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    Große Jungs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Große Jungs
    Von Gregor Torinus

    Anthony Marciano erzählt in „Große Jungs“ die Geschichte zweier Männer, die in ihrer Midlife-Crisis noch einmal so richtig die Sau rauslassen wollen. Die französische Komödie überzeugt mit erfrischend frech und spitzigen Witzen und einem starken Darsteller-Quartett. Statt eines „Hangover“-Aufguss mit Klischees und einer Feelgood-Atmosphäre, mit der sich nur beim Zuschauer angebiedert wird, verfügt der Debütfilm so über ungemein viel Charme und Esprit und ist ein weiterer Film unserer westlichen Nachbarn, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

    Thomas (Max Boublil) hat auch mit dreißig Jahren noch immer nicht den Durchbruch als Musiker geschafft. Anstatt in coolen Clubs tritt er nur auf drögen Geburtstagsfeiern und Hochzeiten auf. Doch bei einem dieser Feste trifft er auf Lola (Mélanie Bernier), verliebt sich und beschließt, bodenständig zu werden. Als Thomas bei seinen künftigen Schwiegereltern um die Hand seiner Lola anhält, verkündet er, die Musik an den Nagel zu hängen und fortan in einem Inkassounternehmen zu arbeiten. Während Lolas hyperaktive Mutter Suzanne (Sandrine Kiberlain) ganz begeistert ist, knurrt ihr soeben in Frühpension getretener Ehemann Gilbert (Alain Chabat) nur voller Verachtung vor sich hin. Seit Gilbert seine Firma verkauft hat, weiß der 50-Jährige nichts mehr mit sich und seinem Leben anzufangen. Vor allem seine Frau geht ihm nur noch auf die Nerven, da diese voll mit ihrem Gutmenschentum beschäftigt ist. So ergreift Gilbert die erstbeste Gelegenheit, um einmal aus dem Ehetrott auszubrechen und mit Thomas die Sau rauszulassen. Schnell wird aus den beiden ein unzertrennliches Gespann, das lieber gemeinsam die Nächte durchfeiert, als Zeit mit ihren Frauen zu verbringen.

    Die erste Einstellung des Films zeigt Thomas im Gegenlicht, wie er lässigen Schrittes mit der Gitarre in der Hand den Gang zur Bühne entlang schreitet. Doch kaum erscheint er vor dem Vorhang wird klar, dass dies keine große Konzerthalle, sondern eine private Hochzeitsfeier ist. Als er dort zur Abwechslung einen selbstkomponierten Chanson vorträgt, sorgt dieser für peinliche Berührtheit. Bereits diese Szene deutet zwei große Stärken von Anthony Marcianos Debütfilm an: Zum einen überzeugt die starke visuelle Stilisierung, zum anderen trauen sich Marciano und der auch als Co-Autor fungierende Hauptdarsteller Max Boublil immer wieder ins Extreme zu gehen: Der Witz ist so nicht nur frech, sondern auch oft überraschend.

    Dabei hilft es, dass alle Rollen perfekt besetzt sind. Das Duo aus Max Boublil („Prêt à tout“) und Alain Chabat („Anleitung zum Träumen“) könnte den Film auch allein tragen, so gerne sieht man den Beiden bei ihren oft pubertären Späßen zu. Stand-Up-Comedian Max Boublil scheint sich hier auch ein gutes Stück weit selbst zu spielen. Nach vielen eher unbedeutenden Rollen als Schauspieler, gelang auch Boublil erst spät der Durchbruch mit dem Nonsens-Chanson „Ce soir... tu vas prendre“, der zum YouTube-Hit avancierte. Dieser Hintergrund war sicherlich auch hilfreich für die zahlreichen gelungenen Seitenhiebe auf die Oberflächlichkeit des Musikbusiness.

    Ideal ergänzt werden die großen Jungs durch die hübsche Mélanie Bernier („Mademoiselle Populaire“) als Lola und Sandrine Kiberlain („Der kleine Nick“) in der Rolle von Gilberts Frau Suzanne. In den Nebenrollen tritt unter anderem Iggy Pop auf. Das Rock´n´Roll-Urgestein spielt sich selbst und bildet den perfekten Gegenpart zu dem verzogenen Teenie-Star Mimi Zozo (Mélusine Mayance), dem größten Zugpferd der Plattenfirma, bei der sich Thomas bewirbt. Diese kleine Göre steht im Mittelpunkt einiger Szenen, in denen höchst treffend das Musikbusiness durch den Kakao gezogen wird.

    Fazit: „Große Jungs“ ist eine charmante französische Komödie um zwei Männer, die kurzzeitig in eine zweite Pubertät verfallen. Das Feel-Good-Movie überzeugt dabei mit frechen und frischen Witzen.

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