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    Haze
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Haze
    Von Björn Becher

    Unbestritten ist Shinya Tsukamoto (Vital, Tokyo Fist) ein großer Inszenator. Ein Mann, der es versteht, Kamera, Schnitt und Musik so in Szene zu setzen, dass optisch große Kunst herauskommt. Doch oftmals stellt er diese Fähigkeiten, welche ihm in Europa, vor allem in Deutschland, den Niederlanden, Italien und Großbritannien, eine treue Fangemeinde und regelmäßige Vorführungen seiner Filme bei einschlägigen Festivals einbringen, über seine Geschichte und ergötzt sich an seinen Bildern, pseudo-philosophischen Aussagen und Selbstdarstellung. So weist dieser talentierte Regisseur bisher nur ein – auch wenn dies seine treuen Fans sicher anders sehen – Meisterwerk in seiner Filmographie auf: „A Snake Of June“. Für „Haze“ sind allerdings die Vorraussetzungen bestens, sollte es doch nur um eines gehen: das Erzeugen von klaustrophobischen Horrorzuständen beim Zuschauer und dafür ist ein Mann wie Tsukamoto genau der Richtige. Doch der vermasselt es leider mal wieder.

    Dabei fängt alles so gut an. Ein Mann (Shinya Tsukamoto mal wieder selbst in der Hauptrolle) wacht in einem Betonlabyrinth auf. Um ihn herum nur Beton und Stahl, letzterer schneidet sich in sein Fleisch. Er ist verletzt, Stacheldraht wird sich ihm gleich in die Hände bohren und das Schlimmste ist: Er hat keine Ahnung, wo er sich befindet und was passiert ist. Hat ein Krieg die Oberfläche zerstört, ist er in die Hände eines psychopathischen Killers à la Saw gefallen oder ist er Teil eines verrückten Spiels (siehe David Finchers The Game)? Langsam tastet er sich vorwärts, muss plötzlich mit ansehen, wie in einen Nebenraum andere Menschen zerstückelt werden und findet dann inmitten von Leichenteilen eine Frau (Kahori Fujii, Tokyo Fist), die genauso ahnungslos wie er ist. Gemeinsam suchen sie nach einem Ausweg.

    In den ersten Minuten geht die Rechnung „Tsukamoto plus Ausgangsituation gleich Psychohorror pur“ vollkommen auf. Die Dunkelheit der Umgebung, in welcher sich nicht nur der Protagonist, sondern auch die Zuschauer zurechtfinden müssen, schafft die nötige Atmosphäre. Überall ist lebensgefährliches Metall, überall könnte sich sonstwas verbergen. Dazu werden gleich nicht nur psychische, sondern auch physische Schockmomente gesetzt. Wenn der Mann sich mit seinem Gebiss über ein paar Minuten entlang an einer rostigen Metallstange herausziehen muss und dabei von einem Furcht erregenden Quietschen begleitet wird, fühlt man förmlich mit. Nicht nur eine intensive nervliche Belastung, sondern auch Schmerzen für die eigenen Zähne. Doch just ab diesen Moment verfällt der Film in einen langweiligen Trott, der es nur noch selten schafft zu fesseln.

    Kurzzeitiger Anlass für Schockmomente wie die Beobachtung der Zerstückelung von anderen „Gefangenen“ und das Zusammentreffen mit der Frau verpuffen in dem mit digitaler Wackelkamera gefilmten Durchkriechen von Gängen. Der Versuch, ähnliche Horrorwirkung wie zu Beginn mit dem Durchwaten eines Meers aus Blut, Leichenteilen und ein wenig Wasser zu wiederholen, schlägt fehl. Zu mau fällt dies aus gegen den Schockmoment am Anfang. So macht sich trotz der guten Ausgangssituation schnell Langeweile breit.

    Zudem wird nach und nach klar, dass das Setting gar nicht für einen spannenden Thriller genutzt werden soll. Stattdessen wird der Film immer mehr zu einer Parabel über Liebe und Leiden. Die Suche nach einem Ausweg aus dem Betonlabyrinth wird zum Symbol für die Suche nach einem Ausweg aus dem alten verkorksten Leben. Körperliche Deformationen, Liebe, Befreiung, es wirkt fast so, als würde der Regisseur in der guten dreiviertel Stunde Spielzeit von „Haze“ schnell mal noch alle seine Standardthemen abklappern (nur das Stadtmotiv und der Ausbruch aus der Gleichförmigkeit dieser fehlt). Vorgetragen wird das mit ein paar schwachen Dialogen und einem Finale, dass nur ein müdes Lächeln wert ist. Gemeinsam mit den hier leider offensichtlich limitierten schauspielerischen Fähigkeiten des Filmemachers (gerade im Vergleich zu seiner Partnerin) ist dies der Todesstoß für das immer mehr langweilende Werk.

    Mit „Haze“ wollte Tsukamoto zum einen ein wenig back to the roots gehen, seinen experimentellen Stil der frühen Filme wieder aufleben lassen. Zum anderen war es sein Ziel, die Möglichkeiten der neuen Digital Video Technik auszuprobieren, sich mit dieser gegenüber dem Film deutlich günstigeren und schnelleren Methode, auf die ja immer mehr Kollegen schwören (David Lynch ist z.B. einer der größten Anhänger), vertraut zu machen. Letzteres mag ihm vielleicht gelungen sein, zu viel mehr taugt „Haze“, abgesehen von der brillanten Eröffnung, leider nicht. Vielleicht schafft es der japanische Regieexperimentalist ja mit seinem nächsten Projekt „Nightmare Detective“ endlich mal wieder, seine begnadeten Fähigkeiten auch mit einer guten Story zu verknüpfen. Der Plot klingt zumindest mal wieder viel versprechend…

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