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    Like Someone In Love
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Like Someone In Love
    Von Robert Cherkowski

    Schon Jean-Luc Godard („Außer Atem") meinte: „Das Kino beginnt mit D.W. Griffith und endet mit Abbas Kiarostami." Das mögen große Worte sein, doch wenn der Nouvelle-Vague-Altmeister Godard sie spricht, haben sie dennoch Gewicht. Und tatsächlich wirkt die Konsequenz, mit der Kiarostami das filmische Erzählen bis aufs Skelett entblättert, wie eine Art Endpunkt, an dem auch jederzeit ein Neuanfang möglich scheint. Meist begnügt der 72-jährige Iraner sich in seinen gesprächigen Dramen damit, Menschen zusammenzuführen und aufeinander reagieren zu lassen. Wo in seinem Klassiker „Der Geschmack der Kirsche" ein Mann im Mittelpunkt stand, der im Umland von Teheran nach einem stillen Ort für seinen Selbstmord suchte und dabei immer wieder mit seltsamen Anhaltern und Zufallsbekanntschaften in Gespräche verwickelt wurde, ließ er zuletzt in „Die Liebesfälscher" eine Kunstexpertin und einen Schriftsteller aufeinandertreffen und über die (Un-)Möglichkeiten der Liebe fachsimpeln. Das war mal klug, mal melancholisch, mal komisch und mal traurig. Vor allem faszinierte dabei aber der inszenatorische Minimalismus, der den Blick für das Wesentliche schärfte. Auch bei seinem neuesten zwischen Werk „Like Someone in Love", das sich sowohl als Drama, als auch als Komödie betrachten lässt, bleibt Kiarostami diesem Stil treu.

    Irgendwo in Tokio: Eine junge Studentin (Rin Takanashi) prostituiert sich, um ihr Studium zu finanzieren. Eines Nachts wird sie zum greisen Professor Watanabe (Tadashi Okuno) geladen. Während sie am liebsten gleich zur Sache kommen würde, will der einsame Gelehrte nur ein paar schöne Stunden mit ihr verbringen, einen Wein trinken und Konversation treiben. Nach einer gemeinsamen Nacht, von der nicht klar wird, ob sie eher sexueller oder gesprächiger Natur war, fährt Watanabe sie am nächsten Tag zur Universität, wo die beiden auf den cholerischen Freund (Ryo Kase) der Studentin treffen...

    Verwechslungskomödie, Drama, Episodenfilm oder entschleunigtes Boulevard-Theater in Filmform? Selbst eine Inhaltsangabe muss schon als Interpretation gelten. Kiarostami interessiert sich nicht für eine alleserklärende Erzählweise, bei der Ursache und Wirkung psychologisch und dramaturgisch fein säuberlich durchexerziert werden. So reißt er etwa die Vorgeschichte, mithin die Motivationen seiner Figuren lediglich an, formuliert aber nichts aus. Kiarostamis Augenmerk liegt auf kleinen Gesten oder sogar auf dem Stillstand, wenn es für seine Protagonisten keine Flucht in die Zerstreuung durch Dialoge oder dringliche Ereignisse gibt. Kameramann Katsumi Yanagijima fängt das Geschehen in erlesenen und sehr aufgeräumten Tableaus ein, während ein pointierter und punktgenauer Schnitt das Ganze wunderbar gegen den Strich unserer Sehgewohnheiten bürstet: Gelegentlich wendet sich Kiarostami genau dann von den Personen ab, wenn diese das Wort ergreifen. Solche Verstöße gegen die überkommenen Regeln des filmischen Erzählens, wirken bei „Like Someone in Love" jedoch plötzlich nicht nur gekonnt, sondern sogar elegant.

    Abbas Kiarostami folgt seinem eigenen Rhythmus und nimmt sich dabei viele Pausen. Wenn die Studentin zu Beginn minutenlang schweigend in einem fahrenden Taxi gefilmt wird, während die grellen Lichter der Stadt durch die Seitenfenster scheinen und Versprechungen machen, die der Tag nicht halten kann, verströmt das eine wunderbar entrückte Traurigkeit, die durch kein Wort entzaubert wird. Wenn später viel geredet wird, sind es doch vor allem die Momente des Schweigens, in denen man die Figuren wirklich kennenlernt. Dabei geizt Kiarostami auch nicht mit gelegentlicher Situationskomik, die jedoch nie albern wirkt und manchmal so leise ausfällt, dass man sie eher erspürt als unmittelbar erlebt. Den letzten Schliff bekommt „Like Someone in Love" dabei durch die Darsteller, die den verschlossenen Figuren subtil Leben einhauchen. Rin Takanashi als studentisches Call-Girl deutet einen Bruch mit ihren Eltern an, den Tadashi Okuno als Watanabe mit einer vagen, auf jeden Fall aber traurigen Hintergrundgeschichte um seine abwesenden Töchter ergänzt. Oft reicht dabei ein Wort, ein Blick oder ein Schweigen, um viele Deutungsmöglichkeiten zu eröffnen.

    Fazit: „Like Someone in Love" ist ein klassischer Kiarostami: Wer ein Faible für minimalistische Inszenierungen und eine extrem offene, entschleunigte Erzählweise hat, der ist hier genau richtig.

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