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    Sams im Glück
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Sams im Glück
    Von Tim Slagman

    Im Kinderfilm ist die Anarchie ein besonders wichtiges Element. Der Regelverstoß auf der Leinwand sorgt bei den jungen Zuschauern nicht nur oft für großes Vergnügen, sondern erfüllt auch stellvertretend ihre Wunschträume. Gezähmt wird der Wildwuchs dann spätestens zum Filmschluss, wenn den Kleinen eine pädagogisch wertvolle Moral mitgegeben wird. Diesem Muster folgt auch Peter Gersina mit seinem „Sams im Glück", ohne dass er den moralischen Zeigefinger allzu penetrant erhebt. In der nach „Das Sams" und „Sams in Gefahr" mittlerweile dritten Verfilmung der Geschichten um den sympathischen rothaarigen Vielfraß zeigt sich vielmehr exemplarisch, wie viel Spaß auf der Leinwand ausgelebte kreative Energie machen kann. Da lässt es sich dann auch verkraften, wenn am Ende alles wieder in ordentliche klassische Bahnen gelenkt wird.

    Für Neueinsteiger eine kleine Rückblende: In einer Woche, in der jeder einzelne Tag seinem Namen alle Ehre machte (also zum Beispiel Gewitter am Donnerstag und keine Arbeit am Freitag) tauchte am Samstag das so chaotische wie liebenswerte Sams (Christine Urspruch) bei dem schüchternen Herrn Taschenbier (Ulrich Noethen) auf. Ein besonderes Merkmal dieses Wesens mit Pummelbauch und Schweinchennase sind seine Wunschpunkte – jeder dunkle Fleck auf der Haut des Sams erfüllt dem vornamenlosen Herrn Taschenbier einen Wunsch und verschwindet dann. Diese Eigenschaft kommt gerade recht, als ein aufziehender Sturm die Festlichkeiten zum Einzug von Taschenbiers Freund Mon (Armin Rohde) und dessen Frau (Eva Mattes) die Nachbarschaft unter Wasser zu setzen droht. Ein Wunsch, ein Wort - und es herrscht wieder strahlender Sonnenschein. Überhaupt läuft es gut für die Familie Taschenbier und ihren Dauergast, plant „Papa", wie das Sams ihn längst nennt, doch den Weg in die Selbständigkeit mit einer neuartigen, von ihm entwickelten Maschine zur Herstellung von – ausgerechnet – Regenschirmen. Aber es ziehen doch wieder Wolken auf über dem „Sams im Glück": Denn einem uralten Gesetz zufolge muss es nach zehn Jahren, zehn Monaten und zehn Tagen seine geliebten Menschen verlassen. Oder diese verwandeln sich auch in Samse...

    Es ist eine schiere Freude mitanzusehen, wie Ulrich Noethen („Der Untergang") das Sams rauslässt. Mit wildem Kopfschütteln, entrücktem Grinsen im Gesicht und weit ausladenden Bewegungen fräst der ehemals so schüchterne Angestellte Taschenbier sich durch Dutzende Pizzen, bis die Schlange der Boten, die vor dem Hause anstehen, um die nächste Straßenecke geht. Er düpiert seinen Chef (August Zirner), er bricht in eine Schokoladenfabrik ein, und im Gefängnis bewegt er sich so unvorhersehbar geschmeidig, dass selbst der stiernackige Knast-Schläger vor dem samsigen Taschenbier in die Knie gehen muss. Die komischen Funken, die Regisseur Gersina und Noethen aus diesen Situationen schlagen, sind beträchtlich. Hier werden die Worte des Romautors Paul Maar, der mittlerweile sieben Bücher über das Sams veröffentlicht hat, mit einer unbändigen Energie und Spielfreude erfüllt. Dem Chaos steht das Kino gut – und umgekehrt.

    Andererseits stehen Filmemacher immer unter dem Zwang, das Vage, Ungefähre in konkrete Bilder zu verwandeln: Aus der nicht näher definierten Maschine, die Taschenbier im Buch zusammenbaut, machte Produzent Ulrich Limmer, der erneut gemeinsam mit Maar das Drehbuch verfasst hat, eben eine Maschine zum Bau von Regenschirmen. Die ist schön schwermetallisch wuchtig, mit vielen Griffen und Knöpfen und buntem Schirmpapier, das sie sich in langen Bögen einverleibt. Bei solch liebevoll gestalteten Anachronismen wird einem ganz warm ums Herz, auch wenn man den kleinen Zuschauern ruhig eine etwas größere Prise Wirklichkeit zumuten dürfte. Zumal die Filmemacher den anarchischen Ausbruch ohnehin selbst wieder eindämmen wollen: Diese Welt, das machen Maar, Limmer und Gersina klar, kann wohl nur ein einziges Sams verkraften. Bei dem Versuch, die losen erzählerischen Fetzen des bis dahin angerichteten Chaos zu einem guten Ende zusammenzuflicken, dehnen sie die Geschichte schließlich ein wenig in die Länge. Am Explosivsten ist „Sams im Glück" immer da, wo keine Rücksicht auf die Dramaturgie genommen wird und alle Samse einfach Samse sein dürfen.

    Fazit: Die starken Schauspieler, die sich ganz ungehemmt zu Samsen machen lassen, erfüllen eine Vielzahl spritziger Ideen mit Leben – Grimassen, Bewegung und Chaos sorgen für Spaß. Der Schwung lässt erst auf dem Weg zu einem versöhnlichen Ende ein wenig nach.

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