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    Irvine Welsh's Ecstasy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Irvine Welsh's Ecstasy
    Von Andreas Günther

    Vielleicht werden sich einige noch an die Aufregung und Faszination erinnern, die Irvine Welshs Roman „Trainspotting" nach seinem Erscheinen 1993 auslöste. Das Buch über die Abgründe der Drogenszene von Edinburgh und deren schräge Protagonisten wurde in Alternativ- und Independent-Zirkeln zum Kult. Einige versuchten sich sogar an der Nachahmung des nahezu unverständlichen schottischen Gassenjargons des Originals. Die Verfilmung, die 1995 folgte, machte dann Hauptdarsteller Ewan McGregor in der Rolle des Junkies Renton zum Star, Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor John Hodges gelang unterdessen eine differenzierte Darstellung der Höhenflüge und Abstürze der Süchtigen mit großer Treue zur Vorlage. Als 1996/97 Irvine Welshs neues Buch „Ecstasy" erschien, fiel zumindest hierzulande das Medienecho weitaus bescheidener aus. Die drei „Romanzen mit chemischen Zusätzen", die es enthielt, waren wohl eine allzu krude Mischung aus surrealem Drogendelirium, aggressiver Farce und diffusen Anspielungen auf die hohe Literatur. Nun hat Videoclip-Regisseur Rob Heydon, der mit Ben Tucker auch das Drehbuch schrieb, mit „Irvine Welsh´s Ecstasy" eine der Romanzen verfilmt. Eine wirklich schlüssige Sicht auf das Werk eröffnet er nicht unbedingt, punktet aber mit engagierten Darstellern und einer ungeschönten Milieuschilderung.

    Der 28-jährige Lloyd (Adam Sinclair) driftet ziellos, aber immer auf der Suche nach dem richtigen Kick, durch die Club- und Drogenszene von Leeds. Nachts tanzt er, schmeißt Drogen ein und reißt junge hübsche Mädchen wie Hazel (Olivia Andrup) auf. Tagsüber schläft er aus, nimmt weitere Drogen, unternimmt einsame Spaziergänge oder kümmert sich um seinen alkoholkranken Vater (Stephen McHattie). Um seinen Lebensstil zu finanzieren, dealt Lloyd und jobbt als Drogenkurier für den Gangsterboss Solo (Carlo Rota). Sein Freund Ally (Keram Malicki-Sánchez) versucht es hingegen mit der Eröffnung eines kleinen Ladens, und Woodsy (Billy Boyd) verfolgt mit geradezu religiöser Inbrunst eine Laufbahn als DJ bei Ecstasy-Parties. Kompliziert werden die Dinge, als Lloyd eines Abends die Verwaltungsangestellte Heather (Kristin Kreuk) kennenlernt. Sie geht eigentlich nicht in Clubs, aber will sich von ihren Beziehungsproblemen ablenken. Die beiden verlieben sich ineinander. Heather will, dass Lloyd sein bisheriges Leben aufgibt. Aber Solo fordert horrende Summen von ihm zurück und verlangt, dass er weiter Drogen schmuggelt. Es wird gefährlich.

    In dem offensichtlichen Bemühen, die Zuschauer direkt mit den Drogenräuschen der Figuren zu konfrontieren, um realistisch, ja authentisch zu sein, setzt Regisseur Rob Heydon in seinem Kinodebüt auf eine betont einfache Filmsprache. Kameramann Brad Hruboska filmt praktisch alles mit flacher Schärfe: Die Personen im Vordergrund sind deutlich zu sehen, während um sie herum alles zu verschwimmen droht. Das Bild ist fast monochrom, jede Farbe scheint aus ihnen gewichen. Diese Ästhetik lässt sich irgendwo zwischen „Nouvelle Vague"-Einflüssen und „Dogma"-Imitat einordnen, in jedem Fall eignet sich das ewige Graubraun auf der Leinwand gut, um die scheußlichen Kehrseiten des Milieus zu zeigen. So etwa wenn Lloyd den in einem Kondom im After transportierten Stoff aus seinem Kot zieht, kurz triumphiert und dann doch würgen muss. Die Tanzszenen sind unterdessen hoffnungslos unterbelichtet, ein einziges konturloses Flackern. Faszination entsteht hier allein durch den Soundtrack mit Klassikern von Bands wie Coldplay und Primal Scream.

    Wie sich die subjektive Wahrnehmung unter dem Einfluss von Drogen verändert, dafür findet Heydon keine Bilder, aber immerhin vermitteln einige schöne Zeitrafferaufnahmen - auch in den Sexszenen - etwas von der Gier nach möglichst vielen ekstatischen Erlebnissen. Hier kommt auch der volle Einsatz der talentierten Darsteller zum Tragen. Den Schilderungen der Vorgänge im getrübten Bewusstsein der Hauptfiguren, die Autor Welsh in der hier verfilmten Erzählung „Die Unbesiegten" mit virtuosen Wechseln zwischen Sprachebenen und Soziolekten meistert, kann Regisseur Heydon jedoch schlicht nichts zur Seite stellen. Anders als bei Welsh wird im Film auch nicht wirklich klar, dass Lloyd Ecstasy nimmt, um Hemmungen zu verlieren, wodurch „Wahlverwandtschaften" wie die Verbindung zu der sozial ganz anders situierten Heather erst möglich werden. Nicht zuletzt deshalb wirkt die Liebesgeschichte im Film unmotiviert und plätschert in klischeehaften Impressionen von Zoobesuchen und Umarmungen dahin. Auch die finale Wendung, mit der die Handlung plötzlich noch in eine Bekehrungsgeschichte inklusive Wiederauferstehung kippt – da winkt dann das „cleane" bürgerliche Leben und der Mythos von der befreienden Kraft bewusstseinserweiternder Drogen wird sehr eilig auf den Müllhaufen geworfen – ist nicht unbedingt überzeugend geraten.

    Fazit: Talentierte Schauspieler entschädigen für teils fade Bilder und auch wenn der biedere Schluss die Frage nach dem Sinn des Ganzen aufwirft, ist „Irvine Welsh´s Ecstasy" eine durchaus unterhaltsame, einigermaßen kuriose Mischung aus Romanze, Kleinkriminellendrama und Ekelpamphlet.

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