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    Hochzeitspolka
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Hochzeitspolka
    Von Robin Eichelsheimer

    2009 übernahm Christian Ulmen („Herr Lehmann") die Hauptrolle in Neele Vollmars Culture-Clash-Komödie „Maria, ihm schmeckt's nicht" und verkörperte in der Leinwandadaption des gleichnamigen Bestsellers von Autor Jan Weiler einen Tollpatsch, der seine italienische Freundin in deren provinzieller Heimat ehelichen möchte. Im Rahmen der Hochzeitsvorbereitungen kommt es zu allerlei Turbulenzen und es prallen die Kulturen in diesem fremden Mikrokosmos unweigerlich aufeinander. Zwei Jahre später spielt Christian Ulmen nun in Lars Jessens („Dorfpunks", „Am Tag als Bobby Ewing starb") Culture-Clash-Komödie „Hochzeitspolka" einen unbeholfenen jungen Mann, der in die polnische Provinz ausgewandert ist und dort nun seine Freundin Gosi heiraten möchte. Turbulent wird es, als seine alten Bandkollegen vor der Tür stehen und in ihrer typisch deutschen Art mit der polnischen Hochzeitsgesellschaft aneinander geraten. Klingt zum Verwechseln ähnlich? Ist es auch. Jedoch mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass sich Ulmens Charakter in „Hochzeitspolka" eigentlich vollständig im ehemals fremden Umfeld akklimatisiert hat und so lediglich als Vermittler zwischen den Kulturen auftritt. Dadurch bleibt einiges an komödiantischem Potenzial auf der Strecke und auch sonst versprüht der Film im Vergleich zu dem in vielen Belangen überlegenen „Maria ihm schmeckt's nicht" nur wenig Charme.

    Im hohen Norden scheint kein Saal sicher zu sein vor der erfolgreichen Rock-Cover-Band Heide Hurricane. Doch eines Tages eröffnet Gitarrist Jonas (Fabian Hinrichs) dem Leadsänger Frieder (Christian Ulmen) vor einem Zusatzkonzert, dass er von seinem Vater ein Jobangebot als Geschäftsführer einer deutschen Zweigstelle mitten in der polnischen Provinz bekommen hat – eigener Geschäftswagen inbegriffen. Frieder verschlägt es die Sprache. Ist das das Ende der Band? Doch noch ehe sich die beiden über diese Frage streiten können, offenbart Jonas, dass er auf so einen Spießer-Scheiß mal gar keinen Bock hat. „Einmal Rock'n'Roll, immer Rock'n'Roll." Schnitt. Drei Jahre später. Ein dicker Geschäftswagen kurvt durch die Einöde eines polnischen Dorfes. Doch am Steuer sitzt nicht Jonas, sondern Frieder, der sich das Jobangebot seines mittlerweile ehemaligen Band-Kollegen Jonas unter den Nagel gerissen und die wilde Rocker-Zeit längst hinter sich gelassen hat. Und auch privat scheint alles im Lot. Neben dem eigenen (Rohbau-)Häuschen hat er in der hübschen Polin Gosia (Katarzyna Maciag) auch eine zauberhafte Verlobte gefunden, die Hochzeit soll schon in 24 Stunden steigen. Doch dann stehen ganz plötzlich die einstigen Band-Kumpels Jonas, Paul (Lucas Gregorowicz), Knack (Jens Münchow) und Manni (Waldemar Kobus) vor der Tür, um einen feucht-fröhlichen Junggesellenabschied zu feiern und die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. Doch die Zeiten haben sich geändert und Klischees und Missverständnisse sorgen nicht nur für Trubel zwischen den Freunden und dem künftigen Ehepaar, sondern auch zwischen polnischen und deutschen Hochzeitsgästen...

    Griechen sind faul, Russen trinken gerne einen über den Durst, Polen klauen Autos, Türken riechen nach Knoblauch und wir Deutschen haben keinen Humor. Es gibt kein Klischee, das es nicht gibt, und es gibt keine Nation, die davor verschont bleibt. In der Komödie „Hochzeitspolka" werfen die Autoren Ingo Haeb, Przemyslaw Nowakowski und Co-Autor Lars Jessen mit gefühlt jedem Klischee um sich, das es zu Deutschen und Polen aufzuschnappen gibt. Das ist im Rahmen einer Culture-Clash-Erzählung natürlich legitim, aber lustig wird es meist erst dann, wenn die stereotypisierte Rollenbilder ad absurdum geführt, gebrochen oder ins Unermessliche übertrieben werden. „Hochzeitspolka" macht nichts von alledem. In den meisten Fällen werden die vorherrschenden Klischees schlichtweg bestätigt. Ironische Szenen wie jene, in der die deutsche Delegation nach einem handfesten Streit vor der wütenden Hochzeitsgesellschaft flieht, indem sie einen polnischen Wagen stiehlt, gibt es leider viel zu selten.

    Auch bei der Figurenzeichnung lässt das Autorenteam fast ausnahmslos komödiantische Überhöhungen aus, lediglich der bei der Polizeiwache angestellte amerikanische Ureinwohner Rich (Tim Sikyea) hebt sich mit seiner Extravaganz und scheinbarer Allwissenheit vom Rest des Personals ab. Dazu gibt es eine interessante Anekdote. Wer sich wundert, was ein Indianer bei der polnischen Grenzpolizei verloren haben soll, den wird es noch mehr wundern, wenn er erfährt, dass die Figur des Rich durchaus reelle Vorbilder hat. So schulten im Jahr 2004 mehrere Indianer von den Stämmen der Sioux, Navajo und Tohono – alle Beamte der US-Zollbehörde – polnische Grenzschützer im Fährtenlesen. Sie haben ihnen beigebracht, wie man an umgeknickten Grashalmen und abgebrochen Ästen Eindringlinge erkennen kann. Dies sollte die Aufdeckungsrate illegaler Grenzübertritte von Schlepperbanden und Drogenhändlern verbessern. Zwar sorgt die Figur des Rich im ersten Moment für leichtes Schmunzeln, aber im Angesicht seiner Funktion als Schlichter zwischen den Deutschen und Polen verpufft dieser Effekt allzu schnell. Am Ende ärgert man sich gar, dass es den beiden Kulturen scheinbar nur mithilfe des weisen Amerikaners gelingen kann, ihre Differenzen beizulegen.

    Im direkten Vergleich zu seinem filmischen Nachbar „Maria ihm schmeckt's nicht" wird das größte Problem von „Hochzeitspolka" offensichtlich, denn Frieder bleibt hier meist nichts anderes übrig, als auf die Eskapaden seiner Kumpels zu reagieren. Zwar gelingt es Ulmen, durch seine natürliche und sympathische Art selbst in dieser zur Passivität verdammten Rolle zu punkten, doch wesentlich lieber hätte man ihm dabei zugeschaut, wie seine Figur selbst mit der fremden Kultur aneinander gerät. Das rührt daher, dass Jessen und seine Autoren im Kern überhaupt keine Culture-Clash-Geschichte, sondern in Wahrheit eine Geschichte über das Erwachsenwerden erzählen wollen, was die Filmemacher selbst aber leider konsequent ignorieren. Offensichtlich hatten sie nicht genug Vertrauen in die eigene Erzählung über einen Mann, der die wilde Vergangenheit ruhen lassen und nun mit der Familie und dem Job den neuen Lebensabschnitt einläuten möchte. Anders ist das auferlegte, nur selten zündende Klischeefeuerwerk nicht zu erklären.

    Auch in den vermeintlich ernsteren Passagen des Films mag sich nie so recht ein Gefühl von Authentizität einstellen, denn man kauft Jessen die einstige Freundschaft seiner männlichen Truppe zu keinem Zeitpunkt im Film ab. Die einzige Szene, in der die Zeit von früher dargestellt wird, ist jene oben erwähnte, in der sich Frieder und Jonas über dessen Jobangebot unterhalten. Eine Szene, in der die fünf Bandmitglieder gemeinsam abrocken, eine gute Zeit haben und beweisen, dass sie mehr als Kollegen sind, sucht man hingegen vergeblich. Diese Gegebenheit macht das Mitfiebern mit den Figuren im Grunde unmöglich und sorgt dafür, dass man dem dahinplätschernden Geschehen unberührt zuschaut, auch wenn Christian Ulmen in einigen Szenen gerade zu Beginn beweist, dass eigentlich ein wirklich guter Schauspieler in ihm steckt.

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