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    Max Beckmann – Departure
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Max Beckmann – Departure
    Von Gregor Torinus

    Max Beckmann (1884 – 1950) gehört zu den bedeutendsten deutschen Malern des 20. Jahrhunderts und ist seiner persönlichen Ansicht nach sogar der größte überhaupt. Ganz unbescheiden behauptete der Künstler einst auf dem Zenit seines Erfolges: „Spanien: Picasso, Frankreich: Braque, Deutschland: Beckmann.“ In jedem Fall nimmt Beckmann eine Sonderstellung innerhalb der klassischen deutschen Moderne ein, denn er verweigerte sich sowohl der Abstraktion als auch dem Expressionismus. Sein Ziel war eine figurative Malerei, die eindeutig in der Realität verwurzelt ist, diese jedoch zugleich ins Mythische hineinreichend transzendiert. In seinem Dokumentarfilm „Max Beckmann – Departure“ zeichnet Michael Trabitzsch den Lebensweg des Jahrhundertkünstlers nach und rückt dabei immer wieder das Werk und die Worte Beckmanns selbst ins Zentrum seiner Untersuchung.

    Trabitzsch konzentriert sich insbesondere auf die Analyse der zehn großen Triptychen, die der Künstler im Laufe seines Schaffens angefertigt hat. Das erste dieser dreiteiligen, altarähnlichen Gemälde hieß „Abfahrt“ und wurde Jahre später unter dem englischen Titel „Departure“ fertig gestellt. Mit dem Gegenteil, einer Ankunft, beginnt dagegen der Film: Die erste Szene schildert Beckmanns Begeisterung bei seinem Eintreffen in New York, wo er die letzten drei Jahre seines Lebens zubrachte. In Rückblenden werden anschließend die wichtigsten Stationen des Künstlers in Europa beschrieben: Seine Zeit in der deutschen Hauptstadt, während der Beckmann als Mitglied der Berliner Secession bekannt wurde, die Erlebnisse während des Ersten Weltkriegs, die bei dem sensiblen Künstler zu einem Nervenzusammenbruch führten, sein Neuanfang in Frankfurt am Main, wo Beckmann seinen für ihn typischen Stil ausformulierte und zu Ruhm und Ehren kam. Vor den Nazis floh Beckmann nach Amsterdam, wo er bis zu seiner Emigration weitestgehend vergessen und verarmt lebte. In den USA wurde Beckmann dagegen begeistert empfangen und bekleidete zuerst in Saint Louis und später in New York eine Professur, bis er 1950 bei einem Spaziergang im Central Park an einem Herzinfarkt starb.

    Somit ist „Departure“ nicht nur der Titel eines bestimmten Werks Beckmanns, sondern ebenso Ausdruck eines rastlosen Lebens, das den Künstler immer wieder zum Aufbruch in neue Städte und Länder trieb. Diese äußere Bewegung findet ihre Entsprechung in einem Schaffen, das bis zum letzten Tag nach Weiterentwicklung rang. Hierbei ging es Beckmann nicht nur um die Entwicklung eines persönlichen Werks, vielmehr betrachtete er sich selbst als den ersten deutschen Vertreter einer wahrhaft neuen Malerei und sah sich gar auf Augenhöhe mit Pablo Picasso. Mit Picasso verbindet Beckmann auch, dass er bereits mit seinem ersten großen Gemälde im Alter von 21 Jahren einen Preis gewann. Das Werk „Junge Männer am Meer“ wurde die Nummer eins in Beckmanns persönlichem Katalog. Das ausgeprägte Ego des Künstlers wird durch die vielen Zitate von Beckmann deutlich, die Trabitzsch immer wieder verwendet: Dabei sind es keine leeren Phrasen, sondern Worte von großer Ausdrucksstärke, die seiner Kunst entsprechen. Kein Wunder also, dass Beckmann auch Dramen und Gedichte schrieb, die nach seinem Tode ebenfalls Anerkennung gefunden haben. Zudem beschäftigte sich der Künstler mit Geheimlehren wie der damals populären Theosophie, aus der später die Anthroposophie hervorgehen sollte.

    Doch der philosophische Aspekt von Beckmanns Arbeit wird in Michael Trabitzschs Film zum großen Teil zugunsten einer rein beschreibenden Darstellung der Werke des Künstlers zurückgestellt. So zählen verschiedene amerikanische Kuratoren lediglich die in ihren Museen sichtbaren Elemente auf, ohne eine tiefer gehende Interpretation zu versuchen. Auch die drei zu Rate gezogenen Beckmann-Experten beschränken sich in ihren Ausführungen zu Beckmanns Werk und Biografie zumeist auf die Beschreibung des Offensichtlichen und halten sich ansonsten sehr zurück. So sind es am Ende immer wieder Beckmanns eigene Worte, die Aufschluss über sein Denken und sein Werk liefern. Das sichert einerseits einen hohen Grad an Authentizität, andererseits bleiben so auch all die Dinge im Dunkeln, bei denen sich der stets auch um die eigene Selbstinszenierung bestrebte Künstler in Schweigen hüllt. „Max Beckmann – Departure“ eignet sich so zwar als eine erste Einführung in Leben und Werk des Künstlers, doch das Geheimnis Max Beckmanns bleibt bis zum Schluss gewahrt.

    Fazit: „Max Beckmann – Departure“ ist eine insgesamt gelungene Einführung in das Schaffen eines der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Michael Trabitzsch Film bemüht sich möglichst oft den Künstler und seine Werke selbst sprechen zu lassen, wodurch ein hoher Grad an Authentizität entsteht, eine tiefer gehende Analyse allerdings ausgespart bleibt. Wo Max Beckmann schweigt, schweigt auch „Departure“.

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