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    The Bay - Nach Angst kommt Panik
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Bay - Nach Angst kommt Panik
    Von Robert Cherkowski

    Found Footage und kein Ende. Seit dem Überraschungserfolg des „Blair Witch Project" wurde das Konzept der verwackelten, vermeintlich authentischen Bilder immer wieder benutzt und selbst im Bereich des Fantasy-Films („Chronicle - Wozu bist du fähig?") oder der Komödie („Project X") erfolgreich angewendet. Das Verfahren ist eben nicht an bestimmte Genres gebunden, sondern reflektiert – zumindest wenn es intelligent angewendet wird – die Allgegenwart von Überwachungskameras und das zunehmende Bedürfnis, den persönlichen Alltag auf Film zu bannen. So ist auch „The Bay" von Oscar-Preisträger Barry Levinson („Rain Man", „Bugsy") zwar in erster Linie ein kleiner, für wenig Geld gedrehter Schocker, doch erzählt wird auch von der modernen Medienlandschaft sowie dem veränderten Verhältnis zur Realitätsabbildung. Fast kann man hier von einem „Found-Footage-Thesenfilm" sprechen.

    Der kleine neuenglische Küstenort Chesapeake Bay lebt vor allem vom Tourismus, der sich rund um Strand und Schiffstouren abspielt. Da stört es die lokalen Verantwortlichen sehr, als sich in den Gewässern mehrere Todesfälle ereignen. Die Ermittlungen deuten auf eine mysteriöse Seuche hin, die immer mehr Bewohner erst um ihre Gesundheit, dann um den Verstand und schließlich um ihr Leben bringt. Während die einheimische Journalistin Stephanie (Kristen Connolly) versucht, dem Geschehen auf den Grund zu gehen, bemühen sich die Autoritäten, die tödlichen Vorkommnisse herunterzuspielen. Das gestaltet sich allerdings zunehmend schwierig, denn die fatalen Zwischenfälle häufen sich. Schließlich trägt Stephanie Aufnahmen von Überwachungskameras, Polizeivideos und Handys zusammen, um sie zu einem Bild der Ereignisse zusammenzufügen...

    Barry Levinsons beste Filme wie „American Diner" oder „Rain Man" überzeugten stets durch ihre Geschichte und ihre Schauspieler, waren aber vom erzählerischen oder formalen Konzept her selten innovativ. Selbst wenn es um Medien-Machenschaften ging wie in „Wag the Dog" machte Levinson keine Experimente. So ist das Found-Footage-Genre, das sehr stark von seiner konzeptuellen Prämisse lebt, für den Regisseur echtes Neuland, aber in Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Michael Wallach und Horror-Produzenten-Ass Jason Blum („Paranormal Activity") macht er aus „The Bay" einen der besseren Filme seiner Art. Das liegt wiederum weniger am Stoff selbst, als vielmehr am cleveren Spiel mit dem Medium Film selbst.

    Mittlerweile gehört es für viele Menschen zur nicht weiter erwähnenswerten Normalität, alles und jeden zu filmen und jede Alltäglichkeit zum medialen Ereignis zu machen. Bei dieser gleichermaßen exhibitionistischen wie voyeuristischen Lust am Zeigen, Sehen und Gesehenwerden setzen die Macher von „The Bay" an. Wie es schon Brian De Palma in „Redacted" vormachte, nutzen sie nicht nur ein Quellmedium (wie es beim „Blair Witch Project" und den meisten Nachfolgern der Fall war), sondern montieren aus den Bildern diverser moderner Aufnahmemedien wie Handys, iPads oder Überwachungskameras eine Art Pseudodoku. Seien es „Skype"-Gespräche von lokalen Ärzten, die sich ratlos an die nationale Epidemie-Zentrale wenden, Fernsehaufnahmen regionaler Sender oder Interview-Material – Levinson lässt zahlreiche unterschiedliche Bilder kompakt zusammenfließen und erzeugt einen kaleidoskopartigen Blick auf die sich anbahnende Virus-Epidemie.

    Da die Erzählung so nicht mehr nur auf die Perspektive einer einzelnen Kamera reduziert ist, lässt sich auch eine recht konventionelle Horrordramaturgie entwickeln, die in vielerlei Hinsicht an Klassiker des Katastrophen- und Tier-Horrors erinnert. Besonders „Der weiße Hai" war augenscheinliches Vorbild, wenn der Bürgermeister die offensichtliche Gefahr zugunsten des Tourismus leugnet. Das ist nicht gerade originell, aber „The Bay" ist in vielerlei Hinsicht sowieso eher ein Thesenfilm als ein Schocker anfühlt: Die Ideen sind hier wichtiger als die Thrills. Dennoch funktioniert die schockartige Zuspitzung im Schlussakt ordentlich, auch wenn ein wenig mehr Feinarbeit nicht geschadet hätte.

    Wie so oft beim Found-Footage-Film sind auch in „The Bay" die nicht überzeugenden Darbietungen der Darsteller ein Manko. Die im Genre geforderte Natürlichkeit (es darf nie der Eindruck aufkommen, dass jemand spielt) ist schwer zu erreichen und Levinsons Schauspielerriege ist nicht die erste, die an dieser Anforderung scheitert. Allzu bemüht und gestelzt wirken viele der Auftritte, ein Eindruck von Authentizität kann so nicht entstehen. Was bleibt ist ein nicht auf ganzer Linie überzeugender, aber smarter, ideenreich inszenierter und beizeiten gewitzter Neuzugang im Found-Footage-Genre.

    Fazit: Barry Levinson spielt in seinem Found-Footage-Film „The Bay" durchaus originell mit den Gesetzen des Genres, durch die oft hölzern wirkenden schauspielerischen Darbietungen wird seine Wirkung allerdings geschmälert.

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