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    Schwarzer Ozean
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Schwarzer Ozean
    Von Sophie Charlotte Rieger

    Friedlich, ja paradiesisch gar - so erscheint das glitzernde Weltmeer im Film von Marion Hänsel und erstrahlt, ganz anders als der Titel „Schwarzer Ozean" dies andeutet, in einladenden Blautönen. Dieser Widerspruch ist auch in diesem fast schon experimentell daherkommenden Drama selbst präsent, in dem unter einer ruhigen Oberfläche Ängste und Aggressionen schlummern. Vor traumhafter Pazifik-Kulisse erzählt Hänsel auf ganz eigene Weise von einer Gruppe junger Marine-Soldaten, die mit tiefer Verstörung auf die französischen Atomtests im Inselparadies des Mururoa-Atolls reagieren. Mit einer enormen Ruhe und sanften Bildkompositionen verweist die Regisseurin mehrdeutig auf all die Dinge, die in „Schwarzer Ozean" ungesagt, jedoch nicht ungezeigt bleiben. Sie setzt ganz auf die ureigene Sprache des Kinos – Gefallen wird daran vor allem ein geduldiges Publikum finden, das Spaß daran hat, Bilder nicht nur zu betrachten, sondern auch wie Texte zu lesen. Und das lohnt sich, denn Hänsels Aufnahmen sind betrachtens- und lesenswert.

    1972 im Pazifik: Massina (Nicolas Robin) ist wie seine Kameraden auf einem französischen Marineschiff mit seinen knapp 20 Jahren mehr ein Junge als ein Mann. Sein ruhiges Temperament führt zum Rückzug von den zuweilen streitsüchtigen anderen Matrosen, die sich ihre Freizeit mit Schlägereien und wilden Partys vertreiben. Massina zieht die Gesellschaft seines Hundes und des ebenfalls nachdenklich gestimmten Moriarty (Adrien Jolivet) vor. Dieser ist es auch, der als einziger das Ausmaß der im Mururoa-Atoll durchgeführten Atomtests begreift. Seinem Schrecken und den dadurch ausgelösten Zweifeln an der gemeinsamen Mission kann er jedoch kaum Ausdruck verleihen und auch Massina ist nicht in der Lage, den Schmerz seines besten Freundes aufzufangen...

    Marion Hänsel („Als der Wind den Sand berührte") zeichnet ein Bild der Ruhe und Entspannung: Die Sonne glitzert auf den Meereswogen, die Welt erstrahlt in pastellenen Blautönen – das Meer, das Schiff, die Matrosen. Lange Einstellungen und eine minimalistische Handlung verlangsamen das Erzähltempo und lassen „Schwarzer Ozean" gelegentlich wie eine gemächliche Folge absichtsloser Momentaufnahmen wirken. Die Zeit scheint stillzustehen. Doch die Ruhe ist nur scheinbar. Denn wie die Matrosen auf der Leinwand und wir mit ihnen wissen, befinden sich die jungen Männer auf einer gefährlichen Mission, deren Konsequenzen sie nicht im Geringsten abschätzen können. Es dauert eine Weile, bis der Kontrast zwischen den beruhigenden Bildern und der immensen Gewalt der Mission zu Tage tritt, Marion Hänsel verlangt ihrem Publikum eine große Portion Durchhaltevermögen ab.

    Die stete Erwartung einer Katastrophe wird immer wieder enttäuscht. Dabei haben die Bilder hier längst den Platz eingenommen, der in konventioneller erzählten Filmen dem Dialog zugeschrieben ist. Was Moriarty nicht offen in Worten artikulieren kann, spiegelt sich eindrücklich in seinem Gesicht wider. Und auch in Massinas kindlichen Zügen zeigt sich die Naivität der jungen Soldaten, die ihrer Aufgabe keineswegs gewachsen sind. Die Ereignislosigkeit, in der Hänsel ihre Figuren umherirren lässt, wirkt zunehmend bedrohlich und immer stärker werden auch die Gefühle von Isolation und Unsicherheit spürbar, denen die Protagonisten ausgesetzt sind. Ebenso wie das Publikum sind auch sie ratlos in Anbetracht ihrer Situation – jeder wartet darauf, dass endlich etwas geschehen möge und ist doch voller Furcht.

    Fazit: In „Schwarzer Ozean" mehr als hübsche, aber ermüdende Aufnahmen des Pazifiks zu sehen, erfordert Geduld und Lust an der Herausforderung jedes einzelnen Bilds. Wer sich aber auf Marion Hänsels gedehntes Erzähltempo einlässt, wird mit einer zum Schneiden dichten Atmosphäre belohnt, wie sie mit großen Worten und schnellen Schnitten kaum zu vermitteln wäre.

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