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    Horst Schlämmer - Isch kandidiere!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Horst Schlämmer - Isch kandidiere!
    Von Carsten Baumgardt

    Was macht eigentlich Hape Kerkeling dieser Tage so? Deutschlands Vorzeigekomiker ward schon seit Monaten nicht mehr gesehen, obwohl doch sein neuer Film „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ gerade im Kino anläuft. Ja, richtig, Kerkeling hat sich vorübergehend selbst aufgegeben und tritt derzeit konsequent nur als seine eigene Kunstfigur Horst Schlämmer auf. Die Maxime lautet unverkennbar: Was bei Sacha Baron Cohen mit Borat perfekt und mit Brüno zumindest teilweise funktioniert hat, müsste auch auf Deutschland übertragbar sein. Immerhin tritt mit Kerkeling einer der beliebtesten Komiker des Landes an, eine Kinonation von Spaßverstehern im Sturm zu erobern. Doch weit gefehlt: Der von Angelo Colagrossi inszenierte Ulk „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ ist eine komödiantische Fehlzündung und wird den ausdauernd geschürten Erwartungen in keiner Weise gerecht.

    Horst Schlämmer (Hape Kerkeling) steckt in der Krise. Der stellvertretende Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts ist es leid, nur über Kaninchenzüchter und Schützenköniginnen zu berichten. Die Chefredaktion mobbt ihn und ihm wird mit dem Foto-Praktikanten Ulle (Simon Gosejohann) auch noch ein unerfahrener Mitarbeiter an die Seite gestellt. Da fasst Schlämmer einen Entschluss: Er will Bundeskanzler werden und gründet für diesen Zweck kurzerhand die HSP – die Horst-Schlämmer-Partei. Die Kumpane aus der Kneipe „Wilddieb“ packen engagiert mit an, Stammgast Gisela (Hape Kerkeling), Wirt Günni (Norbert Heisterkamp) und Ulle gehen an vorderster Front für den Kandidaten auf Wählerfang. Eine potenzielle First Lady ist auch schnell gefunden. Die Buchautorin Alexandra Kamp (Alexandra Kamp) fühlt sich von Schlämmers animalischem Machtgehabe derart angezogen, dass sie sich ihm an den Hals wirft...

    Komiker Hape Kerkeling besitzt die besondere Gabe, sich immer wieder selbst neu zu erfinden, sei es über seine Figuren, über innovative Fernsehformate oder über originelle Ansätze, Humor an den Mann und die Frau zu bringen. Mit seiner Schöpfung Horst Schlämmer hat Kerkeling einen echten Coup gelandet. Die Kunstfigur des jovialen Lokalreporters, mit der er seit 2005 durch die TV-Landschaft geistert, erfreut sich einer dermaßen großen Beliebt- und Bekanntheit in der Bevölkerung, dass Kerkeling die Chance sah, im dritten Anlauf endlich auch im Kino den Durchbruch zu schaffen. Seine ersten beiden Versuche, die große Leinwand zu erobern, die Komödien Kein Pardon (1993) und Samba in Mettmann (2004), waren gefloppt, nun folgt mit einem beispiellosen medialen Sperrfeuer im Rücken Kerkelings Großangriff auf das Kinopublikum. Doch „Isch kandidiere“ erweist sich als ähnlich inhaltslos und unfokussiert wie Horst Schlämmers Wahlprogramm: Von allem etwas, doch nichts richtig – bei dieser Taktik bleibt im Kern nur gähnende Leere.

    „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ ist eine auf 96 Minuten aufgeblasene Sketchparade, die im Kinoformat nie wirklich funktioniert. Kerkeling frönt seiner Verkleidungs- und Imitationslust in den Rollen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, dazu spielt er noch die fiktiven Figuren Gisela und Uschi. Im Zentrum steht aber ganz allein Horst Schlämmer wie wir ihn nun schon lange kennen. Der schmierige, Trenchcoat tragende Provinzpostillen-Schreiberling, der Bier und Doornkaat als Treibstoff braucht und durch allerlei Beschwerden wie „Rücken“, „Kreislauf“ und Konzentrationsschwäche gebeutelt wird, geht zunächst in den Nahkampf mit dem Politikervolk. Mal sind die Interviewpartner eingeweiht (wie die Grünen Cem Özdemir und Claudia Roth oder Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers), mal offensichtlich nicht. Auf das Ergebnis hat das kaum einen Einfluss, beide Varianten sind fade. Wo „Vorbild“ Sacha Baron Cohen seine Gesprächsopfer bitter-böse vorführt, entlarvt und demütigt, passiert bei „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ gar nichts. Kaum Pointen, keine Aufreger und keine nachvollziehbare satirische Strategie – die wenig witzigen Begegnungen plätschern träge vorüber.

    Leerlauf und Witzlosigkeit verleihen dem Film trotz des auffälligen Versuchs, die unterschiedlichsten komödiantischen Formen und Stile unterzubringen, eine ungewollte Einheitlichkeit. Die Politiker-Parodien von Merkel, Pofalla und Schmidt? Die Schlager- und Rap-Collagen, die für die HSP werben sollen? Die absurde Liebesgeschichte zwischen Kerkeling und einer gnadenlos überziehenden Alexandra Kamp? Der „Running gag“ über das Blechschäden verursachende „Beulenmonster“ Horst Schlämmer? Die permanenten, verkrampften Prominentenaufläufe? Keine von diesen Ideen zündet, vielmehr versandet alles in Ereignislosigkeit.

    Die wenigen Lacher, die der Film produziert, zeigen Kerkelings sonst schmerzlich vermisste Stärken. Da schummelt sich der Komiker in den kultigen, nächtlichen WDR-Problemtalk „Domian“, um Werbung für die HSP zu machen, er entert das Studio einer dieser trashigen TV-Astro-Shows oder schleicht sich beim Verkaufssender HSE24 vor die Kamera. Ähnlich wie bei Schlämmers vorherigen Glanzauftritten, zum Beispiel als Gast des „Wer wird Millionär?“-Prominentenspecials bei Günther Jauch, überzeugen diese Nummern vor allem durch eine lebendige Interaktion. Erst die spontanen Reaktionen der Mitspieler und Opfer stacheln Kerkeling zu Bestleistungen an, mit dem Korsett eines Kinofilms kommt der Komiker dagegen gar nicht zurecht.

    Formal hat „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ auch nicht viel zu bieten. Die visuellen Möglichkeiten des Kinoformats werden nie ausgenutzt und die einzelnen Episoden sind lieblos aneinandergereiht. In Angelo Colagrossis („Samba in Mettmann“, „Ein Mann, ein Fjord“) harm- und einfallsloser Inszenierung erinnert das Werk eher an biederen Ulk auf Supernasen-Niveau als an die beißend-fiesen Cohen-Werke. Der Film hat keinerlei Dramaturgie, ist über weite Strecken entsetzlich öde und propagiert die schlichte Inhaltslosigkeit.

    Fazit: Hape Kerkelings Versuch, der deutschen Politik den Zerrspiegel vorzuhalten, erstickt in der eigenen Harmlosigkeit. „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ ist nahezu ein Totalausfall, dem selbst Hardcore-Hape-Fans nur wenig abgewinnen dürften. So wird es für Kerkeling langsam Zeit, sich wieder einmal neu zu erfinden, damit wir auch den echten Hape endlich wiedersehen dürfen. Denn auf Dauer nervt selbst ein einst toller Charakter wie Horst Schlämmer. Weiße Bescheid…

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