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    10 Kanus, 150 Speere und 3 Frauen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    10 Kanus, 150 Speere und 3 Frauen
    Von Christoph Petersen

    Der niederländische Filmregisseur Rolf de Heer lebt seit seinem achten Lebensjahr in Australien. Hier verwirklichte er 1984 seinen ersten Spielfilm, das Drama „Tale Of A Tiger“, und feierte mit seiner Kult-Komödie „Bad Boy Bubby“, die den Spezialpreis der Jury in Venedig einheimsen konnte, und dem Drama „The Quiet Room“, das für den offiziellen Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes ausgewählt wurde, seine größten Erfolge. Nun begibt er sich mit seiner anthropologisch und ethnologisch angehauchten Erzählung „10 Kanus, 150 Speere und 3 Frauen“ auf die historischen Spuren seines Kontinents. Die Idee, einen Film über und mit der Unterstützung von Aborigines zu machen, stammt von David Gulpilil, der mit de Heer schon bei einem von dessen früheren Filmen zusammengearbeitet hat und der sich selbst zu den Nachfahren der australischen Ureinwohner zählen darf. Schnell kristallisierte sich in Gesprächen heraus, dass der Film in vergangenen Zeiten spielen und in dem Dialekt der Aborigines gedreht werden sollte. Doch erst als David eine alte Schwarz-Weiß-Photographie hervorkramte, auf der eine Gruppe von zehn Männern mit ihren Kanus im Sumpf zu sehen war, begann die Idee des Projekts schließlich eine konkrete Gestalt anzunehmen.

    Vor etwa 1000 Jahren brachen im Norden Australiens zehn Männer auf, um in den Sümpfen Jagd auf Gänse und deren Eier zu machen. Dabei kommt Minygululu (Peter Minygululu) zu Ohren, dass sich sein junger Stammesbruder Dayindi (Jamie Dayindi Gulpilil Dalaithngu) in seine dritte Ehefrau verliebt hat. Statt sich dem Problem mit Handgreiflichkeiten zu nähern, erzählt Minygululu Dayindi eine Geschichte aus den mythischen Zeiten ihrer Ahnen, die diesen lehren soll, die uralten Stammesgesetze zu achten: Vor vielen, vielen Jahren, kurz nach der großen Flut, lebte Ridjimiraril (Crusoe Kurddal) mit seinen drei Frauen zusammen in einem Lager. Die ledigen Männer des Stammes mussten in einem eigenen, etwas entfernten Camp wohnen. Hier lebte auch Ridjimirarils jüngerer Bruder Yeeralparil (Dalaithngu in einer Doppelrolle), dem selbst noch keine Frau versprochen wurde. Aber er hatte sich in Ridjimirarils jüngste Frau, die schöne Munandjarra (Cassandra Malangarri Baker), verguckt. Mit kleinen Tricks und Ausreden versuchte Yeeralparil sooft wie möglich in die Nähe des Lagers zu kommen, um einen Blick auf seine Geliebte zu erhaschen. Doch dann kam ein Fremder, der von sich behauptet, über magische Zauberkräfte zu verfügen, in die Nähe des Dorfes. Die Männer waren beunruhigt, und als dann auch noch Ridjimirarils eifersüchtige zweite Frau Nowalingu (Frances Djulibing) spurlos verschwand, ließ sich dieser zu einer folgenschweren Kurzschlussreaktion hinreißen...

    „Ich will nicht immer am Ende der Reihe gehen.“

    „Warum nicht?“

    „Weil vor mit ständig jemand furzt.“

    In erster Linie ist „10 Kanus, ...“ ein augenzwinkerndes moralisches Märchen, welches sich de Heer gemeinsam mit seinen zahlreichen Aborigines-Co-Autoren ersonnen hat. Dabei kommen viele Dinge in der Erzählung zusammen, die aus ihr einen unterhaltsamen, lohnenswerten Ausflug in die historische Aborigine-Kultur hätten werden lassen können. So zum Beispiel der im obigen Zitat angedeutete Humor, der etwa auch dann ins Spiel kommt, wenn die Stammesbrüder glauben, der fremde Zauberer würde sie mit Hilfe ihres Kots verhexen können. Ebenso gelungen ist die beinahe dokumentarische Annäherung an anthropologische und ethnologische Beobachtungen, etwa den Kanubau oder ein blutiges juristisches Ritual, mit dem die Stämme ihre Fehden ohne die Notwendigkeit von Blutrache beilegen. Als i-Tüpfelchen bekommt man dazu noch wunderschöne Landschaftspanoramen und poetische Naturbilder, wobei einmal mehr vor allem die Jagdszenen besonders eindrucksvoll ausgefallen sind, geboten.

    Doch richtig funktionieren will „10 Kanus, ...“ trotz all dieser viel versprechenden Zutaten dennoch nicht. Und dies liegt daran, dass de Heer selbst der Zugkraft seiner simplen Geschichte nicht immer über den Weg zu trauen scheint. Anstatt sein Publikum die amüsante Erzählung einfach genießen zu lassen, reibt er diesem immer wieder unter die Nase, wie bedeutend sein Werk doch ist. Anstatt seine Geschichte schlicht und einfach zu erzählen, verschachtelt er sie kunstvoll, immer, wenn der Film endlich ein klein wenig an Tempo gewinnt, bremst er ihn wieder künstlich aus. Schon die Einführung, in der der Erzähler aus dem Off zigmal wiederholt, dass er uns gleich eine Geschichte erzählen möchte, wirkt angestrengt und künstlich in die Länge gezogen. Wie in einer Vorlesung, in der der Professor zunächst nur langweiligen Kram erzählt, damit später, wenn es spannend wird, auch ja nur noch jene verdienten Studenten dasitzen, die sich wirklich für das Thema interessieren. Der Film hat ganz sicher einiges zu bieten, aber de Heer erwartet von den Zuschauern ein Maß an Sitzfleisch, das schlicht nicht Not getan hätte.

    Fazit: Mit „10 Kanus, 150 Speere und 3 Frauen“ erzählt Regisseur Rolf de Heer eine ebenso amüsante wie interessante Anekdote aus dem historischen Leben der Aborigines. Leider erinnert er sein Publikum dabei aber viel zu oft daran, dass er hier eigentlich ein anspruchsvolles Kunstwerk abliefern will, und ihm das simple Erzählen einer einfachen Geschichte offensichtlich nicht ausreicht. So zieht sich der Film schlussendlich wie Kaugummi in die Länge.

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