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    Trautmann
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Trautmann

    Die vergessene Geschichte eines deutschen Jahrhunderttorwarts

    Von Michael Meyns

    11 Freunde müsst ihr sein!“ So lautet eines der berühmtesten Zitate des legendären Sprücheklopfers Sepp Herberger. Aber so leicht ist es oft gar nicht, diesem Ansinnen gerecht zu werden. Besonders dann nicht, wenn der neue Mannschaftskamerad bis vor kurzem noch der Todfeind war. So dürfte es auch den britischen Fußballern gegangen sein, die mit Bernd Trautmann beim englischen Erstligaclub Manchester City zusammenspielten. Trautmann kam als Kriegsgefangener auf die Insel – und wurde dort 1956 zum Fußballer des Jahres und damit zur Torwartlegende. Diese viel zu wenig bekannte Episode der deutsch-britischen Geschichte erzählt Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“) in seinem mitunter etwas pathetischen „Trautmann“. Das von einer sanften Patina überzogene Biopic wirkt dabei manchmal ein wenig naiv, ist zugleich aber auch berührend und kraftvoll.

    In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gerät Bernd Trautmann (David Kroos) in britische Kriegsgefangenschaft und wird in einem Gefangenenlager im Nordwesten der Insel interniert. Dem harschen Regiment des Kommandanten begegnet er mit Widerwillen, weil er sich nicht auf seinen Status als Kriegsverbrecher reduzieren lassen will. Vom Trainer des lokalen Fußball-Clubs wird Trautmanns Talent als Torwart erkannt - und so beginnt sein Aufstieg, der ihn schließlich bis in die erste Liga zu Manchester City führt. Aber damit ist der Weg noch nicht zu Ende. Es ist auch an der Spitze nicht leicht, die Vorurteile der Bevölkerung gegen den Deutschen – den Nazi – zu überwinden. Doch so wie Trautmann das Herz seiner Frau Margaret (Freya Mavor) erobert, gewinnt er mit seinen menschlichen und fußballerischen Qualitäten bald auch die Sympathien der englischen Fans…

    Der berühmteste Moment in Bernd Trautmanns Karriere war das britische Pokalendspiel 1956, als sich der Torwart nach einem Zweikampf einen Nackenwirbel brach. Er spielte trotz gebrochenem Genick weiter und sicherte seinem Team so den Sieg. Dieser Einsatzwillen machte Trautmann in England endgültig zur Legende und zum wohl beliebtesten Deutschen seiner Zeit. Dieses Match fehlt nun natürlich auch in Marcus H. Rosenmüllers Biopic nicht, aber die eigentliche Geschichte des Films ist in der unmittelbaren Nachkriegszeit angesiedelt. Für seinen in Englisch gedrehten Film verdichtet er die wahre Geschichte zwar, zeichnet aber trotzdem stimmig nach, wie sich Trautmann in der Wahrnehmung der Briten langsam vom Nazi zum Menschen wandelt.

    Doch die Akzeptanz seiner Frau, seiner Mitspieler beim Lokalverein und später beim Erst-Liga-Club Manchester City, für den er in mehr als 500 Spielen zwischen den Pfosten stand, sind für ihn nicht genug. Ein für den Film erfundenes Kriegstrauma belastet Trautmann und lässt ihn die Frage stellen, die sich viele Deutsche nach dem Krieg gestellt haben: Wie viel Schuld hat er auf sich geladen? Hätte er mehr tun können, um Kriegsverbrechen zu verhindern? Ist er als Deutscher mitverantwortlich für all die Verbrechen, die während des Kriegs verübt wurden, auch wenn er selbst gar nicht direkt an ihnen beteiligt war? Durchaus geschickt verflechten Rosenmüller und sein Co-Autor Nicholas J. Schofield solche fast schon didaktischen Momente, etwa wenn den deutschen Kriegsgefangenen Filmaufnahmen von der Befreiung des Konzentrationslager Bergen Belsen vorgeführt werden und sie zum ersten Mal das ganze Ausmaß des Grauens mit eigenen Augen sehen müssen, mit der intimen Geschichte von Trautmanns Annäherung an seine britische Familie.

    Besonders David Kross („Ballon“, „Simpel“) zeigt hier eine seiner bislang besten darstellerischen Leistungen. Er überzeugt als anfangs eigenbrötlerischer Mann, der das im Krieg Erlebte kaum zu verarbeiten weiß und sich nur auf dem Fußballplatz frei fühlen kann. Nur langsam befreit er sich aus seinem Kokon und öffnet sich Margaret sowie der Erkenntnis, dass er mit seinen Schuldgefühlen und Verlusten nicht allein ist. Ein wenig schematisch wirkt das Gegenüberstellen bisweilen, manchmal gar gefährlich nah an einer Aufrechnung erlittenen Leides. Doch solche Momente sind zum Glück rar gesät. Meist gelingt es Rosenmüller, das erstaunliche Leben von Bernd Trautmann in kraftvollen Bildern nachzuerzählen, die zwar manchmal etwas arg nostalgisch wirken, aber viel von der Schwierigkeit spüren lassen, in den unmittelbaren Nachkriegsjahren die Kluft zwischen eben noch verfeindeten Staaten zu überwinden.

    Fazit: In wuchtigen Bildern erzählt Marcus H. Rosenmüller vom Leben Bernd Trautmanns, der als Torwart von Manchester City in den Nachkriegsjahren viel zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und England beitrug.

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