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    Heute ohne Werbung im TV: Dieser knallharte Gefängnisfilm wird euch richtig wütend machen!
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Im Kino wurde „Große Freiheit“ leider kaum beachtet. Mit seiner Free-TV-Premiere bekommt das Drama mit einem hervorragend aufspielenden Franz Rogowski endlich seine nächste Chance, ein größeres Publikum zu finden.

    Das Bild eines Deutschlands, das nach dem Zweiten Weltkrieg zügig die menschenfeindliche Ideologie des Dritten Reiches abgestreift hat, ist trügerisch. Auch wenn sich die Bundesrepublik während des Wirtschaftswunders aus dem Kriegsschutt gearbeitet hat, blieben viele ideologische Altlasten bestehen. Eines der vielen Beispiele ist der Paragraph 175, der zwar bereits 1872 in Kraft trat, jedoch 1935 von den Nationalsozialisten verschärft und erst 1994 (!) abgeschafft wurde. Dieser Paragraph drohte homosexuellen Männern einzig aufgrund ihrer sexuellen Identität mit jahrelangen Gefängnisstrafen.

    Das Drama „Große Freiheit“ erzählt auf ebenso berührende wie Zorn ob dieser Ungerechtigkeit schürende Weise von den Folgen eben dieses Paragraphen. Im Kino erreichte der Film leider nur weniger als 20.000 Menschen – doch heute, am 15. Februar 2024, feiert „Große Freiheit“ ab 22.30 Uhr bei 3sat seine Free-TV-Premiere und erhält so die Gelegenheit, mehr Menschen zu erreichen.

    Auch wenn das zahlende Kinopublikum „Große Freiheit“ weitestgehend ignoriert hat, erhielt der Film einige Auszeichnungen, darunter zwei Europäische Filmpreise sowie den Jurypreis der Sektion Un Certain Regard bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes.

    "Große Freiheit": Langsame Annäherung, große Wut

    Deutschland in der Nachkriegszeit: Der Paragraph 175 macht gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern strafbar und ihnen somit das Leben zur Hölle. Hans Hoffmann (Franz Rogowski) gehört zu jenen, deren Existenz durch den Paragraph ruiniert wurde: Regelmäßig sitzt er wegen dieses Gesetzes hinter Gittern. Doch er weigert sich, deshalb seine sexuelle Identität zu leugnen. Im Gefängnis verliebt er sich sogar in seinen Zellengenossen Viktor (Georg Friedrich), obwohl der ein verurteilter Mörder ist...

    Franz Rogowski hat sich durch Filme wie den Aufsehen erregenden One-Take-Thriller „Victoria“, das unbequeme Drama „Fikkefuchs“ oder die nachdenkliche Fabel „Undine“ zu einem Schutzpatron des deutschen Programmkinos entwickelt. Und mit Filmen wie dem queeren Beziehungsdrama „Passages“ oder der Fantasy-Kriegs-Farce „Freaks Out“ erobert er nunmehr auch das internationale Indie-Geschehen.

    Georg Friedrich ist ein deutlich weniger markanter Mime als Rogowski, aber dank einer eklektischen Vita mit Filmen wie „Knallhart“, „Wild“ oder „Narziss und Goldmund“ nicht minder faszinierend. In „Große Freiheit“ unterstreichen beide einmal mehr, weshalb sie zu unerlässlichen Personen des deutschsprachigen Films geworden sind: Sie spielen ihre sich langsam annähernden Rollen sowohl unvergleichlich als auch mit berührender Zärtlichkeit und mit packenden, charakterlichen Tiefen.

    "Der schockierendste Film, den ich je gesehen habe": Dieser Horror-Schocker ging sogar einem der größten Skandal-Regisseure zu weit

    Dass Regisseur und Autor Sebastian Meise und sein Schreibpartner Thomas Reider in ihrem Film erzählerische Bögen von den KZ der Nationalsozialisten hin in die Gefängnisse des Nachkriegsdeutschlands schlagen, mag auf den allerersten Blick dick aufgetragen wirken. Doch tragischerweise bilden sie nur die Realität ab: In ihrer Recherchephase sprachen die Macher mit mehreren Homosexuellen, die gen Kriegsende aus dem KZ befreit wurden, bloß um unmittelbar danach ins Gefängnis transferiert zu werden oder wenige Zeit später dort zu landen.

    Auch wenn „Große Freiheit“ von zwei fiktiven Biografien erzählt, skizziert er Leben nach, wie es sie im Nachkriegsdeutschland und auch in Österreich zuhauf gab, selbst wenn sie in der Geschichtsschreibung bisher kaum Beachtung finden. Die nahezu dokumentarische Machart des Films unterstreicht die Authentizität der Geschichte enorm – und steigert die Wut über das Geschilderte ebenso wie die emotionale Bindung zu den Hauptfiguren.

    Spielraum besteht selbstredend diesbezüglich, wie sehr man sich von der Handlung von „Große Freiheit“ packen lässt. Während für FILMSTARTS-Kollege Michael Meyns in seiner Kritik klar die beiden Hauptdarsteller die herausstechenden Merkmale des Films sind, ließ sich Jenny Jecke von Moviepilot deutlich stärker vom Gesamtwerk mitreißen: Im FILMSTARTS-Podcast Leinwandliebe kürte sie ihn zum besten Film des Jahres 2021. Höchte Zeit, dass ihn noch mehr Leute entdecken!

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    Dies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.

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