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    Quarantäne
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Quarantäne
    Von Björn Helbig

    Der Übereifer der amerikanischen Remake-Industrie verkürzt zunehmend die Halbwertzeiten der Originale. Erst Mitte 2008 lief der spanische Horror-Hit Rec in den deutschen Kinos. Im Dezember, kaum sieben Monate später, folgt nun mit John Erick Dowdles „Quarantäne“ bereits die Hollywood-Version des Stoffes. Statt in Barcelona wird hier in Los Angeles der Überlebenskampf einer Gruppe Eingesperrter mit der Handkamera dokumentiert. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Überraschungen? Fehlanzeige!

    Eine ganz normale Nachtschicht bei der Berufsfeuerwehr von Los Angeles. Für eine Reality-TV-Show berichten Angela (fast so gut wie Manuela Velasco im Original: Jennifer Carpenter) und ihr Kameramann Scott (nahezu unsichtbar: Steve Harris) aus der verschlafenen Wache. Noch ahnt niemand Böses, als Feuerwehmann Jake (sympathisch: Jay Hernandez) und seine Kollegen zu einem Routine-Einsatz in ein Mietshaus gerufen werden. Die Polizei ist schon vor Ort, es wurden Schreie aus einer Wohnung gemeldet. Angela und Scott begleiten die Beamten beim Betreten des Apartments mit laufender Kamera. Plötzlich werden die Helfer von einer blutverschmierten älteren Dame attackiert. Eine ganz normale Nachtschicht? Wohl kaum! Da es Verletzte gibt, beschließt man, ärztliche Hilfe zu rufen. Doch das Gebäude ist abgesperrt. Alle Ausgänge werden von schwer bewaffneten Männern bewacht und die Telefonleitungen sind gekappt. Und dann bricht die Hölle erst richtig los…

    War dieses Remake wirklich nötig? Es gibt einige Filme, denen durch eine Neuauflage neues Leben eingehaucht wurde. Eine Paradebeispiel ist Alexandre Ajas The Hills Have Eyes, die filmische Frischzellenkur von Wes Cravens Hügel der blutigen Augen. Ein weiteres Beispiel jüngeren Datums gibt Mirrors (ebenfalls von Aja), das schwungvolle Remake des etwas lahmen koreanischen Mystery-Horrors Into The Mirror. Im Fall von „Quarantäne“ fällt es da schon deutlich schwerer, eine andere Daseinsberechtigung als bloße Geldmacherei auszumachen. Der Vorläufer Rec, der auf zahlreichen Festivals immerhin 15 Preise einheimsen konnte, ist keiner dieser zahllosen Zombiefilme, die ohne eigene Ideen lediglich das Genrerepertoire abspulen. Einige ungewöhnliche Einfälle wie die Begrenzung der Geschichte auf ein Mietshaus und die konsequente Nutzung der Handkameraperspektive ließen bei Jaume Balaguerós und Paco Plazas originellen Film am ehesten Vergleiche zu Blair Witch Project, Dawn Of The Dead und Diary Of The Dead aufkommen.

    „Quarantäne“ orientiert sich bis auf wenige Details akribisch am Original und teilt somit auch dessen Probleme, etwa was die Glaubwürdigkeit der Story betrifft. Allerdings sind beide Filme so spannend, dass der Zuschauer wenig Gelegenheit hat, sich über die Konsistenz der Geschichte Gedanken zu machen: Eine kurze Exposition in der Feuerwache dient dazu, dem Zuschauer einige der wichtigsten Figuren vorzustellen und ihn mit der Grundprämisse des Films vertraut zu machen. Denn in „Quarantäne“ sieht das Publikum ausschließlich, was Scott mit seiner Kamera aufnimmt. Die anfangs eher ruhigen Einstellungen werden, sobald der Horror beginnt, nach und nach von wackligen, teils unscharfen Aufnahmen abgelöst, durch die der Zuschauer in das Geschehen hineingezogen wird. Die Atmosphäre im versiegelten Haus ist gleich bedrohlich, später sogar atemlos bis ultimativ panisch. Ab dem Eintreffen von Feuerwehr, Fernsehteam und Cops am Ort des Geschehens gibt es für das Publikum keine Atempause mehr. Nach dem ersten Zwischenfall greift die Ausbreitung des Zombie-Virus schnell um sich, bis in dem Haus die wilde Raserei ausbricht und die Protagonisten nirgendwo mehr sicher sind. Die Infizierten legen - anders als bei den Romero-Klassikern - ein hohes Tempo vor, das am ehesten mit den Zombies in 28 Days Later vergleichbar ist. Mindestens genauso bedrohlich wie der Virus im Haus wirkt die äußere Bedrohung durch die Seuchenschutzbehörde. Die hat das komplette Anwesen versiegelt und überall Scharfschützen positioniert. Soweit so gut.

    Oder auch nicht. Denn die Ideen, die bei „[Rec]“ noch frischen Wind bedeuteten, wirken im zweiten Aufguss doch etwas fad. Für alle, die das spanische Original kennen, bietet das Remake nicht die kleinste Überraschung. Die Macher hatten offensichtlich nichts im Sinn, als den amerikanischen Markt zu bedienen, der sich gegenüber ausländischen Filmen ja als sehr resistent erwiesen hat, weshalb „[Rec]“ bisher in den USA auch noch nicht im Kino zu sehen war. Der künstlerische Mehrwert von „Quarantäne“ geht jedenfalls gegen Null. Es ist nicht einmal so, dass Dowdles etwaige Schwächen der spanischen Version ausbügelt. Einiges ist sogar deutlich schlechter gelungen. Die vermeintlich „authentische“ Handkamera zum Beispiel. Wie schon bei Cloverfield hat man auch hier das Gefühl, dass jemand versucht, den Eindruck von Echtheit dadurch zu erzeugen, dass er es möglichst heftig wackeln lässt und ständig zoomt. Nur an einer einzigen Stelle hat „Quarantäne“ in Sachen Authentizität die Nase vorn. Im Original werden zum Schluss in der Dachkammer Hinweise auf den Ursprung der Seuche gefunden. Das riecht nach einer filmischen Pointe, die zu dem realistischen Szenario nicht so gut passt. In der amerikanischen Fassung huscht die Kamera nur kurz und unfokussiert über die entsprechenden Zeitungsausschnitte, so dass der Zuschauer hier mehr im Unklaren über die Hintergründe der Geschehnisse belassen wird. Überzeugend in Original und Remake sind die Darsteller, wobei in der Neuauflage vor allem die Leistung von Jennifer Carpenter („serie,6“, Der Exorzismus von Emily Rose) hervorzuheben ist.

    Fazit: Dieses Remake war nicht wirklich nötig. Im direkten Vergleich zieht „Quarantäne“ den Kürzeren, gerade weil er einfach zu schamlos kopiert und keine eigene Ideen beisteuert. Zwar sind die Effekte besser und der Film macht insgesamt den professionelleren Eindruck, dafür wirkt „[Rec]“ schmutziger, intensiver – und echter. Trotzdem macht das aus „Quarantäne“ noch keinen schlechten Film. Er ist extrem, geradlinig, effektiv und damit zumindest für alle von Interesse, die das Original noch nicht kennen.

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