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    Shopping-Center King
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Shopping-Center King
    Von Jan Hamm

    Shoppen ist Krieg! Ob im apokalyptischen Grabenkampf gegen Zombie-Heerscharen in Dawn Of The Dead oder beim Duell mit fiesen Geiselnehmern à la Der Kaufhaus Cop – die amerikanische Shopping Mall ist ein heißes Pflaster. Gefahr droht jedoch nicht nur von außen, auch das hauseigene Personal hat es faustdick hinter den Ohren. Zumindest laut Jody Hills schwarzer Komödie „Shopping-Center King“, die wie ein böser Abgesang auf die Leichtigkeit des Kevin-James-Ulks anmutet. Hier kämpft Seth Rogen in einer ungewohnten Rolle als völlig derangierter und soziopathischer Mall-Bulle vor allem gegen sich selbst. Die im Kern tieftraurige Geschichte um Zurückweisung und kompensatorischen Größenwahn wird dabei leider vom Komödienformat limitiert, dessen Grenzen zwar provokant angegangen, aber nie konsequent überschritten werden. So bleibt „Shopping-Center King“ ein immerhin schrill-unterhaltsamer Trip, während Hill mit der Tragweite seiner Erzählung wenig anzufangen weiß.

    Überwachen und Bericht erstatten – so lautet das klar abgesteckte Aufgabenfeld von Mall-Cop Ronnie Barnhardt (Seth Rogen, Beim ersten Mal, Zack And Miri Make A Porno). Wie aber soll der Maulheld seinem wasserstoffblonden Schwarm Brandi (Anna Faris, House Bunny, Die Super-Ex) aus der Kosmetikabteilung imponieren, wenn nicht durch heldenhaftes Eingreifen im gefährlichen Kaufhausalltag? Als ein ausgeflippter Exhibitionist (Randy Gambill) durch die Gänge streunt und der armen Brandi ein sattes Phallus-Trauma beschert, sieht Ronnie seine Chance gekommen. Er bläst mit den Kollegen (darunter Michael Peña, Shooter, Von Löwen und Lämmern) zur Jagd auf den Perversen. Als der von der Kaufhausleitung hinzugezogene Detective Harrison (Ray Liotta, Crossing Over, GoodFellas) nicht bloß seinen Fall klaut, sondern offenbar auch ein Auge auf Brandi wirft, drohen bei Ronnie endgültig die Sicherungen durchzubrennen...

    Die große Stärke von „Shopping-Center King“ ist die durchaus mutige Entscheidung für einen Protagonisten, der oberflächlich betrachtet schlicht abstoßend ist. Ronnies soziale Inkompetenz ist atemberaubend und sorgt bereits in den ersten Filmminuten für massenhaft Fremdscham. Dass nicht gleich jede Möglichkeit zur Identifikation verpufft, ist Rogens überraschend nuanciertem Spiel zu verdanken. Zwischen all seinen dumm-dreisten Anmachen und lautstark rassistischen Kalauern blitzt immer wieder die große Verletzlichkeit durch, die „Shopping-Center King“ einen traurigen Unterton verleiht. Ronnie ist kein schlechter Mensch, er findet bloß keine Möglichkeiten, seine Bedürfnisse angemessen zu artikulieren.

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    Die Erfahrung der eigenen Minderwertigkeit reicht weit zurück. Ganz nebenbei bekommt Ronnie von seiner taktlosen und ständig sternhagelvollen Mutter (Celia Weston, Joshua, Junebug) gesteckt, mit seinen Unarten für die kaputte Familie verantwortlich zu sein. Hier ist die tragische Dimension der Figur unübersehbar. Es ist gerade Ronnies längst zum asozialen Größenwahn ausgeuferter Geltungswunsch, der ihm die ersehnte Anerkennung verbaut. Ein echter Cop will er sein, eben einer, der nicht bloß Überwachen und Berichten darf. Doch sein stupider Waffenfetischismus – eine entgleiste Vorstellung von Durchsetzungsfähigkeit – lässt ihn unvermeidlich durch den psychologischen Aufnahmetest rasseln.

    Kaum besser sieht es mit den Frauen aus. Brandi interessiert sich einen feuchten Dreck für den moppeligen Taugenichts, nur mit alkoholischer „Überredungskunst“ kriegt er sie in die Kiste. Wie Ronnie auf der komatösen Blondine herumrutscht, wirkt beinahe wie eine Vergewaltigung. Aber nur fast, denn trotz ihres Zustandes segnet Brandi den sexuellen Übergriff ab. Genau in den Momenten, die Ronnies Verzweifelung am stärksten illustrieren, macht Hill absichernde Rückzieher. Statt die kontroverse Szene voll auszuspielen, wird auf angestrengte Kotz-Gags ausgewichen. Allzuviel Dunkelheit wollte Hill dem durchschnittlichen Komödienpublikum dann wohl doch nicht zumuten.

    Auch Ronnies vorhersehbarer Ausraster kommt reichlich entschärft daher. Gemeinsam mit Kumpel und Kollege Dennis pfeift er sich ein halbes Dutzend verschiedene Substanzen rein und lässt seinen Zorn an Parkplatz-Skatern aus. Glaubhafter wären hier eher die Notaufnahme oder eine Ausnüchterungszelle gewesen. Als Ronnie dann zum Showdown mit Harrison und seiner Truppe aufmarschiert, verliert Hill endgültig jede Bodenhaftung und versucht sich an ironischer Überhöhung à la Hot Fuzz – ungünstigerweise ohne dessen Kontext als Genre-Parodie.

    Also: Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Eher wird hier eine uramerikanische Mentalität verhöhnt: mit Revolverheldentum zum Ruhm. Wie viel eindringlicher aber wäre Hills Erzählung ausgefallen, hätte er die Schattenseite seiner Figur ernsthaft ausgelotet, statt sie bloß zu verballhornen. „Shopping-Center King“ ist mutig, ohne wirklich mutig zu sein – die Grenzen des Formats werden gedehnt, aber nicht überschritten, wo es im Sinne des Charakterdramas zweckdienlich gewesen wäre. Als boshafte Komödie macht das Schlachtfeld „Shopping Mall“ Spaß, vor allem dank der herrlich überdrehten Darstellerriege - vom wandelnden Blondinen-Klischee Anna Faris bis zu Ray Liotta in seiner Paraderolle als herrischer Detective. Das parallel laufende Psychogramm eines Soziopathen aber wird nicht konsequent auserzählt.

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