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    Rosas Höllenfahrt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Rosas Höllenfahrt
    Von Christoph Petersen

    Viele der erfolgreichsten Dokumentationen der vergangenen Jahre waren Filme, die sich gegen etwas richteten: George W. Bush ist scheiße (Fahrenheit 911), das Gesundheitssystem ist scheiße (Sicko), die Banker sind scheiße (Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte), Michael Moore ist scheiße (Manufacturing Dissent) und Religion ist sowieso oberscheiße (Religulous). Und nun kommt der Berliner Filmemacher Rosa von Praunheim - pünktlich zu Halloween - mit einer Dokumentation über die Mythologie der Hölle daher. Da erwartet man doch geradezu, dass der bekannteste Streiter der deutschen Schwulenbewegung, der früher keine Möglichkeit zur Provokation ausgelassen hat, die rückständige katholische Kirche mal so richtig schön in die Pfanne haut. Doch die späte Rache bleibt aus. Stattdessen setzt der Regisseur seinen mit Meine Mütter - Spurensuche in Riga eingeschlagenen, sehr persönlichen Pfad mit „Rosas Höllenfahrt“ konsequent fort.

    Wie sieht es in der Hölle eigentlich aus? Welche Qualen gilt es dort zu ertragen? Und wie kommt man überhaupt in die Hölle? Diesen Fragen nähert sich Rosa von Praunheim (Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt) aus den verschiedensten Perspektiven. Er spricht mit einem Beichtvater und Ralf Miggelbrink, dem Autor des Buchs „Der zornige Gott“, in dem dieser das Bild des gewalttätigen, wutschnaubenden Gottes hinterfragt. In Israel erfährt Praunheim, dass es bei den Juden zwar eine besonders grausame Hölle gibt, dass man aber auch nur für maximal ein Jahr in dieser landen kann. Beim Katholikentag wird einem küssenden homosexuellen Pärchen zwar mit der Polizei gedroht, doch es passiert auch Amüsantes, wenn zum Beispiel ein Priester der Church of Elvis mit seiner Gitarre nach mehr Ökumene verlangt. Mit Fachleuten werden die Höllendarstellungen in Dantes Göttlicher Komödie und den Gemälden von Hieronymus Bosch diskutiert. Und die legendäre Kirchenkritikerin Uta Ranke-Heinemann räumt zum Abschluss mit den traditionellen Höllendarstellungen noch einmal ordentlich auf...

    Wenn ein Filmemacher wie Michael Moore (Bowling For Columbine) oder ein Comedian wie Bill Maher („Religulous“) sich selbst ins Zentrum einer Dokumentation rückt, dann entsteht schnell der Eindruck eitler Selbstdarstellung. Doch obwohl auch Rosa von Praunheim im Mittelpunkt seines eigenen Films steht, schließlich fungiert sein persönliches Interesse als Triebfeder, wäre dieser Vorwurf hier fehl am Platz. Denn auch wenn ihm die katholische Kirche dem einst gläubigen Christen seit seinem Outing erzählt, dass er aufgrund seiner Sexualität in die Hölle komme, begegnet er seinen Gegenübern in den allermeisten Szenen unvoreingenommen. Anders als Bill Maher, der fundamentalistisch eingestellte Christen wie Zirkustiere zur allgemeinen Belustigung vorführt, will Praunheim tatsächlich wissen, was seine Gesprächspartner zu sagen haben. Es ist dieses keinesfalls geheuchelte, sondern ehrlich empfundene Interesse, das den Begeisterungsfunken auch auf den Zuschauer überspringen lässt.

    Fazit: „Rosas Höllenfahrt“ ist eine ungewöhnlich persönliche Dokumentation, die zugleich fasziniert und bewegt. Keine platte Abrechnung, sondern ein ehrlich interessierter Blick auf ein facettenreiches Thema.

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