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    Zombie Town
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Zombie Town
    Von Christoph Petersen

    Das Beste an den 80er-Jahre-Filmen der Trash-Schmiede Troma waren die absurden Titel der Billigstreifen. „Ferocious Female Freedom Fighters“, „Plutonium Baby“ oder „Monster In The Closet“ sind nur einige der kranken Bezeichnungen, mit denen die geschickten Low-Budget-Produzenten den B-Pictures-Markt für sich eroberten – auch der Originaltitel von Dan Hoskins („Die Bikinifalle“) Trash-Fest „Zombie Town“ steht diesen abgehobenen Werbeschöpfungen in nichts nach: „Chopper Chicks In Zombietown“. Und der Name ist Programm. Die aberwitzige Mischung aus progressiver Female-Biker-Exploitation und abwechslungsreicher Zombie-Comedy reicht zwar nicht ganz an die Troma-Klassiker „The Toxic Avenger“ und „Tromeo And Juliet“ heran, überzeugt als Genre-Unterhaltung aber auf der ganzen durchgeknallten Linie.

    Eine Gruppe von weiblichen Rockern tourt auf der Suche nach dem nächsten Koitus durch die USA. In dem typischen Südstaaten-Nest Zariah mit seinen 127 Einwohnern stößt ihre Mission aber auf wenig Gegenliebe, die Anführer der Dorfgemeinschaft stellen sich den Motorradschlampen schon bald mit ihren Gewehren in den Weg und fordern, die unwillkommenen Gäste an den nächsten Baum zu knüpfen. Glücklicherweise lässt sich aber gerade kein Seil auftreiben, denn als die Zombiehorden des wahnsinnigen Wissenschaftlers Willum (Don Calfa, „Dr. Dolittle“) und seines kleinwüchsigen Helfers Bob Littleton (Ed Gale, „O Brother, Where Art Thou?“) über das wehrlose Städtchen herfallen, sind die Bewohner über jede schlagfertige Schlampe mehr als erfreut…

    Oberflächlich betrachtet sind Troma-Filme billig, dumm, laut und bescheuert. Aber neben einigen Produktionen, die mit Recht zu den schlechtesten Werken der Filmgeschichte zählen, lassen sich in dem ganzen Schrott auch überraschend viele Trash-Perlen finden. Auch „Zombie Town“ gibt rein formal gesehen nicht allzu viel her: Die Sets sind äußerst kostengünstig eingerichtet, die Splatter-Effekte recht simpel umgesetzt und auch die Schauspieler können trotz eines frühen Auftritts von Billy Bon Thornton (Die Baeren sind los, Bad Santa) genre-typisch nicht alle überzeugen. Aber es lohnt sich – wie so häufig – etwas genauer hinzusehen. Denn wenn man mit einem minimalen Budget kaum Rücksicht auf irgendetwas nehmen muss, lassen sich außergewöhnliche Ideen und politische Ansichten viel offensiver in einen Film integrieren.

    Zunächst einmal vertritt „Zombie Town“ ein Frauenbild, das selbst für die späten 80er Jahre noch als äußerst progressiv einzustufen ist. Richtig wirksam wird das Subversive der aus Lesben und Aussteigerinnen bestehende Truppe, die für sich mehr als ein einfaches Hausfrauenleben fordert, aber erst, wenn ihr die konservativen Südstaatler gegenübergestellt werden, die sich gegenseitig immer nur als „He is/was a good man“ beschreiben: Die ach so gläubigen Dörfler (es ist kein Zufall, dass Hoskins den explosiven Showdown in einer kleinen Dorfkirche angesiedelt hat) wissen sich gegenüber dem fortschrittlichen Gedankengut nur mit vorgehaltener Pump-Gun zu verteidigen – auf alles Neue (Sklavenbefreiung, Aufhebung der Rassentrennung, usw.) hat man im ländlichen Süden bekanntermaßen schon immer wenig bibeltreu reagiert.

    Aber nicht nur die subversiven politischen Anspielungen, sondern auch die zahlreichen gelungenen Genre-Variationen machen „Zombie Town“ zu einem der stärkeren Vertreter des Troma-Archivs. So schlägt das Herz jedes Genrefans höher, wenn der „verrückte Wissenschaftler“ sein Motiv offenbart: “Man wird später sagen, er ist zu weit gegangen. In den Wahn getrieben von dem Streben nach Erkenntnis und Unsterblichkeit. Aber ich habe es nicht für die Wissenschaft und auch nicht für Anerkennung getan. Ich bin einfach fies!“ Hier wird in einer einzigen Szene 75 Jahre Horror-Filmgeschichte von James Wahles „Frankenstein“ bis hin zu Stuart Gordons „Re-Animator“ zitiert, um die altbekannten Klischees dann amüsant-ironisch zu unterlaufen. Ein weiterer genialer Einfall ist der mit blinden Waisenkindern besetzte Bus, über den die Zombies herfallen. In einem Mainstrem-Streifen müssten die Kinder als billiges Sympathie-Futter herhalten, um das der barmherzige Zuschauer zittern kann. Nicht so in „Zombie Town“, hier werden die behinderten Kids zunächst einmal als arrogante Arschlöcher eingeführt, denen man den sofortigen Tod wünscht.

    Als letztes Schmankerl wird dem Zuschauer noch ein sehr spaßiger Score serviert. Während die tollpatschigen Zombiehorden stets mit einer Zeichentrick-artigen Experimental-Geräuschkulisse angekündigt werden, sind die Szenen der Biker-Bräute mit quietschigen, aber äußerst wirkungsvollen Rocksounds unterlegt. Genau so wie „Zombie Town“ muss gutes Trash-Kino sein: Voll politischer Rebellion, durchgeknallten Storylines und absurden Charakteren – so einfallsreich und aberwitzig machen Billigfilme mehr Spaß als ein Großteil der Big-Budget-Hollywood-Dutzendware.

    Diese Kritik ist Teil der Retrospektive FILMSTARTS.de goes Grindhouse.

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