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    TV-Tipp: Dieses 5-Sterne-Meisterwerk wurde mit Nicolas Cage nachgedreht – heute läuft aber das stärkere Original!
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Obwohl die US-Variante erfolgreicher war, kann sie dem deutschen Original nicht das Wasser reichen: Der NDR zeigt am 12. September 2022 mit „Der Himmel über Berlin“ ein Meisterwerk des Spitzenregisseurs Wim Wenders.

    +++ Meinung +++

    Viel wird darüber geklagt, dass das hiesige Kinopublikum den deutschen Film nicht wertzuschätzen weiß, sondern viel lieber gen Hollywood schielt. Oftmals wird dies als jüngere Entwicklung beschrieen. Dabei gibt es dieses Phänomen schon länger. Kaum ein Beispiel dafür ist so betrüblich wie der Vergleich zwischen dem 5-Sterne-Meisterwerk einer deutschen Regielegende und seinem passablen, aber längst nicht so zauberhaften Remake:

    Wim Wenders' berauschendes, sinnliches und traumhaftes Meisterwerk „Der Himmel über Berlin“ lockte 1987 gerade einmal etwas mehr als 911.000 Menschen in die deutschen Kinos. Und das trotz Gastauftritt des schon damals in Deutschland extrem populären „Columbo“-Darstellers Peter Falk. 1998 erreichte das US-Remake „Stadt der Engel“ mit Nicolas Cage dagegen über 2,5 Millionen Filmfans.

    Das zieht bis heute Wellen: Obwohl „Der Himmel über Berlin“ stärker geachtet wird, und beim filmaffinen Publikum zu Recht als Must See gilt, ist „Stadt der Engel“ noch immer der beim breiten Publikum bekanntere Film. Wer Wenders' wunderschönen Klassiker nachholen oder erneut sehen möchte, kann das heute Abend im Free-TV tun: Der NDR zeigt „Der Himmel über Berlin“ am 12. September 2022 ab 23.45 Uhr.

    Wenn ihr die Ausstrahlung verpasst haben solltet, gibt es „Der Himmel über Berlin“ auch bei verschiedenen Streaminganbietern. Im Abo könnt ihr das Meisterwerk von Wim Wenders aktuell über den Prime-Video-Channel ARTHAUS+ schauen, den ihr sieben Tage lang kostenlos testen könnt:

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    "Der Himmel über Berlin": Der schön-schmale Grat zwischen Kummer und Freude

    Der Engel Damiel (Bruno Ganz) streift gemeinsam mit seinem Freund Cassiel (Otto Sander) durch das geteilte Berlin und lauscht wissbegierig den Gesprächen der Menschen, die ihn nicht sehen können. Damiels Neugier auf die Gedanken und die Gefühlswelt der Erdenleute wird zunehmend größer – und erreicht ungeahnte Höhen, als er sich in die Akrobatin Marion (Solveig Dommartin) verliebt. Also beschließt er, seine Unsterblichkeit gegen eine irdische Existenz einzutauschen, um endlich am eigenen Leib Leidenschaft und Sehnsucht, aber auch Kummer und Schmerz zu erleben. In seiner neuen, intensiveren Existenz bekommt er Ratschläge von einem Filmstar (Peter Falk)...

    Nicht nur auf deutsche und US-amerikanischen Filme reagiert das Kinopublikum unterschiedlich. Eine irgendwo zwischen Beobachtung und Klischee zu verortende Faustregel besagt, dass tragische Filme schlechter ankommen als positivere Geschichten. Neben den offensichtlichen Blockbuster-Ausnahmen, die mit negativen Enden Reibach gemacht haben, beweist auch das Doppel „Stadt der Engel“ und „Der Himmel über Berlin“, dass sich zuweilen die niederschmetternde Geschichte besser verkauft.

    Die besten Fantasyfilme aller Zeiten

    Denn „Moonlight Mile“-Regisseur Brad Silberling arbeitet in seinem nach Los Angeles verlegten Remake mit tragischen Zuspitzungen, um die Geschichte zu dramatisieren und eine gewöhnlichere Struktur zu zwängen. Wenders' Original ist dagegen trotz der Präsenz von Schattenseiten viel warmherziger, positiver und schöner. Doch da Wenders' Erzählung zudem weniger konventionell strukturiert ist, wird sie voreilig als weniger massentauglich abgestempelt. Dabei ist „Der Himmel über Berlin“ ein sehr zugänglicher Film – man muss sich einfach auf seine schlendernde Erzählform einlassen.

    Allen, denen das gelingt, wird ein die Stärken des Mediums Film nutzendes Stück Poesie geschenkt, das das Leben in all seinen Schönheiten und Schattenseiten wertschätzt. Es ist nicht die Art sperriges Gedicht, mit der das Lehrpersonal liebend gern Schulklassen malträtiert. Sondern die Art Gedicht, das für sich spricht, und dadurch berührt, wie intuitiv es Bilder für Gefühle und Gedanken findet, die bislang ungeordnet im eigenen Hinterkopf herumschwirrten.

    Wenders und seine Mitautoren Peter Handke und Richard Reitinger gehen ruhig und nachdenklich vor, ohne schleppend und verkopft zu werden: Sie laden uns dazu ein, mit den Engeln durch ein geteiltes Berlin zu streifen. Wir schnappen inspirierende Gespräche, alltägliche Begegnungen und Ausschnitte aus potentiell größeren Geschichten auf, als wäre dies ein sich auf Berlin begrenzendes, genussvoll schlenderndes Roadmovie.

    Die Vielfalt an Stimmungen, die das menschliche Treiben dort ausmacht, wird durch die Musikuntermalung von „Der Himmel über Berlin“ deutlich, erklingt doch neben dem poetischen, zuweilen beschwingten Score von Jürgen Knieper auch der rauchige Rock eines Nick Cave!

    Illustriert wird die Engelsreise, bei der uns ein sanft-sehnsuchtsvoller, charakterstarker Bruno Ganz an die Hand nimmt, von berauschenden Bildern des Kameramanns Henri Alekan: „Der Himmel über Berlin“ zeigt, wie lebhaft monochrome Bilder sein können, wie dünn die Trennlinie zwischen Tristesse und Traumwelt zuweilen ist. Ob die Feststellung „Welche deutsche Stadt könnte dafür ein besserer Schauplatz sein als Berlin?“ Seitenhieb oder Verneigung ist, dürfen die Engel unter sich ausmachen.

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