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    Beste Zeit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Beste Zeit
    Von Christoph Petersen

    Das Presseheft zur Coming-Of-Age-Heimatfilmkomödie „Beste Zeit“, dem dritten Film von Regie-Shootingstar Marcus H. Rosenmüller, kündigt vollmundig eine „Bayerische Nouvelle Vague“ an. Natürlich scheint diese augenzwinkernde Titulierung ein wenig hochgegriffen, aber dass sich etwas tut im Staate Bayern, ist nun endgültig nicht mehr zu leugnen. Nachdem Stefan Betz´ freche Teenie-Komödie „Grenzverkehr“ noch mit einigen Startschwierigkeiten zu kämpfen hatte, aber zumindest an den Kinokassen ordentlich abschnitt, hat sich das bayerische Mundartkino spätestens im vergangenen Jahr mit Rosenmüllers Überraschungshit Wer früher stirbt, ist länger tot durchgesetzt – Dialekt ist nicht länger nur in TV-Sketch-Comedyshows am Freitagabend angesagt, sondern mittlerweile auch auf der großen Leinwand „in“. Und nachdem er mit seinem zweiten Film, der übergewichtigen Bobfahrer-Olympiakomödie Schwere Jungs, einen mittelprächtigen Abstecher in den Mainstream-Bereich unternahm, wendet sich Rosenmüller nun auch wieder seinen bayuwarischen Wurzeln zu. Das Ergebnis ist dabei zwar so ganz anders und weit weniger abgehoben als sein schwarzhumoriger Erstling, dafür aber ähnlich gut.

    „Auf Fahrtwind und Freiheit. Sehnsucht und Liebe.

    An Tschik und a Bier. Und den Vollmond als Wegweiser.“

    Auch wenn Kati (Anna Maria Sturm) erst 16 ist, den VW-Bus ihrer Eltern fährt sie auch ohne Führerschein schon recht rasant. Aber was soll man in der bayerischen Provinz sonst auch groß machen? Diese Frage stellen sich Kati und ihre beste Freundin Jo (Rosalie Thomass) immer wieder, wenn sie mit der Kippe in der einen und dem Bier in der anderen Hand über Gott und die Welt philosophieren. Immerhin ist Katis Schwarm Mike (Florian Brückner) gerade von der Bundeswehr zurückgekommen, aber während sie von der großen Liebe träumt, scheint er die Sache weit weniger ernst zu nehmen. Und mit ihrem Vater (Andreas Giebel) gibt’s auch nur Stress. Als sie von einem Austauschprogramm unerwartet die Zusage bekommt, für ein ganzes Jahr in die USA gehen zu können, hat Kati endlich die Chance, ihre Heimat hinter sich zu lassen. Doch wie es nun mal so ist, erscheint das Gras im Lichte der nahenden Abfahrt plötzlich viel grüner: Vielleicht ist es Daheim doch gar nicht so schlecht? Vielleicht bedeuten einem Familie und Freunde doch deutlich mehr, als man es zuvor für möglich gehalten hätte...

    Jo: „Ja, wega´m Mike wirst ned da bleiben!!!“

    Kati: „Aber wenn´s die große Liebe is?“

    Jo: „Die große Liebe gibt’s eh nur bei Harold und Maud und bei Stan und Ollie.“

    Ohne Dialekt geht gar nichts. Wo sich die Macher von Wer früher stirbt, ist länger tot noch Sorgen machten, ob man einen Film in bayerischer Sprache überhaupt vermarkten kann, ist dieser Dialekt mittlerweile zur eigenen Marke geworden. Das bayerische Publikum fühlt sich sofort vertraut, für Berliner und Hamburger klingt das süddeutsche Kauderwelsch zumindest lustig. Auch im Fall von „Beste Zeit“ steuert das Bayerische wieder erhebliche Stücke zum Unterhaltungswert des Films bei. Sicherlich hätte die fein beobachtete Coming-Of-Age-Komödie auch in anderen Gegenden Deutschlands irgendwie funktioniert, doch der begeisternde Charme und die lautesten Lacher der Produktion sind trotzdem zu großen Teilen auf die grundehrlichen Heimatfilmelemente zurückzuführen. Und dabei hat der „neue“ Heimatfilm nur noch wenig mit den Seifenopern der 60er und 70er Jahre zu tun, in deren „Heimat“ eigentlich nur für die Naturkulisse im Hintergrund stand. Vielmehr geht es mittlerweile um das ganz spezielle Zusammengehörigkeitsgefühl, welches Heimat ausmacht. Und mit „Beste Zeit“ gelingt Rosenmüller das Kunststück, dieses besondere Gefühl vom bayerischen Provinznest über die Leinwand selbst bis in die Kinosäle Hamburgs oder Berlins zu transportieren.

    Kati: „Aber da versäum ich doch ein ganzes Jahr!“

    Jo: „Schmarn. Daheim versäumst nix, wasd net schon zehn Mal erlebt hast, und no zwanzig Mal erleben wirst!“

    Das hört sich zwar alles schon sehr nett an, doch es wird noch besser. Die wahre Entdeckung von „Beste Zeit“ ist nämlich ganz klar das fantastische Hauptdarstellerinnen-Duo Anna Maria Sturm und Rosalie Thomass. Ein solches Maß an erfrischender Natürlichkeit hat man schon lange nicht mehr auf der Leinwand geboten bekommen. Man könnte fast meinen, die beiden würden sich selbst spielen – dabei ist Anna Maria Sturm ausgebildete Theaterschauspielerin an den Münchner Kammerspielen und ganze acht Jahre älter als die von ihr dargestellte Kati. Bei all den hochlobenden Tönen soll aber auch nicht ausgespart werden, dass „Beste Zeit“ durchaus auch mit einigen Schwächen zu kämpfen hat. Besonders fallen hier die größtenteils eher oberflächlich ausgearbeiteten Nebenfiguren auf. Wo Autorin Karin Michalke bei Kati und Jo unendlich viel Sorgfalt walten ließ, wirken die übrigen Charaktere zum großen Teil wie alte Bekannte. Zwar schliddert der Film hier dank der durchgehend hervorragenden Darsteller noch einmal am Vorwurf der Klischeehaftigkeit vorbei, aber gerade im Vergleich zum bunten Sammelsurium an abwechslungsreichen, originären Figuren in Wer früher stirbt, ist länger tot stimmt dieser vorsichtige Anflug von Einfallslosigkeit doch ein klein wenig enttäuscht.

    Kati: „Hey, es kannt sei, dass mir des nie weider macha! Checkst du des. Es kannt sei, dass alles anders werd. Dass alles zambricht. Dass alle weg gehen. Es kannt sei, dass die besten Zeiten scho vorbei san.“

    Fazit: Aufgrund der wesentlich „normaleren“ Geschichte ist es schwer vorstellbar, dass Regisseur Rosenmüller mit „Beste Zeit“ an den Kinokassen genauso radikal wie mit seinem megaerfolgreichen Erstling Wer früher stirbt, ist länger tot absahnen wird. Aber ein ähnlich guter und vor allem einmal mehr ungemein charmanter Film ist ihm mit seiner durch und durch bodenständigen Komödie dennoch allemal gelungen.

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