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    Out of the Darkness
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Out of the Darkness
    Von Robert Cherkowski

    In unseren Breitengeraden zählen gut ausgestattete Krankenhäuser und bequem erreichbare Arztpraxen zum selbstverständlichen Alltagskomfort – in den zerklüfteten Gebirgslandschaften Nepals, wo die meisten Dörfer kaum über Elektrizität verfügen und der Weg in das nächste Hospital schon mal eine mehrtägige Reise bedeutet, sieht das ganz anders aus. Wer dort nicht halbwegs gesund bleibt und ordentlich zupacken kann, fällt seinen Angehörigen schnell zur Last. Aufgrund von Mangelernährung und der dünnen Höhenluft kommt es in Nepal vermehrt zur Augenerkrankung „Grauer Star" – ein ernsthaftes Problem für die Bewohner des weitläufigen Landes. Der nepalesische Arzt Dr. Sanduk Ruit, der im Zentrum von Stefano Levis Dokumentation „Out of the Darkness" steht, macht sich seit Jahren auf den Weg in die Dörfer und behandelt die Kranken vor Ort - wie ein reisender Medizinmann aus vergangenen Zeiten. Der Filmemacher verzichtet auf jede Himalaya-Exotik und trifft gerade mit seiner Konzentration aufs Wesentliche ins Schwarze.

    Aufrüttelnd ist hier vor allem, dass die Augenkrankheiten, die in den Dörfern einer Katastrophe gleichkommen, im 21. Jahrhundert eigentlich eine medizinische Lappalie darstellen und in den urbanen Ballungszentren der Welt leicht zu behandeln wären. Wenn es jedoch drei Tage dauert, um zur nächsten Straße zu kommen und von dort aus noch einmal mindestens acht Stunden Fahrt nötig sind, dann ist es für viele ein Bärendienst, den Weg zum nächsten Augenarzt in Angriff zu nehmen. Der Einsatz der wandernden Augenärzte hat also eine echte Dringlichkeit und verhindert größeres Elend in einer Gegend, die ohnehin viel von ihren Bewohnern verlangt. Auf unprätentiöse Art würdigt Levi die Dienste Ruits und seines Teams und lässt sie dabei wie unspektakuläre und menschliche „Helden" wirken. Um die Welt zu verbessern, braucht Ruit nicht viel – nur ein wenig Engagement und ein paar ortskundige Sherpas.

    Nach einer kurzen Einführung, in der Ruit und seine Helfer vorgestellt werden, setzt Levi ganz auf das Konzept des Doku-Road-Movies. Mit der Kamera auf dem Buckel begleitet er lange und beschwerliche Fußmärsche durch Landschaften fern abseits aller Modernisierungsprozesse. Immer wieder kommen Erinnerungen an die verträumten Protagonisten der Dokumentationen Werner Herzogs („Land des Schweigens und der Dunkelheit") auf, auch wenn Levi und Ruit hier sehr viel weniger mythologisch zu Werke gehen. Levi ist nicht an der Poesie des Transzendentalen interessiert; er gibt sich filmisch und inhaltlich ungleich sachlicher. Auch wenn er gelegentlich nicht umhin kommt, die Schönheit der Landschaften mit der Kamera zu würdigen, wird doch auch kein Hehl daraus gemacht, wie beschwerlich und beizeiten elend das Leben hier ist und welch große Erleichterung Ruit den Dorfbewohnern bereitet.

    So wird gelegentlich per Schärferegulierung die Sicht eines Sehbehinderten simuliert – da fällt es nicht schwer zu glauben, dass man mit eingeschränkter Sehstärke auf den zerklüfteten Pfaden sehr schnell arbeitsunfähig und/oder zum Pflegefall wird. Wenn gegen Ende des Films einer greisen Patientin die Verbände vom Gesicht genommen werden und sie nach Jahren im Nebel wieder ihre Umwelt wahrnehmen kann und das Dorf um sie herum prompt eine kleine Feier vom Zaun bricht, lässt sich auch Levi bereitwillig vom Pathos der Situation mitreißen. Weil diese kleinen Höhepunkte aber so behutsam und wohldosiert präsentiert werden, umschifft der Regisseur auch in den besonders herzlichen Momenten sicher alle Kitsch-Klippen.

    Fazit: „Out of the Darkness" mag ein sehr überschaubares Zielpublikum haben. Sehenswert ist Stefano Levis taktvoll erzählte, stark bebilderte und angenehm abgeklärte Doku dabei aber keineswegs nur für Augenmediziner und Nepal-Fans.

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