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    Lovely Louise
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Lovely Louise
    Von Constantin von Harsdorf

    Nach ihrem düsteren Thriller „Tannöd“ um die brutale Ermordung einer ganzen Familie in einem oberbayerischen Dorf stand Regisseurin Bettina Oberli der Sinn wohl nach einer weniger abgründigen Thematik. Mit „Lovely Louise“ bewegt sich die Schweizerin wieder deutlich stärker in die Richtung ihres Publikumserfolges „Die Herbstzeitlosen“. Zwar gibt es auch in Oberlis neuestem Film durchaus ernste Untertöne, der Grundtenor bleibt jedoch heiter. Mit Feingefühl erzählt die Filmemacherin von einem 50-jährigen Taxifahrer, der endlich lernen muss, sich von seiner Mutter zu emanzipieren. „Lovely Louise“ versprüht gerade in der ersten Hälfte viel Charme, Oberlis Geschichte fehlt es auf Dauer aber an emotionaler Fallhöhe, wodurch die Tragikomödie letztlich allzu harmlos gerät.

    Der Mittfünfziger André (Stefan Kurt) lebt zusammen mit seiner achtzigjährigen Mutter Louise (Annemarie Düringer) unter einem Dach. Er führt ein unspektakuläres Leben als Taxifahrer und Tüftler, der sich kaum traut, die hübsche Wurstverkäuferin Steffi (Nina Proll) vom Modellflugplatz anzusprechen. Eines Tages steht ein Fremder aus Amerika vor der Tür: der schillernde Bill (Stanley Townsend), der behauptet, Louises Sohn zu sein – und damit Andrés Halbbruder. Schnell sorgt der Fremde für Durcheinander und stellt das Verhältnis von Mutter und Sohn auf eine harte Probe…

    Viel Zeit lässt sich Bettina Oberli, um den eingefahrenen Alltag von Mutter und Sohn zu schildern: Kommt André nach der Arbeit nach Hause, stehen seine Hausschuhe schon bereit; hat Louise Gäste eingeladen, macht er artig Toasts; seine Freizeit verbringt er auf dem Modellflugplatz, der ihm ein Gefühl von Freiheit, von großer weiter Welt vermittelt, zumindest im Kleinen. Den seit Jahren eingespielten Rhythmus dieses familiären Mikrokosmos schildert Oberli mit viel Gespür für Zwischentöne: Leicht wäre es gewesen, André als Versager auszustellen, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt und daher gleich im „Hotel Mama“ geblieben ist. Doch Oberli deutet stattdessen die tiefe Verbundenheit an, die Mutter und Sohn so lange zusammengehalten hat. Mag es auch mitten in der Nacht sein und André gerade mit der hübschen Steffi auf Tuchfühlung gehen, wenn Mutter Louise anruft, macht er sich sofort auf den Weg, auch wenn sie bloß nicht einschlafen kann.

    Romantisiert wird das enge Verhältnis von Mutter und Sohn dennoch zu keiner Zeit. Immer wieder steht sich André durch die extreme Fixierung auf seine Mutter selbst im Weg und muss mit den Konsequenzen leben. So nuanciert Oberli die komplexe Beziehung zwischen André und Louise aufbaut, so sehr verliert sie mit dem Auftauchen des undurchsichtigen Halbbruders Bill den Fokus. Nicht nur das Leben von André und Louise gerät durch den weltläufigen Amerikaner aus dem Takt, auch die Dramaturgie des Films verliert ihre Ordnung. Der vorhersehbare Kampf der beiden Brüder um die Aufmerksamkeit der Mutter bremst den bis dahin kurzweiligen Film spürbar aus. Zu konstruiert wirkt zudem der weitere Verlauf der Geschichte, die mit einem turbulenten Spanien-Ausflug vollständig aus den Fugen gerät. Es wirkt fast so, als wäre sich Oberli zu diesem Zeitpunkt selbst nicht mehr ganz sicher gewesen, in welche Richtung sich „Lovely Louise“ entwickeln sollte. Zunehmend wird ihr Film dadurch zu einem unausgegorenen Mix aus Komödie und Drama. Wenn sich all der Schmerz und alle Enttäuschung schließlich Bahn brechen, lässt das den Zuschauer seltsam kalt.

    Dass „Lovely Louise“ trotz seiner erzählerischen Schwächen in der zweiten Hälfte dennoch weiterhin solide unterhält, ist vor allem den Darstellern zu verdanken, allen voran Stefan Kurt („Der Schattenmann“, „Ruhm“) als André. Zurückgenommen, aber dadurch nicht weniger intensiv, arbeitet er die inneren Konflikte seiner Figur heraus. Und die Schweizer Schauspiellegende Annemarie Düringer („Nachts, wenn der Teufel kam“), mit der Regisseurin Oberli bereits bei „Die Herbstzeitlosen“ zusammenarbeitete, verleiht ihrer Louise spitzbübischen Charme, der die schwere Last auf ihren Schultern jedoch nie ganz kaschieren kann.

    Fazit: Bettina Oberli gelingt mit „Lovely Louise“ eine feinfühlige Mutter-Sohn-Geschichte, die in der zweiten Hälfte allerdings in allzu harmlose Unterhaltung abdriftet.

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