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    Puppe, Icke und der Dicke
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Puppe, Icke und der Dicke
    Von Robert Cherkowski

    Die Ausbildung an einer Filmhochschule hat nicht zwangsläufig nur Vorteile: Zwar erwirbt man dort systematisch das kleine und das große Einmaleins des Metiers, aber damit geht durchaus die Gefahr einher, dass unverwechselbare Visionen und bilderstürmerische Ambitionen gewissermaßen nach Lehrplan eingeebnet werden und der individuelle Anspruch schon dort allzu strikt einem Diktat der Mach- und Vermarktbarkeit unterworfen wird. Insofern macht es neugierig, wenn sich junge Regisseure ganz bewusst von diesen Institutionen fernhalten und sich als Autodidakten versuchen. Einer von jenen Regie-Freidenkern ist Felix Stienz, der bislang etliche Kurzfilme gedreht hat und nun mit dem Drama „Puppe, Icke & der Dicke" seinen ersten Langfilm vorlegt. Der Film hebt sich tatsächlich in vielerlei Hinsicht auf angenehme Art vom Gros der deutschen Produktionen ab, ist aber trotz seines charmanten Außenseitergestus nicht ohne Schwächen.

    Der Weg ist das Ziel: Auf wenige Menschen trifft diese Floskel so zu wie auf den Berliner Kurierfahrer Bomber (Tobi B.), der die meiste Zeit seines Lebens auf Achse verbringt. Wenn er doch einmal zur Ruhe kommt, muss der leicht kleinwüchsige Single sich der Einsamkeit und seiner sozialen Unbeholfenheit stellen, mit der er sich selbst so manchen Weg verbaut hat. Als sein Arbeitgeber seine Pforten schließt und er vor dem Nichts steht, ergreift Bomber die Initiative und kutschiert seine letzte Lieferung nicht etwa wie angeordnet nach Warschau, sondern nach Paris. Damit beginnt eine Odyssee über europäische Autobahnen, bei der er nicht nur den stummen Hünen Bruno (Matthias Scheuring) kennenlernt, der mit nach Berlin will, sondern auch die blinde Pariserin Europe (Stéphanie Capetanidés), die gerade erfahren hat, dass sie schwanger ist und in der deutschen Hauptstadt nach dem Kindsvater suchen will. Zu dritt irren sie über Straßen, durch Raststätten und Hotelflure zwischen Deutschland und Frankreich hin und her und begegnen dabei allerlei merkwürdigen Paradiesvögeln.

    Offensichtliches Ideal von Regisseur Felix Stienz ist der skurrile, skandinavische Off-Beat-Humor, natürlich vor allem der von Aki Kaurismäki („Der Mann ohne Vergangenheit"). Diese Fußstapfen erweisen sich allerdings insgesamt als zu groß. So angenehm das weitgehende Vermeiden ausgetretener dramaturgischer Pfade im Prinzip ist, braucht Stienz doch allzu lange, bis er die Schicksale der drei Hauptfiguren verknüpft hat. Seine schrägen Antihelden gibt er zwar allesamt interessante und mit einfachen Strichen entworfene Vorgeschichten und Motivationen, aber wenn sie endlich zusammen im Auto sitzen ist der Film schon zur Hälfte vorbei. Und selbst dann wird bei jeder Gelegenheit Halt gemacht, um in nur selten mitreißenden musikalischen Zwischenspielen zu schwelgen. Diese zahlreichen Punk-, Folk- und Country-Einlagen sind zwar eine charmante Idee, auf Dauer aber auch etwas anstrengend und dann wirkt „Puppe, Icke & der Dicke" ganz und gar nicht mehr frisch und frech. Der Film kommt nie richtig in einen Fluss und eine Sogwirkung ergibt sich angesichts solcher Momente von Stillstand und Leerlauf schon gar nicht.

    Der große erzählerische Zusammenhalt mag hier fehlen und für einen so kurzen Film mögen sich erstaunliche Längen einstellen, aber sehenswert ist „Puppe, Icke & der Dicke" dennoch. Dafür sorgt vor allem die liebevolle Charakterzeichnung des unfreiwilligen Trio Infernale Bruno, Europe und Bomber. Während Matthias Scheuring den schweigsam-liebenswerten Buddha mit glücklicher Plautze und Stéphanie Capetanidés die aparte Mutter in spe gibt, ist es besonders Tobi B. als linkischer Stinkstiefel, der seiner Figur und dem Film immer wieder ungeahnte Würde verleiht. Zu sehen, mit welcher Fassung er hier die Tiefschläge wegsteckt, die das Leben ihm versetzt, ist bewundernswert. Das interessante und charmante Protagonisten-Trio ist die größte Stärke des Films, vor allem die vielen schönen kleinen und stillen Momente zwischen den Dreien machen „Puppe, Icke & der Dicke" zu einem liebenswerten Werk, auch wenn es nur zum Teil gelungen ist.

    Fazit: „Puppe, Icke & der Dicke" gefällt mit schrulligen Figuren, unverbrauchten Gesichtern und mit dem Herz am rechten Fleck, auch wenn nicht alles gelungen ist und sich einige Längen einstellen.

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