im ewiglichen, erdrückenden Dialog

FILMSTARTS-Chefkritiker Christoph Petersen nannte „Der Brutalist“ in seiner Besprechung „ein monumentales Meisterwerk von nahezu unendlicher Schönheit“ und vergab konsequenterweise die Höchstwertung: fünf Sterne! Und wie ihr sicherlich schon den ersten Absätzen dieser Heimkino-Empfehlung entnehmen konntet: Ich bin ebenfalls vollauf begeistert! „Der Brutalist“ wurde bereits sehr positiv aufgenommen, doch es ist meine Überzeugung, dass sein Ansehen noch über Jahrzehnte hinweg steigen wird.

Nicht zuletzt, weil sich die Schönheit dieses unsagbar hübsch ausgeleuchteten, atemberaubend inszenierten und ungeheuerlich packenden Films in einem kontinuierlichen, aufreibenden Kampf mit Hässlichkeit, Trostlosigkeit und Grausamkeit befindet. Das wird bereits im ehrfürchtigen Tohuwabohu des Prologs klar: Er schildert Lászlós Ankunft in den USA mitreißender und bildgewaltiger, als es man es von einer entgeisterten Dekonstruktion des Amerikanischen Traums erwarten dürfte, verweigert sich aber der Romantisierung kolossal eingefangener Ikonografie.

Der Brutalist
Der Brutalist
Starttermin 30. Januar 2025 | 3 Std. 34 Min.
Von Brady Corbet
Mit Adrien Brody, Felicity Jones, Guy Pearce
User-Wertung
3,7
Filmstarts
5,0

Im Laufe der epochalen Laufzeit von „Der Brutalist“ nimmt dieses Nebenher, Durcheinander und Gegeneinander von Wohlgefallen und Abscheu konsequent zu. Lászlós Perfektionsstreben und Unvermögen zum Kompromiss sind – nicht zuletzt dank Brodys berührender, facettenreicher Darbietung – beispiellos, beispielhaft und mahnendes Beispiel. Und seine Sehnsucht, Erzsébet wiederzusehen, ist ihm herzlicher Antrieb und seelische Folter zugleich.

Corbet und Kameramann Lol Crawley stellen, begleitet von schwelgenden, antreibenden, desolaten und irritierenden Klängen des Komponisten Daniel Blumberg, sogar Kleinigkeiten wie das koordinierte Öffnen von Schranktüren bewegend dar. Sie lassen aber entscheidende, einschneidende Entwicklungen aus dem Bildausschnitt taumeln, als wären sie Nichtigkeiten. Denn das Streben nach Erfüllung läuft nicht so geordnet ab, wie wir es uns erträumen.

Die Marmorberge bei Carrara werden in all ihrer Weite zu einem beklemmend-gespenstischen Ort – und Lászlós kalt-brutalistische Baukunst wird durch die Erzählung, die Corbet und Co-Autorin Mona Fastvold ersonnen haben, zum einfach umwerfenden, komplex durchgeplanten Faszinosum, das das Herz berührt und den Intellekt herausfordert. Ganz genau so wie dieser meisterhafte Film.

Und solltet ihr nach „Der Brutalist“ leichtere Filmkost suchen – wie wäre es mit unserem folgenden Heimkino-Tipp?

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