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    Tootsie
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Tootsie
    Von Asokan Nirmalarajah

    Man muss nicht unbedingt bis zum Abspann warten, um festzustellen, dass es sich bei „Tootsie" um eine der wenigen Travestie-Komödien handelt, deren Humor sich nicht darin erschöpft, einen Mann in Frauenkleidern zu zeigen. Doch der charmante Einfall, den beachtlichen Dustin Hoffman im Abspann des Films gleich zwei Mal aufzuführen, einmal als arbeitslosen Theaterschauspieler Michael Dorsey, und einmal als sein weibliches Alter Ego Dorothy Michaels, den umjubelten Star einer Fernsehsoap, unterstreicht noch mal, wie ernst hier die (falsche) Frau genommen wird. Sydney Pollacks einfallsreiche, mehrfach oscarnominierte Regiearbeit mag mit ihrer berechenbaren Handlung, in der sich ein Mann als Frau ausgeben muss, um beruflichen Erfolg zu haben, oberflächlich an den komischen britischen Dreiakter „Charleys Tante" von Brandon Thomas erinnern, der seit seiner Uraufführung 1892 als Inspiration für viele Komödien dieser Art diente. Doch das Spiel mit den Geschlechterrollen ist hier bloß der Aufhänger für eine herrlich charmante Posse mit sympathischen Figuren, die sich durch einen Genre-Mix aus cleverer Showbiz-Satire, rasanter Screwball-Comedy und aufgeweckter romantischer Komödie fechten.

    Michael Dorsey (Dustin Hoffman) ist Schauspieler mit Leib und Seele. Seine Leidenschaft für das Fach macht ihn aber nicht nur zu einem guten Schauspiellehrer, sondern auch zu einem Perfektionisten, der sich wiederholt mit seinen Regisseuren anlegt, ganz gleich ob es sich dabei um ein Theaterstück handelt oder um einen Auftritt als Tomate in einem Werbespot. Entsprechend schwer fällt es Michaels Agenten George Fields (Sydney Pollack) ihm gute Rollenangebote zu verschaffen. Enttäuscht über die jüngste Absage beschließt Michael sich auf die Rolle in der populären Krankenhaus-Soap „Southwest General" zu bewerben, für die bereits die befreundete Kollegin Sandy (Teri Garr) erfolglos vorgesprochen hatte. In der Verkleidung einer Frau stellt er sich als Dorothy Michaels vor und kann durch seine Durchsetzungskraft und sein Improvisationstalent den Part ergattern. Doch was als Notlösung gedacht war, um mit der Gage das Theaterstück seines Freundes Jeff (Bill Murray) zu finanzieren, wirft immer mehr Probleme auf. Nicht nur, dass er Sandy mit Sex vertröstet, er verliebt sich in seinen Co-Star Julie (Jessica Lange), während ihm selbst mehrere Männer nachstellen, darunter sogar Julies Vater Les (Charles Durning)...

    Was „Tootsie" ähnlich gestrickten Travestie-Komödien voraus hat, ist die intelligente und souveräne Inszenierung Sydney Pollacks, der seinen Zuschauern einige der mitunter arg konstruierten Standardsituationen des Genres erspart. So gibt es hier weder eine spektakuläre Sequenz, in der sich der Mann zur Frau umstylen lässt, noch hysterische Slapstick-Momente, in denen der panische Protagonist sich schnell von einem Geschlecht ins andere und wieder zurück verwandeln muss, um von seinem Umfeld nicht bei der Maskerade ertappt zu werden. Stattdessen wirft Pollack einen faszinierten wie amüsierten Blick auf die neurotische, eitle und anerkennungsbedürftige Zunft der Method Actors, für die eine solche Verwandlung nur eine von vielen Maskeraden darstellt, hinter denen sie sich verstecken können. So sind Michaels Erfahrungen als Dorothy weniger ein kritischer Kommentar über den Sexismus der Männer zu Anfang der 1980er Jahre als die alte, zeitlose Hollywood-Mär von einem Schürzenjäger mit Bindungsängsten, der erst als Frau das nötige Einfühlungsvermögen lernt, um sich auf eine ernsthafte Beziehung zu einer Frau einzulassen. Die Leistung des Films besteht nun darin, dieses Märchen frisch zu variieren.

    So handelt es sich bei dem kleinen, energischen Dustin Hoffman nicht nur um einen unkonventionellen Helden, der als Frau eine attraktivere Figur macht, er muss auch mit einer bemerkenswert starken Besetzung in mindestens ebenso interessanten Nebenrollen um die Aufmerksamkeit der Zuschauer buhlen. Jessica Lange, die hier als moderne alleinerziehende Mutter nur wenig von dem Sex-Appeal versprüht, den sie das Jahr zuvor noch in dem Neo-Noir „Wenn der Postmann zweimal klingelt" zeigte, war zwar diejenige, die den Oscar als beste Nebendarstellerin gewann (was wohl als Trostpreis anzusehen ist, verlor sie doch im selben Jahr in der Kategorie der besten Hauptdarstellerin gegen Meryl Streep). Doch die ebenfalls nominierte Teri Garr gibt eine viel lebendigere Vorstellung als blondes Nervenbündel, während Bill Murray mit einigen improvisierten Zeilen seinen bewährt lakonischen Humor beisteuern darf. Sehr gut auch die drei älteren, liebestollen Herrschaften Dabney Coleman, George Gaynes und Charles Durning, gegen deren Annäherungsversuche sich Dorothy entschieden zur Wehr setzen muss. Und schließlich begeistert noch Regisseur Pollack selbst in der amüsanten Rolle des entsetzen Agenten.

    Fazit: „Tootsie" ist trotz eines leicht antiquierten 80er-Jahre-Soundtracks eine durchweg gelungene, sehr unterhaltsame Hollywood-Komödie mit einem sicherlich berechenbarem Handlungsverlauf, der aber durch reichlich pfiffige Dialoge, charmante Momente und eine erstklassige Besetzung aufgepeppt wird.

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