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    Das Leben gehört uns
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Das Leben gehört uns
    Von Lars-Christian Daniels

    63 Länder bewerben sich 2012 um den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film. Während sich der deutsche Filmemacher Wim Wenders mit seiner Tanz-Doku „Pina" Hoffnung auf die begehrte Auszeichnung machen darf, schicken unsere französischen Nachbarn Valérie Donzellis in Cannes uraufgeführtes Drama „Das Leben gehört uns" ins Rennen. Ob Frankreichs Chancen auf die prestigeträchtige Trophäe aussichtsreich sind? Da darf man getrost Zweifel anmelden. Donzelli, die mit ihrem Leinwand- und Lebenspartner Jérémie Elkaïm das autobiografisch geprägte Drehbuch schrieb und zugleich die weibliche Hauptfigur spielt, inszeniert ihre Geschichte um ein junges Pärchen und die schwere Erkrankung des ersten Sohnes zwar engagiert und kreativ. Der schwierige Balanceakt zwischen tragikomischer Romanze, heiterer Wohlfühl-Komödie und modernem Doku-Drama gelingt ihr allerdings nur selten.

    Als sich Roméo (Jérémie Elkaïm) und Juliette (Valérie Donzelli) kennenlernen, ist es gleich die ganz große Liebe – wie bei William Shakespeare eben. Die Geburt ihres Sohnes Adam (als Kleinkind: César Desseix, als Achtjähriger: Gabriel Elkaïm) lässt nicht lange auf sich warten. Roméo und Juliette sind überglücklich. Als das Baby aber auch nach drei Monaten noch rund um die Uhr schreit und die jungen Eltern um ihren nächtlichen Schlaf bringt, keimen Zweifel in Juliette auf: Stimmt vielleicht etwas nicht mit dem Jungen? Erste medizinische Untersuchungen bringen kein Ergebnis. Daher begeben sich die besorgten Eltern zu einer Spezialistin, die schließlich eine erschütternde Diagnose stellt. In Adams Kopf wächst ein Gehirntumor, der schnellstmöglich operativ entfernt werden muss. Finanziell gebeutelt, mit den Nerven am Ende und an der gemeinsamen Zukunft zweifelnd, begleiten Roméo und Juliette ihren Sohn bei seinem Kampf ums Überleben...

    „Das Leben gehört uns" lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Donzellis Film ist zu ernst, um einen zum Lachen zu bringen, aber auch zu heiter, um an die Nieren zu gehen. Die Handlung um den aggressiven Hirntumor eines Familienmitglieds mag vordergründig zwar an Andreas Dresens intensives, semidokumentarisches Drama „Halt auf freier Strecke" erinnern, fühlt sich bei Donzelli und Elkaïm aber doch ganz anders an: Im Gegensatz zum deutschen Regisseur rauben die französischen Filmemacher der tragischen Geschichte um den schwerkranken Adam eine gehörige Portion ihrer Durchschlagskraft, weil sie den Überlebenskampf des Kleinkindes immer wieder durch Sequenzen in hipper Videoclip-Ästhetik oder kitschige Gesangseinlagen unterbrechen. Während Roméo und Juliette im einen Moment noch melancholisch vor sich hin trällern, sprinten sie schon in der nächsten Szene zu peitschenden Elektro-Beats über verwaiste Krankenhausflure – das passt oft nicht zusammen.

    „Das Leben gehört uns" krankt auch an daran, dass sich das junge Pärchen fast ausschließlich über den kleinen Adam definiert. Abgesehen von einer kurzen Einleitung findet keine weitere Charakterisierung statt, was den Zugang zu Donzellis Figuren erheblich erschwert. Steht das kranke Kleinkind einmal nicht im Mittelpunkt, wirkt der Film zerfahren und ziellos. Die jungen Eltern betäuben ihre Ängste mit Partys und Alkohol und verlieren sich in emotionalen Wortgefechten um den richtigen Umgang mit Adam. Da wirkt es dann auch reichlich schräg, wenn der Erzähler auf der Zielgeraden des Films fast beiläufig erklärt, wie sich die offenbar schon immer auf tönernen Füßen stehende Liebe der beiden weiterentwickelt hat.

    Der Einsatz der erst männlichen, später weiblichen Erzählstimme erschließt sich stilistisch ohnehin nur bedingt: Viele Sequenzen bedürfen keiner weiteren Erklärung, weil die schüchternen Blicke des verängstigten Adam und die Sorgenfalten seiner aufgewühlten Mutter für sich sprechen. Die große Stärke des französischen Oscar-Beitrags ist das Hauptdarsteller-Duo, das die bangenden jungen Eltern jederzeit authentisch verkörpert – was angesichts des autobiografischen Drehbuchs nicht verwundert. Insbesondere in den Sequenzen, in denen das Pärchen die ersten Alarmsignale beim ungewöhnlich apathischen Kleinkind wahrnimmt und schließlich die erschütternde Diagnose verkraften muss, laufen die beiden zu großer Form auf.

    Fazit: Um mit einem intensiven Drama zu begeistern, haben Donzelli und Elkaïm ihre Figuren zu oberflächlich angelegt und zu viele irritierende Zwischensequenzen eingestreut.

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