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    Das spannendste Oscarrennen aller Zeiten: Das sind die Chancen von "Black Panther" und Co.

    Es war womöglich noch nie so schwer wie 2019, die Gewinner bei den Oscars vorherzusagen. Selbst in der Königskategorie „Bester Film“ gibt es eine Handvoll möglicher Gewinner. Wir nehmen sie unter die Lupe.

    "The Favourite": 15%

    Zehn Nominierungen gab es für „The Favourite“, so viele wie sonst nur für „Roma“. Gleich drei Schauspielerinnen des Films sind nominiert, jeder scheint den Film zu mögen. Ein klassischer Oscar-Favorit eigentlich. Doch irgendwie scheint es so, dass jeder in Hollywood „The Favourite“ zwar richtig gut, aber nicht richtig super findet. Stolpert der Film vielleicht darüber, dass er bei nicht genug Stimmzetteln auf dem ersten Platz landen wird?

    Es gibt zumindest ein Indiz, das gegen die Historien-Groteske von Yorgos Lanthimos spricht. Bei den Preisen der Schauspielergewerkschaft SAG wurde „The Favourite“ für die Auszeichnung für das Beste Ensemble überhaupt nicht nominiert – trotz der Klasse-Leistungen von Olivia ColmanEmma Stone und Rachel Weisz. Und da es bei den SAG-Awards keine Auszeichnung für den besten Film gibt, gilt der Ensemble-Preis oft als eine Art Ersatz. Da die Schauspieler die mit Abstand größte Gruppe unter den Oscar-Wählern stellen, ist eine fehlende SAG-Nominierung oft schon ein Indiz, dass die Oscar-Chancen doch nicht so hoch sind, wie man eigentlich annehmen dürfte.

    Ein Nebenaspekt ist noch: Da Hauptdarstellerin Olivia Colman aktuell die dritte Staffel der Netflix-Serie „The Crown“ dreht, hat sie bislang die komplette Preissaison verpasst. Es gilt aber generell als wichtig, dass man bei Empfängen, Abendessen und Filmvorführungen auch ein wenig Werbung betreibt. Insider gehen bereits davon aus, dass dies Colman den lange Zeit als fast schon sicher geltenden Preis als Beste Hauptdarstellerin kosten wird (hier ist nun Glenn Close für „Die Frau des Nobelpreisträgers“ in der Favoritenrolle). Es könnte auch dem Film schaden.

    "BlacKkKlansman": 16%

    Ja, „BlacKkKlansman“ hat Chancen auf die Oscars – gerade in diesem engen Feld. Viele rechneten lange Zeit gar nicht mit einer Nominierung für Spike Lees unglaubliche, aber wahre Geschichte, aber diese verkannten, wie viele glühende Fans des Films es gerade in Hollywood gibt. Wohl auch weil „BlacKkKlansman“ außerhalb der traditionellen Oscarsaison bereits im Sommer anlief, geriet es ein wenig in Vergessenheit, wie viele Stars und Filmschaffende das Werk zum Kinostart in den Sozialen Medien regelrecht feierten. Daneben könnte auch ein politisch motivierter Teil der Wähler in den Zeiten von Donald Trump sich entscheiden, mit einer hohen Platzierung von „BlackKklansman“ auf dem Stimmzettel ein Zeichen zu setzen.

    Zudem sollte man immer im Hinterkopf behalten: Es ist wirklich die allererste Nominierung in der Königskategorie „Bester Film“ für Spike Lee – und auch seine allererste als Regisseur. Man mag es kaum glauben, würde man doch tippen, dass Lee ein ganzes Regal voller Goldjungen aus den 90er Jahren zu Hause stehen hat. Dort findet sich bisher aber nur ein Ehrenoscar, der ihm 2016 bereits (wie sich nun zeigt etwas vorschnell) verliehen wurde. Und die Oscar-Wähler lieben das Vergeben längst überfälliger Auszeichnungen (quasi stellvertretend für die ganze Karriere). Martin Scorsese kann ein Lied davon singen, seit 2007 „Departed: Unter Feinden“ ihm den längst überfälligen Preis als Regisseur bescherte und auch als Bester Film ausgezeichnet wurde, es sich aber eher wie der Preis für die ganze Karriere eines von vielen geliebten Filmemachers anfühlte. Spike Lee wird übrigens in der Branche auch von sehr vielen geliebt.

    Das spricht unserer Meinung nach dafür, dass „BlacKkKlansman“ auf vielen Filmzetteln sehr weit oben stehen wird. Die Frage ist, ob es oft genug der vordere Platz in diesem Rennen ist. Schließlich ist Lee auch gerne unbequem. Wie begeistert Hollywood von Spike Lees Film aber ist, zeigt ein Blick auf die Statistiken: „BlacKkKlansman“ ist der einzige (!) aller acht Kandidaten der sich sowohl bei den separaten Preisen der Gewerkschaft der Produzenten, der Regisseure und der Schauspieler in der Hauptkategorie findet. Und das sind die drei einflussreichsten Gruppen unter den Oscar-Wählern.

    "Green Book": 20%

    Green Book“ ist auf dem besten Weg, die dann nicht mehr ganz so überraschende Oscar-Überraschung 2019 zu werden. Die Geschichte um die Freundschaft zwischen einem italo-amerikanischen Fahrer und einem schwarzen Pianisten passt perfekt zu den aktuellen, auch durch die Präsidentschaft von Donald Trump zusätzlich befeuerten Debatten in den USA, ist aber im Gegensatz zu „BlacKkKlansman“ viel gefälliger, viel weniger provozierend und von allen politischen Schichten wählbar – so wie es die Academy viele Jahre lang mochte. Nicht umsonst wird der Film immer wieder mit „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ verglichen, der 1990 auch bei den Oscars gewann und dabei komplexere, aber kontroverse Filme wie Oliver Stones „Geboren am 4. Juli“ ausstach.

    Dass „Green Book“ noch dazu auf einer wahren Begebenheit basiert, macht es eigentlich perfekt, doch hier fangen die Probleme an. Drehbuchautor Nick Vallelonga, dem Sohn der von Viggo Mortensen gespielten Hauptfigur, wird von der Familie des zweiten Protagonisten vorgeworfen, die Geschichte ein wenig geschönt zu haben. Viel problematischer dürfte allerdings ein alter Tweet von ihm sein, der im Rahmen der Award-Saison an die Öffentlichkeit kam (und direkt gelöscht wurde). Dort behauptete er, dass er wie Donald Trump nach den Anschlägen vom 11. September im Fernsehen gesehen habe, wie Moslems auf den Straßen von New Jersey gefeiert hätten. Entsprechende Bilder gibt es aber nicht, Vallelonga entschuldigte sich für seine Worte – besonders bei seinem Hauptdarsteller Mahershala Ali, selbst ein Moslem. Dass zudem noch Regisseur Peter Farrelly in die Kritik geriet, weil er früher am Set vor Darstellerinnen seinen Penis entblößte, gerät da fast schon zur Nebensache. Allerdings haben beide Kontroversen „Green Book“ bislang noch nicht geschadet.

    "Roma": 25%

    Der Top-Favorit ist „Roma“, aber nur hauchdünn in einem Rennen, bei dem fünf Filme realistische Chancen haben. Die Academy liebt Alfonso Cuarón, dem noch 2014 die Auszeichnung für den Besten Film bei „Gravity“ verwehrt blieb. Filmemacher aus Mexiko sind in Hollywood zudem gerade „in Mode“. Cuarón und seine Kollegen Guillermo del Toro („Shape Of Water“) und Alejandro G. Iñárritu („Birdman“, „The Revenant“) waren in den vergangenen Jahren bei den Oscars im Wechsel dauerpräsent.

    Zudem darf man nicht die Macht von Netflix unterschätzen. Der Streaminggigant soll keine Kosten und Mühen scheuen, um den Oscar für „Roma“ zu holen. Der längst aus ganz anderen Gründen in Ungnade gefallene Harvey Weinstein behauptete einst, dass er die Oscars für „Shakespeare In Love“ sowie für Roberto Benigni („Das Leben ist schön“) quasi gekauft habe und da ist was dran: Man kann die Oscars zwar nicht wirklich kaufen, indem man Leute schmiert, aber man kann Wähler viel subtiler beeinflussen. Wenn man zu Vorführungen mit gutem Essen eingeladen wird, die Filmemacher sich eine Stunde Zeit nehmen, um mit dir persönlich über ihren Film zu reden, zu erklären, was sie warum gemacht haben, dann dürfte dies bei dem ein oder anderen Oscar-Wähler schon dafür sorgen, dass bei einer engen Überlegung zwischen zwei Filmen das Pendel in die Richtung des Films ausschlägt, mit dem man sich dadurch auch viel intensiver beschäftigt hat.

    Während Netflix ein großer Bonus ist, könnte der Streamingdienst aber auch ein großer Malus sein. Mit einem Kinostart hat man zwar alles versucht, nicht nur die Regularien zu erfüllen, sondern auch die Wähler zu beeinflussen, aber trotzdem gibt es noch viele Academy-Mitglieder, die Netflix verteufeln. Direkt nach der Bekanntgabe der Nominierungen verkündeten sogar einige US-Lichtspielhäuser, die traditionell Oscar-Programmierungen machen, damit man alle Anwärter auf den Besten Film noch einmal oder das erste Mal schauen kann, dass sie dieses Jahr nur sieben der acht Kandidaten zeigen werden und „Roma“ nicht vorgeführt wird. Wie viele Oscar-Wähler denken ähnlich wie diese Kinobetreiber und setzen „Roma“ so schon aus Prinzip auf den letzten Platz?

    Es bleibt also spannend. Gerade mal bei 25% steht schließlich „Roma“, was beweist, wie eng dieses wohl spannendste Oscarrennen der Geschichte zwischen gleich fünf Filmen ist. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hätten wir zwei Filme („Shape Of Water“ & „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) bei so einer Übersicht jeweils mit Werten von um oder über 40% notiert. Was glaubt ihr? Wer gewinnt am Ende wirklich?

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