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    Trans Bavaria
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Trans Bavaria
    Von Tim Slagman

    Ein Mitarbeiter einer großen deutschen Filmförderanstalt plauderte vor einiger Zeit aus dem Nähkästchen. Der einzige Film, so erinnerte er sich, dessen Förderantrag aus inhaltlichen Gründen abgelehnt wurde, das sei „Ballermann 6" gewesen, Tom Gerhardts Proll-Komödie von 1997. Da scheint es umso unverständlicher, dass Konstantin Ferstl die Finanzierung seines Abschlussfilms an der Hochschule für Fernsehen und Film München mit den Ersparnissen seiner Mutter, der Hilfe der Filmschule und einiger edler Spender bestreiten musste und dazu noch auf die Verzichtbereitschaft aller Teilnehmenden angewiesen war. Das ist nicht etwa deshalb unverständlich, weil „Trans Bavaria" ein vor Originalität nur so strotzendes Meisterwerk wäre. Sondern vielmehr, weil Ferstls etwas unausgegorene Mixtur aus Heimatkomödie und Road Movie so ziemlich alles hat, wovon Förderer träumen: Allgemeinverständlichkeit, Lokalkolorit und eine klar definierte Zielgruppe.

    Der frisch gebackene Abiturient Quirin (Marcel Despas), der ein Faible für das alte Rom hat und sich deshalb gerne „Quirinalis" nennt, ist sich sicher: Es muss sich etwas verändern in dem niederbayerischen Kaff Abensberg, am besten nach den Vorbildern von Castro und Che mit Quirin als Revolutionsführer. Doch die Revolte scheitert schon bei der Abifeier – und Quirin beschließt, mit seinen ideologisch noch weit weniger gefestigten Kumpels Joker (Lukas Schätzl) und Wursti (Johannes Damjantschitsch) wenigstens zu einer Rede Castros auf dem Roten Platz in Moskau zu pilgern...

    2003, kurz nach dem Abitur und drei Jahre, bevor Marcus H. Rosenmüller mit „Wer früher stirbt, ist länger tot" frischen Wind in den bajuwarischen Heimatfilm blasen sollte, packte Konstantin Ferstl „fünf Zigarren, zwei Liter Spezi und zu viele Ideen" ein und fuhr über Moskau und Sibirien mit der Transsibirischen Eisenbahn bis nach Peking. Das von diesen persönlichen Erfahrungen geprägte Projekt „Trans Bavaria" lässt sich ohne Übertreibung als Herzensangelegenheit bezeichnen und so wollte Ferstl es auch nach der Ablehnung durch Sender und Fördergremien sowie nach dem Abspringen der ursprünglichen Produktionsfirma unbedingt zu Ende bringen. Dieses Engagement und die lässige Ironie der Inszenierung, durch die Ferstl von Anfang an klarmacht, dass es diesem Quirin um wenig mehr geht als den revolutionären Chic, um ein letztlich inhaltlich beliebiges spätpubertäres Aufbegehren in großer Geste – all dies nimmt genauso ein für den Film wie die bodenständig-realistisch und doch klar konturiert ausgearbeiteten Hauptfiguren, die allesamt von Laiendarstellern gespielt werden.

    Nun ist die Kinogeschichte aber auch voll von Beispielen, in denen eine filmische Herzensangelegenheit in ein geradezu desaströses Endprodukt mündete – man denke etwa an Oliver Stones „Alexander". Nach einem stringent erzählten und sehr originellen Beginn entgleitet auch Ferstl allmählich der Erzählfaden. So lässt er anfangs den – angeblich gescheiterten - Zivilisationsprozess Bayerns in der Interpretation von Quirin in theaterhaften Tableaus am Zuschauer vorbeiziehen, in denen schusselige Römer durch die niederbayerische Provinz staksen und schließlich ein dunkelhäutiger G.I. mit dem Nudelholz verprügelt wird. Nach dieser gelungenen Einleitung gerät die Handlung allerdings alsbald nicht nur in langatmigere, sondern auch in reichlich konventionelle Bahnen.

    Je mehr sich der Plot in die erprobten Schablonen des Road Movies einfügt, in denen der Reiseweg als Instrument der Selbsterkenntnis definiert ist, desto weniger bleibt naturgemäß übrig von der Kritik an der miefigen Enge des Herkunftsortes. Ferstl hat zwar einige lokale Prominenz vor der Kamera versammelt - vom ehemaligen Lausbub Hansi Kraus über Ottfried Fischer bis zu Eisi Gulp -, aber er knüpft nicht an die genuin bajuwarische Tradition an, in der das Volkstümliche und beißende Kritik schon immer gut zusammengingen. Bei ihm heißt es dagegen durchaus verklärend: „Ich habe Heimweh nach der Donau, meinem Hund und dem Böfflamott meines Vaters." Das ist, bei allem Witz und liebevollem Umgang mit den Figuren, ein Schritt hinter die besten Arbeiten etwa des schon erwähnten Marcus H. Rosenmüller zurück.

    Fazit: Konstantin Ferstl erzählt seine biografisch inspirierte Geschichte mit Humor, Einfühlungsvermögen und zumindest anfangs durchaus flott und originell. Doch später kommen ihm nicht nur die Konventionen des Road-Movie-Genres, sondern auch ein diffus-kitschiger Heimatbegriff in den Weg und lassen seinen Debütfilm in seichtere Gefilde abdriften.

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