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    100 Bloody Acres
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    100 Bloody Acres
    Von Lars-Christian Daniels

    Dass man mit der Weiterverabeitung menschlicher Leichenteile den großen Reibach machen kann, bewiesen bereits Mads Mikkelsen und Nikolaj Lie Kaas als ungleiche Fleischverarbeiter Svend und Bjarne in Anders Thomas Jensens tiefschwarzer Groteske „Dänische Delikatessen“: Die beiden vervielfachten den Umsatz ihrer Fleischerei, indem sie heimlich Menschenfleisch anboten, das sich prompt zum Verkaufsschlager entwickelte. Das australische Bruderpaar Cameron Cairnes und Colin Cairnes schlägt nun in eine ganz ähnliche Kerbe: In ihrer sonnendurchfluteten Splatterkomödie „100 Bloody Acres“, die auf dem Fantasy Filmfest 2013 ihre Deutschlandpremiere feierte, verarbeiten zwei bauernschlaue Rednecks menschliche Opfer zu einem Düngemittel der besonders fruchtbaren Sorte. Die Cairnes-Brüder, die für Regie und Drehbuch des Independent-Films verantwortlich zeichnen, liefern neben den erwartungsgemäß blutigen Bildern vor allem staubtrockene Pointen und zwei köstliche Hauptfiguren, die zu dudelnder Countrymusik mit der Schrotflinte Jagd auf ihre bedauernswerten Mitmenschen machen und sich damit schnell in die Herzen des Publikums spielen.

    Die verschrobenen Hinterwäldler Reg (Damon Herriman, „Justified“) und Lindsay (Angus Sampson, „Insidious“) betreiben irgendwo in der südaustralischen Pampa das Düngemittelgeschäft „Morgan’s Organic Blood & Bone Fertilizer“. Der Laden läuft mehr schlecht als recht – doch als die beiden bei der Düngemittelproduktion neue Wege gehen, erzielen sie den großen Durchbruch: Reg entdeckt am Straßenrand einen tödlich verunglückten Mann, der prompt in den Fleischwolf wandert und sich dank seiner kaliumhaltigen Überreste als wahrer Segen für die landwirtschaftliche Zweitnutzung entpuppt. Nun muss natürlich Nachschub her, um den Laden am Laufen zu halten. Da kommen den beiden Farmern die drei jungen Reisenden James (Oliver Ackland), Sophie (Anna McGahan) und Wesley (Jamie Kristian), die mit ihrem Auto auf dem Weg zu einem nahegelegenen Musikfestival steckengeblieben sind, gerade recht...

    Wenngleich die schmutzig-düstere Lagerhallenkulisse vor allem Erinnerungen an Torture-Porn-Schocker wie Eli Roths „Hostel“ weckt: „100 Bloody Acres“ ist kein billiges Schlachtfest und auch für weniger splattererprobte Mägen durchaus geeignet. Der Body Count bleibt überschaubar, am Ende stehen gerade mal ein halbes Dutzend Leichen und eine Handvoll abgetrennter Gliedmaßen. Das Kunstblut spritzt bei der mechanischen Weiterverarbeitung der menschlichen Leichenteile zwar literweise, doch die mit zwei Millionen Dollar recht schmal budgetierte australische Produktion lebt weniger von ihren Gore-Elementen, als vielmehr von ihrer vereinnahmenden Situationskomik und ihren skurrilen Charakteren, die sich auf der Farm einen kuriosen Kampf um Leben und Tod liefern. Der bemitleidenswerte James hängt dabei fast die Hälfte der Spielzeit gefesselt und geknebelt kopfüber über einem überdimensionalen Fleischwolf und muss hilflos mit ansehen, wie sich seine umtriebige Freundin Sophie (atemberaubend: Anna McGahan) dem geistig zurückgebliebenen Reg anbietet, nachdem sie bereits in der Einleitung heimlich mit Wesley rumgefummelt hatte.

    Der Auftakt fällt ansonsten recht schleppend aus: Fast eine halbe Stunde lang passiert in „100 Bloody Acres“ im Grunde überhaupt nichts, wenn man einmal davon absieht, dass Reg beim Kennenlern-Smalltalk mit Sophie im Laderaum seines LKWs die Leiche des verunglückten Roadies spazieren fährt und Gefahr läuft, von den ebenfalls im Laderaum untergebrachten Mitfahrern James und Wesley auf frischer Tat ertappt zu werden. Mit Ankunft auf der abgelegenen Farm, auf der der grobschlächtige Lindsay auch Kürbisse in Rekordgröße heranzüchtet, schalten die Cairnes-Brüder aber zwei Gänge hoch und zünden ein wahres Gagfeuerwerk: Es geschieht immer genau dann etwas Überraschendes, wenn sich gerade Leerlauf in die Handlung einzuschleichen droht. So unternimmt der unter Drogeneinfluss stehende Wesley zum Beispiel einen waghalsigen Fluchtversuch von der Ranch, landet aber statt in der Freiheit spontan in einem nahegelegenen Märchenland und wird dort nicht nur von den sieben Zwergen zum Kaffeeklatsch gebeten, sondern muss sich in einer der köstlichsten Szenen des Films auch unter kullernden Krokodilstränen von Schneewittchen verabschieden.

    Ein Großteil des Dialogwitzes ergibt sich aus den extrem unterschiedlich ausfallenden Hauptfiguren, die sich köstlich-kernige Wortgefechte liefern und im Hinblick auf die menschlichen Nährstofflieferanten verschiedene Ansichten vertreten: Während der hünenhafte, furcheinflößend-dominante Lindsay am liebsten sofort den Fleischwolf anschmeißen würde, zeigt sich der treudoofe Publikumsliebling Reg empfänglich für die Versuche der Opfer, ein paar Minuten Lebenszeit zu schinden und dem unausweichlichen Tod noch einmal von der Schippe zu springen. Im letzten Filmdrittel, in dem sich die Ereignisse förmlich überschlagen, vollziehen Cameron und Colin Cairnes dann eine bemerkenswerte 90 Grad-Wende und richten die Figurenkonstellation, die durch die sexhungrige Rentnerin Nancy (Chrissie Page, „Oranges and Sunshine“) durcheinander gewirbelt wird, ein Stück weit neu aus. Den finalen Gag heben sich die Cairnes-Brüder dabei für den Abspann auf: Wer den Kinosaal vorzeitig verlässt, verpasst die letzte Leiche, läuft aber zumindest nicht Gefahr, sich auch noch Stunden nach dem Kinobesuch mit dem äußerst hartnäckigen Ohrwurm des „Morgan‘s Organic“-Werbejingles herumplagen zu müssen.

    Fazit: Wo „bloody“ drauf steht, ist auch „bloody“ drin – Cameron und Colin Cairnes inszenieren mit „100 Bloody Acres“ eine blutige, sehr unterhaltsame Splatterkomödie, die nach einem schleppenden Auftakt an Fahrt aufnimmt und bei der sie in der zweiten Filmhälfte ein Feuerwerk an unverbrauchten Gags abbrennen.

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