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    Bethlehem - Wenn der Feind dein bester Freund ist
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Bethlehem - Wenn der Feind dein bester Freund ist
    Von Gregor Torinus

    Dass Kinobesucher mitunter einfach keine Lust mehr auf ein Thema haben, wenn es sowieso gefühlt jeden zweiten Tag die 20-Uhr-Nachrichten beherrscht, hat gerade erst wieder das katastrophale Abschneiden von „Inside WikiLeaks“ an den Kinokassen gezeigt, der auf der Forbes-Liste der größten Kinoflops des Jahres auf dem Spitzenplatz gelandet ist. Mit einem ähnlichen Problem haben oft auch Produktionen zum Thema Nahostkonflikt zu kämpfen – richtig großer Reibach ist mit ihnen kaum zu machen. Gerade deshalb ist es aber besonders wichtig, auf Filme wie „Bethlehem - Wenn der Feind dein bester Freund ist“, Israels Oscar-Beitrag für die 86. Oscar-Verleihung 2014, hinzuweisen, die eben nicht das Nachrichtengeschehen nachplappern, sondern einen ganz eigenen Zugang zu dem Konflikt offenbaren. Der israelische Regisseur Yuval Adler und sein palästinensischer Co-Autor Ali Waked brechen die komplexe politische Situation in ihrem Thriller nämlich so geschickt auf eine pur-menschliche Dimension herunter, dass der Konflikt auf eine ganz neue und unheimlich spannende Weise spürbar wird. Dabei ist „Bethlehem“ nicht nur der erste Film des Regisseurs, sondern auch das Debüt seiner beiden Hauptdarsteller.

    Als Agent beim israelischen Inlandsgeheimdienst Schabak macht Razi (Tsahi Halevy) Jagd auf den palästinensischen Untergrundkämpfer Ibrahim (Hisham Suliman). Dafür hat er auch Ibrahims siebzehnjährigen Bruder Sanfur (Shadi Mar'i) als Informant angeworben. Aber die persönliche Beziehung, die sich zwischen Agent und Informant entwickelt hat, stürzt beide immer wieder in Loyalitäts- und Gewissenkonflikte. Die Situation spitzt sich noch weiter zu, als ein Killerkommando auf Ibrahim angesetzt wird und Razis Vorgesetzte bedenkenlos bereit sind, auch Sanfur bei dem geplanten Mordanschlag zu opfern…

    In Presseheften steht viel Unsinn, aber im Fall der Produzentin Talia Kleinhendler ist es zur Abwechslung mal kein leeres Gerede, wenn sie in einem Statement ankündigt: „Keine unserer Figuren ist frei von Schuld, keine ist unverwundbar. Es gibt kein Schwarz und Weiß in diesem Film, sondern nur schmerzhafte Grautöne – wie in der Realität, in der wir alle leben.“ Dass gehalten wird, was die Produzentin verspricht, dürfte auch an der seltenen Zusammenarbeit eines palästinensischen Autors mit einem israelischen Regisseur liegen – denn so ist von vornherein sichergestellt, dass jede Seite ihr verdientes Fett wegkriegt!

    Und tatsächlich: „Bethlehem“ überzeugt mit komplexen, widersprüchlichen und gerade deshalb so lebensnahen Charakteren. Neben Skript und Regie haben an dieser Lebensnähe auch die Laiendarsteller einen beträchtlichen Anteil. Vor allem Tsahi Halevy verblüfft als Agent, der zwischen eiskalter Professionalität und den Gefühlen für seinen Informanten zu zerreißen droht. Keine einzige der Figuren wird dabei als Sympathieträger gezeichnet – aber zumindest versuchen Razi und Sanfur noch, in einer ausweglosen Situation „das Richtige“ zu tun, auch wenn sie oft längst nicht mehr wissen, was das eigentlich ist.  

    Trotz seines brisanten Themas ist „Bethlehem“ aber alles andere als ein Erhobener-Zeigefinger-Film mit belehrender moralischer Botschaft. Stattdessen entpuppt er sich als geradezu subtil inszenierter Thriller, dessen präzise Kameraarbeit von Yaron Scharf („Youth“) sich wohltuend in den Dienst der Figuren stellt. Nur an einer Stelle reichen Regisseur Adler und sein Kameramann über den persönlichen Fokus hinaus: Indem sie immer wieder die gewaltige Natur des Heiligen Landes Israel in den Mittelpunkt rücken, machen sie aus „Bethlehem“ eine moderne Parabel, die über das Tagesaktuelle des Konflikts weit hinausreicht. Schließlich sind in diesem biblischen Setting bereits in der Heiligen Schrift aus einstigen Nachbarn erbitterte Feinde geworden.

    Fazit: Yuval Adler verwebt in seinem Debütfilm „Bethlehem - Wenn der Feind dein bester Freund ist“ zwei berührende Einzelschicksale in den Wirren des Nahostkonflikts zu einem spannenden Thriller mit Tiefgang.

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