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    Drum
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Drum
    Von Alina Bacher

    Viele westliche Filmemacher haben sich dem Thema Apartheid in ihren Werken angenommen. Richard Attenboroughs „Cry Freedom“ war mehrfach für den Oscar nominiert und auch „A Dry White Season” von Euzhan Palcy erhielt eine Nominierung. Es handelt sich also um ein Thema, das ohne Zweifel bewegt und an die Nieren geht. Doch eines haben alle bekannten Filme über Apartheid gemeinsam: Keiner von ihnen wurde tatsächlich von einem Südafrikaner gedreht. Mit dem Drama „Drum“ kommt nun ein Film in die Kinos, der genau diese Lücke füllt. Regisseur Zola Maseko hat die strenge Rassentrennung am eigenen Körper erfahren und widmet sich in seinem Werk der Lebensgeschichte des südafrikanischen Journalisten Henry Nxumalo, der mit seinen Artikeln über die Situation der Schwarzen in Südafrika zu einem Sprachrohr der Apartheid-Gegner wurde und seine Pionierarbeit mit dem Leben bezahlen musste. Mit viel Gefühl, einem grandiosen Soundtrack, überzeugenden Schauspielern, schockierenden Bildern und einer sehr schwierigen Thematik ist „Drum“ eine emotionale Gratwanderung zwischen Schock und Trauer, die gehörig an die Nieren geht, aber unbedingt zu empfehlen ist.

    Südafrika, Mitte der 50er Jahre. Das Land ist strikt nach Rassen getrennt, die schwarzen Einheimischen haben keine Rechte mehr und werden in separate Wohngebiete abgeschoben. Der schwarze Journalist Henry Nxumalo (Taye Diggs) arbeitet für das Klatschblatt „Drum“ - eine Zeitschrift, die mit seichten Artikeln den grausamen Alltag etwas vergessen machen will. Zusammen mit dem Fotografen der Zeitung, dem deutschen Jürgen Schadeberg (Gabriel Mann), berichtet Henry für seinen Chef, den Briten Jim (Jason Flemyng), über Boxkämpfe und andere Boulevardthemen. Doch eines Tages macht Henrys Frau Florence (Moshidi Motshegwa) ihren Mann darauf aufmerksam, dass er als Journalist in der Lage ist, die Öffentlichkeit endlich wachzurütteln und etwas an den schrecklichen Lebensumständen der Einheimischen zu ändern. Mit Jürgens Hilfe recherchiert Henry unter Einsatz seines Lebens auf einer Farm, auf der Schwarze von den Buren versklavt und geschlagen werden. Die Story schlägt ein wie eine Bombe. Fortan entwickelt sich das Klatschblatt zu einem brisanten Politmagazin, das sich mit seiner Berichterstattung viele Feinde in hohen Regierungskreisen schafft. Als Henry einer politischen Verschwörung nachgeht, geraten er und seine Kollegen in die Schusslinie der Mächtigen. Jetzt muss sich Henry entscheiden: Entweder er schweigt, schreibt wieder über Boulevardthemen und schützt somit sein Leben und das seiner Familie, oder er forscht weiter nach und riskiert den Tod ...

    Obwohl das Ende der Apartheid noch nicht lange zurück liegt, ist das Thema in Deutschland nur selten in der Öffentlichkeit präsent. An den Schulen wird die südafrikanische Geschichte so gut wie nie erwähnt und wer sich nicht selbst für das Thema interessiert und nachliest, der könnte auch ohne weiteres nie davon gehört haben. Mit Hilfe von Film und Fernsehen können solche Themen, die wirklich alle etwas angehen, wieder in die Öffentlichkeit gerückt werden. Doch wer nun denkt, dass „Drum“ nur mit erhobenem Zeigefinger gegen die damaligen Missstände wettert und versucht, das Publikum zu erziehen, der liegt falsch. Regisseur Zola Maseko, der selbst der „Umkhonto We Sizwe“, dem bewaffneten Arm des ANC, beitrat, geht das Thema sensibel und feinfühlig an und findet ein angenehmes Mittelmaß zwischen Emotionalität und gewalttätiger Realität. Trotzdem geht der Film wirklich an die Nieren, denn er basiert auf Tatsachen, handelt von echten Personen und führt vor Augen, wie grausam Menschen sein können.

    Dass die Geschichte aus der Sicht von einem schwarzen Einheimischen erzählt wird, und nicht wie viele Anti-Apartheidfilme die liberalen Weißen in den Mittelpunkt stellt, ist eine willkommene Abwechslung. Es geht nicht nur um die unterdrückten, armen Massen, die bereits vor den Rassengesetzen an der Armutsgrenze lebten, sondern vielmehr auch um die schwarze Elite, deren Mitglieder ihren Berufen nachgehen und Schulabschlüsse haben. Das wurde von vielen Filmen bisher nur allzu gern unterschlagen. Einen kleinen Wehrmutstropfen gibt es bei der Handlung dann doch: „Drum“ befasst sich zwar mit der politischen Situation der damaligen Zeit, allerdings reiht Regisseur Maseko einen Enthüllungsskandal an den nächsten und so verfällt der Film ziemlich schnell in einen Trott aus „Skandal entdecken, Skandal aufklären und weiter zur nächsten Enthüllungsstory“. Die Dramaturgie ist leicht gestrickt. Keine schwierigen Twists oder sonstiges hindern das Publikum daran, dem Film nicht mehr zu folgen und so kann sich voll und ganz auf die Geschichte konzentriert werden. Und die hat es in sich, denn wohl nie zuvor kam ein Film derart wirklichkeitsgetreu daher.

    Die Schauplätze sind authentisch und geben die bittersüße Stimmung des Films perfekt wider. Einerseits werden die Einheimischen auf das Schlimmste diskriminiert, andererseits versuchen sie alle, aus ihrem Leben das Beste zu machen und immer noch Spaß zu finden. Hier kommt auch der wunderbare Soundtrack zum Tragen. Eine Mischung aus Swing und traditioneller afrikanischer Musik untermalt die Szenen und spiegelt den damaligen Zeitgeist wider. Besonders zum Schluss ist die Wirkung der Musik beachtlich und die Tränen sammeln sich selbst bei den hartgesotteneren Gemütern in den Augenwinkeln.

    Schauspielerisch ist „Drum“ auf alle Fälle sehenswert. Hauptdarsteller Taye Diggs spielt seine Rolle glaubwürdig, bleibt dabei aber weit hinter seinen Kollegen zurück. Nebenbei bemerkt: Diggs ist der einzige Nicht-Südafrikaner des Casts. Obwohl Diggs wahrscheinlich gewählt wurde, um auch ein internationales und kommerzielles Publikum mit dem Film anzusprechen, macht er die Geschichte, zumindest im ersten Teil des Werks, eher kaputt, als dass er zu ihr beiträgt. Das ändert sich fast schlagartig in der zweiten Hälfte und Diggs nähert sich dem Level seiner südafrikanischen Schauspielkollegen. Gabriel Mann als deutscher Journalist weiß zu überzeugen und auch Moshidi Motshegwa als Hernys besorgte Ehefrau Florence liefert eine sehr überzeugende Performance ab. Besondere Anerkennung gehört allerdings Tanya Baleson und Tumisho Masha, die als „rassengemischtes“ Liebespaar ein wahrer Höhepunkt des Films sind. Auch wenn ihre tragische Affäre nur eine Nebenrolle spielt, wäre diese Geschichte selbst einen eigenen Film wert.

    Mit viel Liebe hat Regisseur Zola Maseko sein Spielfilmdebüt „Drum“ auf die Leinwand gebracht. Die Mühe hat sich gelohnt, denn er gewann 2005 das 19. afrikanische Filmfestival von Ouagadougou/Burkina Faso. In Deutschland sind afrikanische Filme rar gesät, was meistens daran liegt, dass den Filmemachern eine Plattform für ihre Werke fehlt. Mit dem Münchner Filmfest kommt „Drum“ nun erstmalig auch in Deutschland in die Medien und siehe da, kaum wird er zum Eröffnungsfilm ernannt, schon hat „Drum“ einen deutschen Verleiher gefunden. Gott sei Dank, denn so kann dieser Film über eine wahre Geschichte endlich das tun, für das er von vornherein gedacht war, nämlich ein großes Publikum ansprechen und zum Nachdenken anregen.

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