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    TV-Tipp: Dieser Film ist Teil eines ätzenden Kino-Trends – aber trotzdem klasse!
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Sie ist aktuell in den Top 20 der erfolgreichsten Filme der Geschichte: Disneys Realverfilmung von „Die Schöne und das Biest“ mit Emma Watson, Dan Stevens und Luke Evans. Ein Film, der wenig Neues bietet – aber trotzdem das Herz höher schlagen lässt.

    +++ Meinung +++

    Disneys Riege an Neuverfilmungen seiner Zeichentrick-Stoffe ist von schwankender Qualität. Aber es gibt für mich eine Faustregel: Remakes, die wie „Cinderella“ eigene Wege gehen, gefallen mir eher als Filme, die wie Jon Favreaus „Der König der Löwen“ oder Guy Ritchies „Aladdin“ ihre Vorlage hauptsächlich imitieren. Doch es gibt sie immer wieder: die berühmten Ausnahmen, die die Regel bestätigen.

    Der 2017 veröffentlichte „Die Schöne und das Biest“ mit Emma Watson und Dan Stevens in den Titelrollen orientiert sich nah an seiner Zeichentrickvorlage. Sehr nah. Und dennoch bezirzt mich Bill Condons Remake, das nun wieder einmal im Free-TV läuft: Sat.1 zeigt „Die Schöne und das Biest“ heute Abend ab 20.15 Uhr.

    "Die Schöne und das Biest": Das Bühnenmusical in gut

    Die Geschichte dürfte allseits bekannt sein: Belle (Emma Watson) ist eine Außenseiterin – und dass sie die Avancen des populären Rüpels Gaston (Luke Evans) ablehnt, schadet ihrem Ansehen weiter. Allein von ihrem schusseligen Vater Maurice (Kevin Kline) erhält die fortschrittliche Leseratte Rückendeckung. Als dieser ein zurückgezogen lebendes Biest (Dan Stevens) erzürnt, steckt es Maurice in einen Kerker. Belle bietet an, die Strafe für ihren Vater zu übernehmen – ein Zeichen der Güte mit großen Folgen...

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    Die beste Version der „Die Schöne und das Biest“-Geschichte ist und bleibt der Zeichentrickfilm von 1991. Die Regisseure Gary Trousdale und Kirk Wise haben mit dem bunten Märchenmusical wunderschönes Animationskino geschaffen – mit den intensiven Farben und schwankenden Gefühlen einer jungen Liebe. Die romantischen Szenen sind innige Herzklopfen-Momente. Der Humor sorgt für Lacher aus vollem Halse. Und der Kummer ist groß. All das in weniger als 90 Minuten Laufzeit.

    Aber das Herz sehnt sich nicht ständig danach, in das große Schmachten des gezeichneten Disney-Klassikers (zurück-)versetzt zu werden. Manchmal will es schwelgen. Seufzen, statt schluchzen. Lächeln, statt breit zu grinsen. Genau dafür war zunächst das Disney-Bühnenmusical zu „Die Schöne und das Biest“ da. Es ist länger, gediegener, etwas ernster als der Trickklassiker – und gemeinhin hoch angesehen. Bei mir ist der Funke jedoch nie übergesprungen: Weder gefällt mir das Design des Bühnenstücks, noch gehen mir die meisten der neuen Songs ins Ohr.

    Für mich ist es böse gesagt die freudlose Variante des Zeichentrickfilms. Doch der „Die Schöne und das Biest“-Realfilm von Bill Condon erreicht bei mir all das, was das Bühnenmusical erreichen will. Ja, er erzählt in 129 Minuten eine Geschichte, die zuvor hervorragend in unter 90 Minuten erzählt wurde. Aber als entschleunigte, seufzende und schmunzelnde Neuinterpretation finde ich ihn echt schmuck. Die mangelnde Originalität sticht mir nicht derart ins Auge wie in Favreaus „Der König der Löwen“. Stattdessen denke ich: „Endlich habe ich meine Alternative zum Bühnenstück!“

    Nicht besser, aber anders genug, dass man ins Schwelgen gerät

    Während Favreau in „Der König der Löwen“ mit dem Sandstrahler sämtliche Farben entfernt und die Trickvorlage wie ein Storyboard verwendet, geht Condon vor wie ein Theaterregisseur, der ein bewährtes Stück neu auflegt. Ja, sämtliche liebgewonnenen Elemente werden beibehalten. Aber Condon strebt eine schwelgerische, ruhigere Stimmung an, was er mit entsprechenden Dialogänderungen und inszenatorischen Einfällen konsequent verfolgt. Auch das Produktions- und Setdesign unterstreichen den Ansatz: Das Remake überträgt die Einfälle der Vorlage in einen prächtigen, barocken, detailreichen Stil – und lässt den wiederum vorerst verblassen.

    Condons Musicalmärchen spielt in einer Welt, die ihren Prunk hinter sich gelassen hat, so, wie die Figuren bereits Zeiten hatten, in denen sie unbesorgter waren. Aber der Wille, das Feuer neu zu entfachen, ist da – was sich etwa im aufhellenden, seinen Glanz wiederfindenden Schloss des Biests widerspiegelt. Auch die Neuarrangements der altbekannten, zeitlosen Melodien von Alan Menken fügen sich in die Herangehensweise dieses Remakes. Anders als in Guy Ritchies „Aladdin“, in dem einige der alten Songs Pop-Arrangements erhalten, die nach „Eurovision Song Contest“-Mittelfeld klingen.

    Hier bleibt der Charakter der von Howard Ashman getexteten Originale erhalten. Dennoch wirken sie zugleich größer, womit sie die gewaltigen, prachtvollen Räume füllen, in denen sich das Remake abspielt, als auch gebremster. Die Überschwänglichkeit der dynamischen Trickfiguren und ihrer Welt wird zur Bedächtigkeit der Realfilmfiguren. Außer bei Gastons Schurkensong, der einfach „mehr“ ist. Witziger, größer, gemeiner.

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    Mein Schauspiel-Highlight in Condons „Die Schöne und das Biest“ ist nicht zuletzt deshalb Luke Evans, der aus dem gezeichneten Prahlhans Gaston einen trocken-komischen Ignoranten macht. Es mangelt ihm zwar an Bücherwissen und Weltoffenheit, aber keinesfalls an sozialer Intelligenz. Evans' Gaston hat die Bevölkerung seines Heimatdorfs von Beginn an unter seiner Fuchtel und steuert sie wie ein Hobby-Demagoge – all das mit einem frechen Grinsen in den Backen. Dieser Gaston ist nicht zwingend besser als der aus dem Zeichentrickfilm, aber ihm wohl ebenbürtig. Und dabei so anders, dass er der Neuverfilmung hilft, eine eigene Identität zu entwickeln.

    Auch Dan Stevens findet einen eigenen Dreh. Sein Biest ist kummervoller, kaschiert sein Selbstmitleid nicht derart zornig – ein Ansatz, der auch in der Bühnenversion gewählt wurde. Aber Stevens' Biest ist nicht so niedergeschmettert wie das aus dem Theaterstück, dessen theatrales Solo nicht mit dem neu für den Realfilm geschriebenen, kraftvollen Biest-Song mithalten kann. Dass Emma Watson als Belle derweil blass bleibt, ist einfach schade. Watson wirkt zwischenzeitlich glatt so, als wäre sie von der Ikonografie ihrer Rolle eingeschüchtert – und ihre schmächtige Singstimme hilft da leider kein Stück.

    Allerdings ist es erstaunlich, wie wenig es dem „Die Schöne und das Biest“-Realfilm schadet, dass mich ausgerechnet seine Hauptdarstellerin kalt lässt. Ihre profilarme Performance verweigert dem Film einen weiteren Pluspunkt, wird für mich aber nicht zum Malus. Der Look und Klang des Films, Condons „Temperaturverlagerung“ der Emotionen und Luke Evans' Gaston schultern das Musical erfolgreich. Der Zeichentrickfilm bleibt die bessere Version – doch das Remake erarbeitete sich nicht nur eine Daseinsberechtigung. Es hat sogar einen „Manchmal bin ich einfach mehr in der Stimmung dafür“-Status.

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