Mein Konto
    Puzzle
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Puzzle
    Von Björn Becher

    Was ist nur los mit dem Wettbewerb der Jubiläumsberlinale? Während sich bei der Konkurrenz aus Venedig und Cannes zuletzt die großen Regisseure mit aufsehenerregenden Werken die Klinke in die Hand gaben, gibt es bei den 60. Internationalen Filmfestspielen in Berlin erstaunlich viele Beiträge, bei denen man sich die verwunderte Frage stellen kann, wie sie es in dieses Teilnehemerfeld geschafft haben. Warum zum Beispiel sind gleich mehrere Erstlingsfilme im Wettbewerb vertreten, wo es doch mit dem Panorama oder dem Forum womöglich besser geeignete Plattformen für sie gegeben hätte? „Puzzle“ von Natalia Smirnoff ist so ein Film. Die halbgare, langweilige Emanzipationsgeschichte bietet weder filmisch noch inhaltlich irgendetwas Außergewöhnliches.

    Maria del Carmen (Maria Onetto) ist Mitte Vierzig und Hausfrau. Ihr ganzes Leben hat sie sich um ihren Mann Juan (Gabriel Goity) und ihre mittlerweile flügge werdenden Söhne Juan Pablo (Felipe Villanueva) und Iván (Julian Doregger) gekümmert. Als sie zu ihrem Geburtstag ein Puzzle geschenkt bekommt, entdeckt Maria eine neue Leidenschaft. Über eine Anzeige lernt sie den vermögenden Junggesellen Roberto (Arturo Goetz) kennen, der für Turniere eine Puzzlepartnerin sucht. Immer öfter trainieren die beiden gemeinsam, was Maria ihrer Familie zunächst verheimlicht. Die ohnehin eingefahrene Beziehung zu ihrem Mann leidet zunehmend unter dieser Situation, während Roberto sich zu Maria hingezogen fühlt...

    „Puzzle“ hat genau drei Ebenen, von denen keine funktioniert. Das Puzzeln selbst ist unglaublich zäh und langweilig dargestellt. Natürlich ist eine Puzzle-Meisterschaft per se nicht unbedingt das spannendste Sportereignis für einen Zuschauer, aber was Regisseurin Smirnoff daraus macht, lässt jegliche Begeisterung für das Spiel vermissen. Da werden die Puzzleteile unendlich lang bewundert, sie werden teilweise ohne erkennbares System „geordnet“ oder es wird einfach mal eine Handvoll Teile aus dem Kasten eines riesigen Puzzles geholt, die dann wundersamerweise auch sofort zusammenpassen. Smirnoff gelingt es weder die Faszination des Puzzelns noch das besondere Talent der Protagonisten zu vermitteln. Im Gegenteil: Mit ihrer ganz eigenen, extrem langsamen Art des Spiels dürften Maria del Carmen und Roberto bei Turnieren auf Zeit normalerweise keine Chance haben.

    Auch die beiden zentralen Beziehungen des Films zwischen den Puzzlepartnern auf der einen und den Ehepartnern auf der anderen Seite sind wenig überzeugend ausgestaltet. Da werden die altbekannten Zutaten des Independent-Kinos lieblos zusammengeworfen. Das Puzzeln öffnet dem „Heimchen am Herd“ den Blick auf eine neue Welt, nämlich die des weitgereisten Roberto, der sich sogar Hausbedienstete leisten kann. Diese neue Perspektive lässt Maria natürlich ihre jetzige Beziehung in Frage stellen, die nach gut 20 Ehejahren in Routine erstarrt ist. So ist sie zwischen den beiden Männern hin- und hergerissen. Die Situation wird durch Heimlichtuerei und Lügen etwas künstlich mit zusätzlicher Spannung aufgeladen, aber das Geschehen bewegt sich immer im Rahmen der Erwartungen, wird nie interessant. Eine lahme feministisch angehauchte Selbstfindungsgeschichte, die nicht einmal konsequent zu Ende gebracht wird. Dabei hat zuletzt der außer Konkurrenz im Berliner Wettbewerb laufende amerikanische Indie The Kids Are All Right gezeigt, dass auch altbekannte Zutaten originell durchmischt und amüsant aufbereitet werden können. Diese Qualitäten fehlen „Puzzle“ völlig. Und wenn im Abspann offenbart wird, dass das Skript die „gute, alte“ Sundance-Drehbuchschule durchalufen hat, dann wirft das kein gutes Licht auf die Beteiligten.

    „Puzzle“ ist voll von Klischees und aufdringlicher Symbolik. Dermaßen platt wie hier wurden selten zwei Welten einander gegenübergestellt. In ihrem Heim steht Maria del Carmen ständig in der Küche und kocht, wobei selbst ihre Art der der Essensbereitung durch die auf engstem Raum zusammenlebende Familie in Frage gestellt wird. Da muss dann auch der Sex mit dem Ehemann als harte Arbeit und Pflichtaufgabe inszeniert werden. In Robertos weitläufigem Haus kann man sich dagegen verlieren, eine Haushälterin serviert immer wieder verschiedene Sorten frischen Tee. Und der Sex ist natürlich voller Zärtlichkeit. Zum Glück zeigt Hauptdarstellern Maria Onetto (La Mujer Sin Cabeza, Der Andere) eine eindrucksvolle Leistung in der Hauptrolle. Sie füllt ihren unentschlossenen, stillen Charakter mit Leben und es ist sie allein, die dafür sorgt, dass der Zuschauer nicht völlig das Interesse verliert. Abgesehen davon lässt sich nur noch der stimmungsvolle Soundtrack des Musikers Alejandro Franov hervorheben.

    Fazit: Das Filmemachen ist dem Puzzeln gar nicht so unähnlich. Viele Einzelteile müssen zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden. Bei einem guten Regisseur sind die Einzelteile nicht mehr ohne weiteres erkennbar, der fertige Film ist vielmehr die Summe seiner Teile und wirkt wie aus einem Guss. Natalia Smirnoff ist noch keine gute Filmemacherin. Man sieht die Konturen ihrer Einzelteile mehr als deutlich. Leider sind auch diese Teile für sich nichtssagend und das Gesamtbild ist langweilig. Oder um einen anderen Vergleich zu bemühen: „Puzzle“ ist genauso interessant, wie jemand anderem beim Puzzeln zuzuschauen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top