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    If I Want To Whistle, I Whistle
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    If I Want To Whistle, I Whistle
    Von Christoph Petersen

    Mit einem Paukenschlag eroberte sich Rumänien 2007 einen festen Platz im europäischen Festivalzirkus. Christian Mungiu gewann mit seinem vielfach ausgezeichneten Abtreibungs-Drama Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage nicht nur die Goldene Palme der Filmfestspiele von Cannes, sondern sorgte auch für einen handfesten Skandal und eine Änderung der Nominierungsbestimmungen, als es sein Film nicht unter die letzten fünf Kandidaten für einen Oscar in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ schaffte. Seitdem gehört es für ein Festival einfach zum guten Ton, einen Rumänen im Wettbewerb zu haben. Und die Berlinale hat nicht schlecht daran getan, sich für das Knast-Drama „If I Want To Whistle, I Whistle“ zu entscheiden. Sicherlich gibt es einige Bereiche, in denen sich Spielfilmdebütant Florin Serban noch weiterentwickeln könnte. Dennoch zeugt sein Erstling von einer filmischen Vision, die sich weiter auszuleuchten sicherlich lohnen würde.

    Seit vier Jahren sitzt Silviu (George Pistereanu) in einer Jugendhaftanstalt. Nun hat er nur noch läppische 15 Tage vor sich. Doch diese zwei Wochen erscheinen plötzlich unendlich lang, als seine Mutter (Clara Voda) nach Rumänien zurückkehrt, um seinen kleinen Bruder (Marian Bratu), den Silviu selbst großgezogen hat, mit nach Italien zu nehmen. Silviu fühlt sich machtlos. Er glaubt nicht daran, dass seine Mutter gut für seinen Bruder sorgen könnte. Als der Anstaltsleiter (Mihai Constantin) ihm dann auch noch einen Freigang verwehrt, dreht Silviu, der in seiner Zeit im Jungendknast niemals negativ aufgefallen ist, durch…

    Das Leben ist rau in der maschendrahtumzäunten, an einen verfallenen Bauernhof erinnernden Haftanstalt, in der die Jugendlichen mit Arbeit und Disziplin wieder auf den rechten Weg zurückgeführt werden sollen. Dass Florin Serbans Porträt dieses Alltags zwischen Baumstämme anstreichen, dudeliger Radiomusik zum Mittagessen hören und immer wieder Schlägereien so intensiv ausfällt, hat einen einfachen Grund: Mit Ausnahme von Silviu hat der Regisseur mit echten jugendlichen Straftätern zusammengearbeitet, die er aus zwei Haftanstalten zusammengecastet hat. Die Mixtur aus Freiheitssehnsucht und dem Zwang, stets den starten Mann markieren zu müssen, ist glaubhaft und eindringlich. In dem Moment, in dem klar wird, dass Silviu unbedingt raus will, ernennt ihn ein Mitgefangener zu seinem Sklaven und spuckt ihm ins Gesicht. Schließlich kann sich Silviu, der sich stets an die Regeln gehalten hat und auch Vergewaltigungen stillschweigend über sich ergehen ließ, um nicht aufzufallen, gar nicht mehr wehren, ohne seine anstehende Bewährung zu gefährden.

    Es ist dieses Gefühl absoluter Machtlosigkeit, die auch aus dem Vorhaben der Mutter resultiert, den Bruder zu sich ins Ausland zu holen, die die Performance des frisch aus der Highschool besetzten Debütanten George Pistereanu dominiert. Die äußeren Restriktionen sowie sein inneres Unvermögen, seine Gefühle zu artikulieren, führen dazu, dass Silviu in vielen Momenten sein Gegenüber einfach nur stillschweigend anstarrt. Es liegt auf der Hand, dass sich diese Hilflosigkeit und die angestaute Wut irgendwann ihren Weg bahnen müssen, doch mit der Einleitung des Finals, das eigentlich der dramatische Höhepunkt des Films sein sollte, verliert er im Gegenteil sogar an Dramatik. Ohne sich vom Fleck zu bewegen, reizt das auf einem Theaterstück von Andreea Valean basierende Skript die Geiselsituation zu sehr aus, um das zuvor installierte Spannungsniveau zu halten. Ein weiterer kleiner Schwachpunkt ist außerdem die Kameraarbeit von Marius Panduru. Zwar gelingen ihm einige ganz starke Bilder, etwa wenn sich Silviu mit seiner Geisel (Ada Condeescu) in die hinterste Ecke des Raums verkrümelt, aber ob die Handkamera in einer Szene mal mehr oder mal weniger wackelt, ist offenbar nur dem Zufall geschuldet.

    Fazit: Wenn er alt ist, möchte Florin Serban einmal Filme machen wie Ozu. Aber bis es soweit ist, würde der Regisseur auch an einem Projekt im Stile von Ridley Scotts Gladiator Gefallen finden. Nach dem Schauen von „If I Want To Whistle, I Whistle“ möchte man ihm jedoch zurufen, er sollte sich doch bitte nicht allzu sehr von anderen Filmemachern beeinflussen lassen. Schließlich hat er bereits eine eigene filmische Sprache gefunden – auch wenn diese noch ziemlich rau ist.

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