Seit mittlerweile 96 (!) Jahren werden in Los Angeles die Oscars verliehen – und noch immer gelten sie als wichtigster und prestigeträchtigster Filmpreis überhaupt. Das bedeutet allerdings nicht, dass die gefällten Entscheidungen immer unumstritten wären. Im Gegenteil: Der Film, auf den sich die fast 11.000 Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences am Ende einigen können, ist nicht zwangsläufig auch der beste – so sorgte es etwa 2019 für reichlich Kopfschütteln, als sich die eher betuliche Tragikomödie „Green Book“ gegen Alfonso Cuaróns frenetisch gefeiertes Familiendrama „Roma“ durchsetzen konnte.
Mit „Oscar Bait“ (zu Deutsch etwa: „Oscar-Köder“) gibt es sogar einen Sammelbegriff für Filme, die förmlich darauf hin produziert scheinen, bei den Oscars abzusahnen – so haben romantische Historienepen, Biopics oder rührselige, botschaftsgetriebene Dramen traditionell besonders gute Chancen, den Geschmack der Academy zu treffen.
Dieser Film hat laut Quentin Tarantino die Oscars für immer verändert
Quentin Tarantino, der mit seinen Filmen selbst gern gesehener Gast bei den Oscars ist, teilt die Leinwand-Werke, die die jährliche Award-Saison bestimmen, in zwei Kategorien auf: „coole Filme“, die am Ende meistens leer ausgehen oder in Nebenkategorien ausgezeichnet werden – und den Hollywood-Mainstream, der trotz seiner Durchschnittlichkeit am Ende die großen Preise gewinnt. Doch laut dem „Inglourious Basterds“-Schöpfer gab es einen Jahrgang, der mit dieser Regel gebrochen – und die Oscars dadurch nachhaltig verändert hat.
Im Jahr 2000 dominierte nämlich ein Debütfilm und Indie-Liebling die Preisverleihung: Die Rede ist von „American Beauty“, mit dem der spätere „Skyfall“- und „1917“-Schöpfer Sam Mendes seinen Regie-Einstand gab. Die Vorstadt-Satire räumte insgesamt fünf Oscars ab (u.a. für den Besten Film, die Beste Regie und Hauptdarsteller Kevin Spacey) und behauptete sich damit u.a. gegen prestigereiche Produktionen wie „The Green Mile“ oder „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. Damit ist „American Beauty“ ein absoluter Gamechanger – meint zumindest Tarantino.
„Als ‚American Beauty‘ den Preis für den Besten Film gewann, war das der Beginn eines neuen Tages“, so der 62-Jährige in einem Gespräch mit Drehbuchautor und Filmemacher Brian Helgeland (Drehbuch-Oscar für „L.A. Confidential“). „Der Außenseiterfilm, der coole Film hatte endlich gewonnen. Davor – und das ist eine Verallgemeinerung, aber ich glaube, sie ist wahr – gab es den Hollywood-Favoriten und den cooleren Film, den Kritikerliebling. Aber der große Hollywood-Film bekam immer dem größeren Respekt von den mittelmäßigen Kritikern.“
Immerhin in einer Kategorie habe der „coole Film“ die Nase vorn: „[Er] hat immer den Drehbuchpreis gewonnen. Das war sein Trostpreis dafür, dass er cool war.“ Angesichts der Tatsache, dass Tarantino bereits zwei Drehbuch-Oscars gewonnen hat (für „Pulp Fiction“ und „Django Unchained“), aber bislang keiner seiner Filme in der Königskategorie „Bester Film“ ausgezeichnet wurde, spielt er mit dieser Feststellung wohl nicht zuletzt auf sein eigenes Werk an!
Darüber hinaus ist fraglich, inwieweit Tarantinos Theorie tatsächlich aufgeht – schließlich wurden in den darauffolgenden Jahren Filme wie „A Beautiful Mind“ oder „L.A. Crash“ mit dem Best-Picture-Award prämiert, die sich aus guten Gründen Oscar-Bait-Vorwürfe gefallen lassen mussten...
Übrigens hat auch bei Denzel Washington die Oscar-Verleihung 2000 tiefe Spuren hinterlassen – allerdings aus ganz anderen Gründen: Sie ist der Grund dafür, dass er seit 25 Jahren keinen Gebrauch mehr von seinem Stimmrecht als Academy-Mitglied macht. Mehr dazu lest ihr im folgenden Artikel:
"Sie ignorieren mich, ich ignoriere sie": Deshalb stimmt Denzel Washington seit 25 Jahren nicht mehr für die Oscars abDies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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