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    Fliegende Fische müssen ins Meer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Fliegende Fische müssen ins Meer
    Von Robert Cherkowski

    Alleinstehenden Mutterfiguren, die mit den Pflichten und der Verantwortung der Kindeserziehung überfordert sind, begegnen einem im deutschsprachigen Film immer wieder. Zu lachen gibt es dabei wenig. Schon gar nicht, wenn sich zu allem Überfluss auch noch das Jugendamt in das familiäre Chaos einmischt. Aus dieser brisanten Konstellation heraus erzielt so manches Sozialdrama seine niederschmetternde Wirkung. Man erinnere sich nur an Herrmann Zschoches „Bürgschaft für ein Jahr", in dem Katrin Saß als Ost-Berliner Single-Mama ein Jahr Zeit hat, ihr unstetes Leben mit drei Problemkindern in den Griff zu bekommen, oder das 2011er Drama „Abgebrannt", in dem Maryam Zaree („Shahada") obendrein noch mit sozialem Abstieg und ihrem gewalttätigen Ex-Mann zu kämpfen hat. Wie diese Beispiele zeigen, schlägt der deutsche Film gerne ernstere Töne an. Im Kontrast dazu bewies der Amerikaner Richard Benjamin mit „Meerjungfrauen küssen besser" bereits Anfang der Neunziger, dass strapazierte Mütter auch der Stoff für gute Komödien sein können. Güzin Kars deutsch-schweizerische Tragikomödie „Fliegende Fische müssen ins Meer" ist zwar kein offizielles Remake des US-Hits, dessen Einflüsse sind aber offensichtlich. Ob aber Meret Becker in ihrer Rolle als impulsive Mutter ähnlich überzeugen kann wie seinerzeit Cher?

    Für die 15-jährige Nana (Elisa Schlott) ist ihre Mutter Roberta (Meret Becker) die peinlichste Frau der Welt. Sie hält viel auf ihre Gesangskünste und gibt diese während ihrer Arbeit als Schleusenwärterin einer kleinen rheinischen Gemeinde vor zahlreichen Touristen immer wieder zum Besten. Als ob das nicht schon genug wäre, pflegt Roberta obendrein die Angewohnheit, sich immer wieder in kurzlebige Liebschaften zu stürzen. Ihre stürmischen Affären haben Nana bereits zwei kleine Geschwister und Roberta selbst nichts als Kummer beschert. Als eines ihrer nächtlichen Liebesabenteuer die Aufmerksamkeit der Polizei erregt, tritt das Jugendamt auf den Plan und droht damit, ihr das Sorgerecht für die Kinder zu entziehen, sollte es ihr nicht gelingen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Zuerst scheint Roberta auf gutem Kurs: Der örtliche Chorleiter (Hanspeter Müller) macht ihr schöne Augen und strahlt Beständigkeit aus. Als sich Nana jedoch unsterblich in Eduardo (Barnaby Metschurat), den neuen Kinderarzt des Ortes verliebt, läuft die neu gewonnene Ordnung wieder aus dem Ruder...

    Leichtfüßige Komödien über problematische Themen sind nicht unbedingt die Stärken des deutschen Films - oft bleibt es bei zaghaften Versuchen. Dieser fehlende Mut deutscher Filmemacher ist nicht zuletzt auch die symptomatische Folge einer allzu ernsten Rezeption kritischer Themen in der Öffentlichkeit. Überall lauern Bedenkenträger, die mit strafender Miene fragen, ob man über so ernste Themen überhaupt Witze machen darf. Güzin Kar gibt sich mit „Fliegende Fische müssen ins Meer" redlich Mühe, diesen Ernst zu umschiffen, indem sie ihre Geschichte aus der entrückten Perspektive der jungen Nana erzählt. Deren ganz eigener, etwas verquerer Blick verleiht der Problematik die nötige Leichtigkeit. Kinderbuchartig kommentiert die Heranwachsende mit herzlicher Naivität den Alltag ihrer Familie und die Marotten ihrer Mutter. Durch diesen inszenatorischen Kniff vermeidet die Regisseurin die Fallstricke eines bierernsten Realismus. Wenn Nana aus dem Off mit provokanter Selbstverständlichkeit und aufgeräumter Sprache das Paarungsverhalten ihrer Mutter kommentiert, erinnert das nicht selten an vergleichbare Erzählmuster in den Komödien von Wes Anderson („Die Royal Tenenbaums", „The Darjeeling Limited"). Qualitativ hinkt dieser Vergleich jedoch, denn Güzin Kar spielt dann doch einige Klassen tiefer - eine packende Erzählung will ihr jedenfalls nicht so recht gelingen. Tatsächlich ist „Fliegende Fische..." über weite Strecken so unspektakulär fotografiert, dass er auch im Nachmittagsprogramm der Öffentlich-Rechtlichen stilistisch kaum herausstechen würde.

    Gelungen sind hingegen die Szenen, in denen Kar die Doppelmoral der Dörfler entlarvt. Aus der Empörung über Roberta spricht der Neid auf deren völlige Unbeschwertheit, die sie sich allen Unkenrufenrufen zum Trotz genehmigt. Weiterhin scheint es so, als würden es die Unschuldslämmer mit den weißesten Westen immer noch am tollsten treiben - hinter verschlossenen Türen, versteht sich! Die Performance der Darsteller hinkt diesem satirischen Witz jedoch hinterher. Meret Becker, die in ihrer Rolle eigentlich die Möglichkeit gehabt hätte, ihr komödiantisches Talent voll auszuspielen, wirkt gehemmt. Vielleicht hatte sie es einfach satt, zum x-ten Mal die schrille Schreckschraube vom Dienst zu geben. Barnaby Metschurat trifft es indes noch härter: Zwar ist der „KDD"-Darsteller sichtlich gewillt, seiner Rolle weitere Facetten abzugewinnen, mehr als ein obskures Objekt der Begierde bleibt seine Figur aber nicht. Lediglich Nana-Darstellerin Elisa Schlott kann ein Ausrufezeichen setzen. Mit viel Natürlichkeit gelingt es ihr, Interesse und Verständnis für die verzweifelte Tochter zu wecken. So ist es nicht zuletzt ihr Verdienst, dass sich „Fliegende Fische..." mit Ach und Krach über die Zielgerade rettet. Aber so sehr sie mit ihrem Spiel auch überzeugen kann, reicht ihr Auftritt alleine natürlich nicht aus, um den Film über das Mittelmaß zu hieven.

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